Unzureichende Gesetzesgrundlage 1000 Extremisten mit Waffenerlaubnis
Noch immer haben bundesweit etwa 1000 Extremisten eine Waffenerlaubnis. Unter ihnen sind sogar Menschen, die in der Vergangenheit von Behörden als potenzielle Terroristen eingestuft wurden. Das zeigen Recherchen von Report Mainz.
Die Schwarze Sonne hat in seinem Tattoo-Studio einen zentralen Platz, dies belegen Fotos. Direkt neben dem Tresen hängen Fotos von Tätowierungen, auf fast allen prangt das Symbol, das in der Nazi-Szene eine ganz besondere Bedeutung hat. Als Ersatz für das verbotene Hakenkreuz findet man es auf vielen Demos, Fackelmärschen und eben nun bei dem Mann, der seit Jahren als Schütze an Wettkämpfen in ganz Europa teilnimmt.
Robert N. (Name geändert) ist seit vielen Jahren Sportschütze, verfügt nach eigenen Angaben über einen Sprengstoffschein und hat eine Waffenerlaubnis - trotz seiner Verbindungen in die rechtsextreme Szene. Er war Mitglied einer Nazigruppe, die schnell ins Visier der Ermittler geriet. In den 1990er-Jahren gab es bei ihnen eine Durchsuchung, gefunden wurden nationalsozialistisches Propagandamaterial und Waffen, sogar eine Panzerfaust.
Auch bei N. persönlich waren es eine Schrotflinte, Revolver, Munition und Rohrbomben. Noch im Jahr 2012 führte ihn der Verfassungsschutz nach Recherchen des ARD-Politikmagazins Report Mainz auf einer Liste von Personen mit rechtsterroristischen Ansätzen. "Das ist etwas, wo wir uns als Staat lächerlich machen", sagt Marcel Emmerich, Innenexperte von B90/Die Grünen im Bundestag. "Da müssen unsere Behörden die notwendigen Mittel an der Hand haben, um das zu beenden." Die zuständige Waffenbehörde schreibt auf Anfrage, man setze das geltende Waffenrecht um. Es gebe "keinerlei Erkenntnisse", die einer Waffenerlaubnis entgegengestanden hätten.
Rund 1000 Extremisten mit Waffenerlaubnis
Noch immer besitzen bundesweit rund 1000 Extremisten eine Waffenerlaubnis. Das zeigt eine Umfrage von Report Mainz bei allen Bundesländern. Die tatsächliche Zahl dürfte viel höher liegen. Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. Einige Bundesländer können zudem keine genauen Angaben machen. Und auch das Bundesinnenministerium kann trotz mehrfacher Anfrage keine aktuelle Zahl nennen, verweist auf den Stand von Ende 2021. Allein in Rheinland-Pfalz und Hessen besitzen bekannte Rechtsextremisten und Reichsbürger 925 scharfe Schusswaffen.
Der Chef des Thüringer Verfassungsschutzes ist angesichts dieser Zahlen besorgt. "Ich kenne niemanden, der mit einigermaßen Verstand diese Situation betrachtet und dem diese Zahlen keine Sorgen machen", so Kramer. Dabei sei das Problem drängender denn je. "Wir erleben gerade in der Szene, dass die Gewaltbereitschaft und die Geneigtheit, eben auch legale Waffen einzusetzen, sehr viel größer geworden ist."
"Extremisten tanzen uns auf der Nase rum"
Das macht nicht nur Verfassungsschützern Sorge, sondern auch den Waffenbehörden. Report Mainz hat mit mehreren Beamten gesprochen. Auch hier ist die Frustration groß, erzählt ein Amtsleiter, der namentlich nicht genannt werden will: "Wir haben immer wieder Fälle von Menschen, wo einem der gesunde Menschenverstand oder das Bauchgefühl sagt: Hier musst du eingreifen."
Doch oftmals könne man selbst ausgemachten Extremisten die Waffen nicht wegnehmen. Mal scheitere es an Verjährungsfristen, mal an fehlenden Infos von Nachrichtendiensten, oft aber auch nur an einer kleinen Formulierung. Während Straftäter ab einem gewissen Strafmaß ihre Waffen automatisch verlieren, gelte das bei Extremisten nur "in der Regel". Und dieser kleine Unterschied erlaube den Gerichten großen Spielraum, mit fatalen Folgen. "Da sind immer Extremisten, die mir auf der Nase rumtanzen", so der Amtsleiter.
Sowohl Politiker als auch Behördenchefs fordern deshalb gegenüber Report Mainz Änderungen im Waffenrecht. "Das sind zwar juristische Feinheiten", sagt etwa der hessische Innenminister Peter Beuth. "Aber diese Feinheiten führen dazu, dass wir im Waffengesetz Anforderungen haben, die es uns nicht ermöglichen, so erfolgreich wie wir sein wollen, den Extremisten die Waffen zu entziehen." Das Bundesinnenministerium ließ eine Anfrage von Report Mainz zu dem Thema unbeantwortet.
Zu viele Auswege?
Beuth ist Mitglied der CDU, bekommt in diesem Fall sogar Rückendeckung über die Parteigrenzen hinweg. Auch Grünen-Politiker Emmerich hält eine Verschärfung für nötig. "Das ist ein Punkt, wo man die Bundesinnenministerin auf jeden Fall in die Verantwortung nehmen muss", so Emmerich. Der rechtliche Rahmen gebe momentan zu viele Auswege. "Deswegen muss man da auf jeden Fall nachschärfen."
Und auch Thüringens Verfassungsschutz-Chef Kramer sieht Handlungsbedarf. "Wir wollen uns das alle nicht vorstellen, dass es erst noch mehr Tote geben muss, bis tatsächlich klare Normen formuliert sind."