Die Luxusyacht "Dilbar"
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Möglicher Oligarchenbesitz Wem gehören die Jachten wirklich?

Stand: 20.10.2022 00:06 Uhr

Das BKA sucht nach Oligarchen-Vermögen und stößt dabei auf Superjachten, deren Besitzverhältnisse offenbar verschleiert werden. Nun interessiert sich auch das FBI für eine deutsche Werft und deren Schiffe.

Von Catharina Felke, Florian Flade und Benedikt Strunz, NDR/WDR

Die Bremer Lürssen Werft hat unter den Superreichen weltweit einen exzellenten Ruf. An der Weser werden Schiffe der Luxusklasse gebaut, Mega-Jachten, manche mehr als 150 Meter lang, die nahezu keine Wünsche der gutbetuchten Kundschaft offen lassen. Oft ausgestattet mit mehreren Swimmingpools und Hubschrauberdeck, Weinkeller und vollgepackt mit wertvoller Kunst. Manche verfügen über U-Boot-Garagen oder gar Intensivstationen.

"Lassen Sie sich inspirieren", heißt es auf der Webseite der Werft, wo die imposanten Schiffe - "Unsere Meisterwerke" - in einer Fotogalerie präsentiert werden. "Hier können Sie einige der außergewöhnlichsten Schiffe der Welt erkunden - jedes so individuell wie sein Besitzer."

Für einige der Schiffe, die bei Lürssen in den vergangenen Jahren vom Stapel gingen, und vor allem für deren Besitzer, interessiert sich seit einigen Monaten nun auch das Bundeskriminalamt (BKA). Die Ermittler gehören zu einer Task Force, die kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine von der Bundesregierung ins Leben gerufen wurde, um die Sanktionen gegen russische Oligarchen durchzusetzen. Sie sollen das Vermögen von Putins Clique in Deutschland aufspüren. Und sie ermitteln längst nicht alleine.

Europol und FBI suchen nach Vermögenswerten

Bei Europol läuft inzwischen die Operation "Oscar", auch in Frankreich, Italien, Spanien und Finnland sind Fahnder auf der Jagd nach Jachten, Villen, Privatjets, Kunstwerken und Geldern der reichen Gefolgsleute im Machtzirkel des Kreml. Und auch in den USA ist man dem Vermögen auf der Spur. Die US-Bundespolizei FBI sucht im Auftrag des amerikanischen Justizministeriums nach Oligarchen-Besitztümern - und hat dabei nach Recherchen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" (SZ) auch die Lürssen Werft ins Visier genommen.

Für mehr als ein halbes Dutzend Schiffe, die bei Lürssen in Bremen gebaut wurden und die womöglich sanktionierten Russen gehören, interessieren sich die amerikanischen Fahnder. Dazu zählt die "Dilbar", die sie dem Oligarchen Alisher Usmanov zurechnen und die von deutschen Behörden im April festgesetzt wurde. Aber auch die "Scheherazade" und die "Crescent" gehören dazu, sie werden von den US-Behörden dem Putin-Vertrauten und Rosneft-Chef Igor Sechin zugeordnet.

Außerdem stehen die "Amadea" und "Ice" im Fokus des FBI. Die Yachten rechnen die Ermittler dem milliardenschweren Duma-Abgeordneten Suleiman Kerimow zu. Ob all das so ist, ist offen, Belege über die wirklichen Besitzverhältnisse zu finden, ist schwierig.

In einer Anfrage der US-Behörden an deutsche Stellen heißt es, es gehe um die "Auskunft in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche und Verstößen gegen die im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg verhängten Sanktionen".

Werft kooperiert offenbar

Die Zuständigkeit der US-Justiz ergebe sich daraus, dass die Kosten für den Kauf oder die Renovierungsarbeiten der Jachten mit Hilfe von Offshore-Firmen in US-Dollar gezahlt worden sein sollen. Es heißt, Lürssen, gegen die nicht ermittelt wird, kooperiere dabei vollständig und übermittele die gewünschten Daten elektronisch. Auf Anfrage wollte sich die Werft nicht äußern und verwies an die zuständigen Behörden.

FBI-Beamte waren außerdem mit dabei, als das BKA und die Steuerfahndung vor wenigen Wochen die Luxusjacht "Dilbar" durchsuchten, die von Lürssen gebaut wurde und von den Ermittlern dem Oligarchen Usmanow zugerechnet wird. Die Jacht wird über ein Geflecht aus Briefkastenfirmen gehalten und gehört seit 2017 offiziell Usmanows Schwester. Gegen Usmanow ermitteln deutsche Behörden mittlerweile wegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche.

Wahre Besitzer werden verschleiert

Die Besitzverhältnisse der Luxusjachten zu klären, erweist sich als mühevoll. Oftmals werden die Schiffe durch verflochtene Netzwerke aus Briefkastenfirmen, Holdings und Treuhänder erworben. Damit die EU-Sanktionen durchgesetzt werden können, müssen die Behörden jedoch genau nachweisen, dass die Jachten tatsächlich sanktionierten Oligarchen gehören. Aufschluss darüber können die Unterlagen der Schiffsbauer liefern: Wer hat den Bau verhandelt, wer die Ausstattung festgelegt oder die Werft besucht?

Die US-Behörden erhoffen sich durch die Zusammenarbeit mit den europäischen Kollegen vor allem Klarheit darüber zu erlangen, welche Mega-Yachten eigentlich dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zuzurechnen sind. Schon lange gibt es Gerüchte, dass dem Machthaber im Kreml einige der teuersten Privatschiffe der Welt gehören, Belege dafür gab es nie.

Deutsche Ermittler vermuten inzwischen, dass die Jacht "Graceful", die 2014 bei Blohm & Voss in Hamburg gebaut wurde, Putin gehören könnte. Noch im vergangenen Jahr hatte der russische Präsident an Bord den belarussischen Diktator Lukaschenko empfangen. Das Schiff, das offiziell der russischen Staatsrederei Sowkomflot gehört, hatte zudem Anfang Februar, kurz vor Kriegsbeginn, ziemlich eilig Hamburg in Richtung Kaliningrad verlassen. Kürzlich wurde die "Graceful" in der Ostsee gesichtet, mit Begleitschutz durch ein Schiff der russischen Küstenwache.

Jacht "Graceful"

Die Yacht "Graceful" soll möglicherweise Präsident Putin gehören.

Und auch bei der Jacht "Scheherazade" gibt es die Vermutung, dass sie Putin gehören könnte. Das 140 Meter lange Schiff wurde 2014 von Lürssen gebaut, es soll mehr als eine halbe Milliarde Euro gekostet haben. Im Mai setzten italienische Behörden die Jacht im Hafen Marina di Carrara in der Toskana fest.

Ein "Edel-Strohmann" für Putins Clique?

Bei den Ermittlungen zu den Jachten wie der "Scheherazade" sind die deutschen Fahnder mittlerweile auf einen Mann gestoßen, dem - zumindest auf dem Papier - gleich mehrere Mega-Jachten gehören. Eduard Khudaynatov war früher Chef des russischen Öl-Giganten Rosneft, heute gehört ihm eine Öl-Firma. Mindestens fünf Schiffe rechnen die Ermittler dem Unternehmer zu, sie sollen einen Gesamtwert von mehr als einer Milliarde US-Dollar haben, so auch die 130 Meter lange "Crescent". Eigentlich, so glauben die Ermittler, sei sie aber dem Putin-Freund und Rosneft-Chef Igor Sechin zuzuordnen.

Khudaynatov soll reich sein, die Frage aber ist: Ist er tatsächlich so reich? Die Fahnder vermuten, dass er möglicherweise nur als eine Art "Edel-Strohmann" agiert und die Schiffe in Wahrheit dem Zirkel um Putin gehören. Im Juni wurde Khudaynatov bereits vorsorglich wegen seiner Nähe zu "Igor Sechin und Präsident Wladimir Putin" auf ihre EU-Sanktionsliste gesetzt. Khudaynatov ließ eine Anfrage zu den Vorwürfen unbeantwortet.