Das Kreuzfahrtschiff "AIDA Cosma" verlässt das Baudock II der Meyer Werft in Papenburg.
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Unterstützung für Meyer Werft Bürgschaft für Aida-Eigentümer Carnival

Stand: 18.07.2024 12:00 Uhr

Das Bundesfinanzministerium setzt sich laut NDR für eine Exportkreditgarantie für die verschuldete US-Kreuzfahrtreederei Carnival ein. Mit einem 1,25 Milliarden-Euro-Kredit will Carnival ein Schiff bei der angeschlagenen Meyer Werft bestellen.

Von Stefan Buchen, NDR

Das Kreuzfahrtschiff für 6.600 Passagiere könnte ab 2027 auf der Meyer Werft in Papenburg gebaut werden. Am 24. März 2024 schloss Carnival einen entsprechenden Bauvertrag mit der niedersächsischen Werft, der aber noch unter Finanzierungsvorbehalt steht.

Nun will die Bundesregierung offenbar die Finanzierung mit einer Exportkreditgarantie absichern. Damit will sie wohl vor allem der um ihre Existenz kämpfenden Meyer Werft in Papenburg helfen. Für die Werft sei "der Auftrag von erheblicher Bedeutung," heißt in einem Brief aus dem Finanzministerium an den Haushaltsauschuss, der dem NDR vorliegt.

"Der vorliegende Neubau-Auftrag ist erst der dritte seit Ausbruch der Pandemie für den deutschen Standort der Werft", schrieb Staatsekretär Florian Toncar am 14. Juni an den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses Helge Braun (CDU). Ab einer Höhe von 700 Millionen Euro muss der Haushaltsausschuss einer Exportkreditgarantie zustimmen.

Meyer Werft nicht ausgelastet

Die Meyer Werft befindet sich seit Ausbruch der Corona-Pandemie in einer tiefen Krise. Weniger Bestellungen, Bauaufträge, die zeitlich gestreckt wurden, explodierende Bau- und Energiekosten - das alles führte bei Meyer zu einer Finanzlücke von fast 2,8 Milliarden Euro, wie im Mai bekannt wurde.

Auf Druck der finanzierenden Banken wurde ein Sanierer berufen. Die Werft bemüht sich um Geld vom Land Niedersachsen und vom Bund, um die Lücke zu schließen. Ein Werft-Sprecher bestätigte dem NDR auf Anfrage, dass diese Durststrecke noch rund zwei Jahre anhalten werde.

Auftrag in Tokio vereinbart

In dieser prekären Situation sollen neue Bauaufträge für Kreuzfahrtschiffe eine Perspektive für die Zukunft aufzeigen. Vergangene Woche schloss Werftchef Bernhard Meyer in Tokio einen Vertrag mit dem Chef der "Oriental Land Company", die in Japan den US-amerikanischen Disney-Konzern vertritt.

Die Finanzierung dieses Schiffs, das auch ab 2027 in Papenburg gebaut werden soll, sei "gesichert", wie ein Werftsprecher dem NDR mitteilte. Ob der Bund hierfür auch eine Exportkreditgarantie gewährt, wollten weder die Werft noch die Bundesregierung mitteilen.

"Wichtigen Kunden" halten

Um die Finanzierung des Riesenschiffs für Carnival ringt die Werft hingegen noch. Der Auftrag helfe, "das Orderbuch weiter zu füllen", schrieb das Bundesfinanzministerium in dem Brief an den Haushaltsausschuss. Es gelte, "mit Carnival als weltweit größter Kreuzfahrtreederei einen wichtigen Kunden halten zu können."

Die Kreuzfahrtreederei aus Miami wird in dem Schreiben des Finanzministeriums als Unternehmen im Aufschwung dargestellt, das "die Talsohle" der Pandemie hinter sich gelassen habe. "Für das aktuelle Geschäftsjahr 2024 wird im nordamerikanischen und europäischen Kreuzfahrtmarkt mit einer nahezu vollständigen Rückkehr der Buchungs- und Ertragszahlen auf das Niveau von vor der Corona-Pandemie gerechnet", so das BMF.

Das Ministerium attestiert Carnival "positive Marktaussichten", ein "stabiles Geschäftsmodell" und eine "gute Bonität". Deshalb sei das mit der Gewährung der Bundesdeckung verbundene Risiko "vertretbar".

Schulden in Höhe von rund 27 Milliarden Dollar

Auffällig ist, dass negative Aspekte der Lage des Weltmarktführers in der Kreuzfahrt vom Bundesfinanzministerium in dem Schreiben an den Haushaltsausschuss nicht genannt werden. Carnival hat Schulden in Höhe von rund 27 Milliarden Dollar. Die meisten stammen aus der Zeit der Pandemie, als die Flotte unterhalten und alte Kredite bedient werden mussten, die Einnahmen aber fehlten.

Frische Kredite wurden damals nur zu hohen Zinssätzen von mehr als zehn Prozent gewährt. Zwar seien die Carnival-Kreuzfahrtschiffe aktuell gut gebucht, dennoch hält Max Johns von der Hamburg School of Business Administration die hohe Verschuldung von der Reederei für eine Belastung. "Carnival hat sehr viele Schulden," sagte im Johns Gespräch mit dem NDR, "ungefähr zweieinhalb mal so viel wie im langfristigen Durchschnitt vor Corona."

Risiko "substanzielle Verschuldung"

Auf das Risiko durch die "substanzielle Verschuldung" weist die Reederei auch selbst in ihrem Geschäftsbericht für 2023 hin. Daneben zählt die Reederei weitere Faktoren auf, die ihr Kreuzfahrtgeschäft beeinträchtigen könnten. Dazu gehören etwa geopolitische Unsicherheit und mögliche Veränderungen im Verhaltensmuster der Konsumenten, die sich den Problemen des Klimawandels bewusster werden könnten.

Schifffahrtsexperte Johns kann den Drang der Politik, die Meyer Werft zu unterstützen, verstehen. Es gehe hier um die Förderung des heimischen Schiffbaus, "um die Arbeitsplätze zu erhalten." Wenn die aktuell hohen Buchungszahlen in der Kreuzfahrt anhielten, sehe es gut aus für Carnival.  

Mit Blick auf die Exportkreditgarantie meint Johns aber, dass sich das Risiko des Kreditausfalls in der Höhe der Gebühr widerspiegeln müsse, die Carnival für die Gewährung der Staatsdeckung aus Deutschland zu zahlen habe. Zehn Prozent der Garantiesumme seien ein Maßstab. Das wären mehr als 100 Millionen Euro. Zur Höhe der Gebühr stehen in der BMF-Mitteilung keine genauen Angaben. Die Bundesregierung gibt auf Anfrage zu solchen Details keine Auskunft. Ob die Bundesdeckung für das neue Carnival-Schiff endgültig gewährt wurde, ist unklar.

Unterstützung vom Wirtschaftsministerium

Unterstützt wird die Bürgschaft auch von Wirtschaftsminister Robert Habeck. Sein Ministerium hat bei den Exportkreditgarantien des Bundes die Federführung und stimmte laut BMF-Papier der Exportkreditgarantie bereits zu. Zum Fall Carnival und "etwaigen Exportkreditgarantien" möchte das Ministerium nichts sagen. Ein Sprecher verweist auf "schützenswerte Geschäftsgeheimnisse".

Im Januar 2022 hatte sich der damals frische gebackene Minister Habeck im Bundestag noch dezidiert zu Bundesdeckungen für Kreuzfahrtreedereien geäußert. "Gewundert" habe es ihn zu sehen, wie viele Exportkreditgarantien der Bund dieser Branche gewährt habe. Er sprach damals von einem "Klumpenrisiko".

"Höchsthaftung des Bundes"

Wegen früher erteilter Garantien für Carnival hat der Bund laut BMF-Papier bereits ein Risiko von 3,4 Milliarden Euro plus Zinsen. Durch die neue Exportkreditgarantie käme eine "Höchsthaftung des Bundes" hinzu. Der neue Kredit plus die anfallenden Zinsen während der Laufzeit summieren sich auf  2,15 Milliarden.

Der NDR bat beim Bundesfinanzministerium um Auskunft, wie es die Finanzlage von Carnival bewerte, warum es gegen die Exportkreditgarantie keine Einwände erhoben habe und warum es im Bundestag für die Einwilligung des Haushaltsausschusses werbe. Die Pressestelle des Ministeriums verweist auf §39 der Bundeshaushaltsordnung. Darin steht, die Regierung habe das Recht, Kredite zu prüfen, die sie absichert. Das BMF folgert: "Die Einhaltung der Haushaltsdisziplin wird damit sichergestellt."

Wissenschaftler Johns verweist noch auf die Tatsache, dass Carnival in den Vereinigten Staaten keine Staatshilfen bekomme. Donald Trump lehnte 2020 Hilfen mit dem Hinweis ab, dass die Reederei in den USA keine Steuern zahle. Steuerlich ist Weltmarktführer Carnival Cruise Line in Panama registriert.