Sanktionen gegen Russland Millionen verschoben?
Dem russischen Oligarchen und TUI-Aktionär Alexey Mordaschow ist es offenbar gelungen, Finanzgeschäfte in dreistelliger Millionenhöhe zu tätigen. Dabei stand er zum Zeitpunkt des Deals offenbar bereits auf der EU-Sanktionsliste.
Es ist eine kurze Mitteilung, doch sie hat große Sprengkraft: Am 04. März gibt TUI bekannt, dass Aktien des Unternehmens im Wert von fast 190 Millionen Euro den Besitzer gewechselt haben. Das Brisante: Mittendrin ist der langjährige TUI-Großaktionär und Aufsichtsratsmitglied Alexey Mordaschow. Am 28. Februar hatte der Rat der Europäischen Union Sanktionen gegen ihn verhängt - und doch war offenbar der Millionendeal möglich, laut TUI-Mitteilung ebenfalls am 28. Februar.
Aus der Mitteilung, des weltweit tätigen Touristikkonzerns geht hervor, dass es sich bei dem Geschäft um einen Verkauf von Aktien der Firma Unifirm Limited am 28. Februar handelt und zwar "meldepflichtig als Eigengeschäfte" von Alexey A. Mordaschow.
Ebenfalls am 04. März veröffentlicht die TUI den Erwerb von Aktien durch die Severgroup Limited Liability Group vom 28. Februar, an der Mordaschow die Mehrheit hält, auch dieser Vorgang: "meldepflichtig". Das Aktienpaket, das am 28. Februar den Besitzer wechselte, hat ein Volumen von 188.739.000 Euro. Die Aktien stehen nun nicht mehr bei einer zyprischen, sondern bei einer russischen Firma in den Büchern.
"Kein Zufall"
Der Vize-Vorsitzende der Polizeigewerkschaft GdP Zoll, Frank Buckenhofer, kritisiert, dass so etwas möglich ist: "Ein Zufall ist das sicherlich nicht. Ich glaube, dass dieser Deal absichtlich gemacht worden ist, um eben Sanktionen zu umgehen. Und es ist schon interessant, dass die Europäische Union eine Sanktionsliste erlässt und just zu dem Zeitpunkt, wo die Sanktionsliste in Kraft tritt, verflüchtigt sich das Geld von der einen Tasche in die andere."
War der Millionendeal rechtens? Tatsache ist: Das sogenannte "Einfrieren" erstreckt sich laut einer Handlungsanweisung des Europäischen Rats nicht nur auf Vermögenswerte, die sich im Besitz oder im Eigentum von benannten Personen befinden, sondern auch auf die Vermögenswerte, die von diesen kontrolliert werden.
Zeitpunkt des Deals ausschlaggebend
Unstrittig scheint die Frage, dass die Transaktion stattgefunden hat, das bestätigt auf Anfrage des ARD-Politikmagazins Report München eine Sprecherin des Oligarchen. Nach ihrer Aussage habe die Transaktion am 28. Februar stattgefunden, bevor die Sanktionen verhängt worden seien.
Elementar ist daher die Frage: Wann genau traten die Sanktionen in Kraft? Auf Anfrage von Report München erklärt eine Sprecherin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, Bestimmungen, wie die Sanktion gegen russische Oligarchen, treten "mit Beginn der ersten Stunde des diesem Datum entsprechenden Tages in Kraft bzw. werden dann wirksam oder angewandt, also um 0:00 Uhr."
Das bestätigt auch der Europäische Rat auf Anfrage und macht klar: "Einzelne Maßnahmen gegen Personen sind sofort anzuwenden in den Mitgliedstaaten und zwar auf gleiche Art in der gesamten EU."
Offenbar unklare Zuständigkeiten für die Umsetzung der Sanktionen
Wurden die Sanktion hier nicht umgesetzt? Und wenn, wer trüge dafür die Verantwortung? Bundesministerien und Behörden erklären sich für nicht zuständig oder schieben die Verantwortung anderen Institution zu.
So erklärt die für die operative Umsetzung der Sanktionen für Aktien zuständige Bundesbank auf Anfrage, die Kreditinstitute müssten die betroffenen Konten identifizieren. Die EU stelle zu diesem Zweck konsolidierte Listen zur Verfügung: "Ein Kreditinstitut, das die Konten einer gelisteten Person, Unternehmens oder Einrichtung verwaltet, muss (…) ab dem Inkrafttreten einer solchen Maßnahme jede Art von Verfügung über eingefrorene Gelder verhindern."
Was ist hier also schiefgelaufen? Wieso konnten die Transfers der zyprischen Unifirm Limited und der russischen Severgroup, die beide dem ehemaligen TUI Aufsichtsrat Alexey Mordachow zuordnet sind, dennoch abgewickelt werden?
Die Bundesbank erklärt auf Nachfrage, dass hierzu keine Auskünfte an Dritte gegeben würden, man gebe die Informationen an das zuständige Bundeswirtschaftsministerium weiter. Doch auch dort gibt es keine klare Aussage zum Millionendeal des Oligarchen. Die Hintergründe des Transfers bleiben unklar.
TUI zeigt sich von Aktiendeal überrascht
Ein Sprecher der TUI schreibt an Report München, das Unternehmen habe von der Transaktion "im Nachgang durch die Übermittlung der üblichen regulatorischen Pflichtmitteilungen erfahren und diese dann im Rahmen ihrer Publizitätspflichten veröffentlicht". Bei der Wirksamkeit der Übertragung handele es sich um eine Rechtsfrage, die der Touristikkonzern mangels weitergehender Kenntnis des Sachverhaltes selbst nicht beurteilen könne.
Im Sanktionsbeschluss des Europäischen Rates vom 28. Februar war als Grund für die Sanktionierung von Alexey Mordaschow angegeben worden, dieser profitiere von seinen Verbindungen zu russischen Entscheidungsträgern. Außerdem sei Mordaschow Vorsitzender der Severgroup, "die ihrerseits Fernsehsender kontrolliert, die aktiv die Politik der russischen Regierung zur Destabilisierung der Ukraine unterstützen".
Genau diese Firma, die Severgroup hält jetzt laut TUI 4,13 Prozent an der TUI AG. Diese Anteile, so meldet die TUI vor ein paar Tagen, würden Herrn Mordaschow zugerechnet.
Die Sprecherin von Mordaschow erklärte auf Anfrage, was in der Ukraine passiere, sei eine Tragödie für zwei Brudernationen. "Es ist schrecklich, dass Ukrainer und Russen sterben, Menschen leiden und die Wirtschaft bricht zusammen. Ich hoffe zutiefst, dass ein Weg gefunden werden in absehbarer Zukunft gefunden werden kann, dass der Konflikt und das Blutvergießen gestoppt werden kann."