Zwei Deutschrussen festgenommen Ermittlungen zu Sabotageplänen in Deutschland
Zwei Deutschrussen wurden nach ARD-Informationen wegen der Vorbereitung von Sabotageaktionen im Auftrag Russlands festgenommen. Ziel sei es gewesen, Deutschlands Unterstützung für die Ukraine zu sabotieren.
Paragraf 109g des Strafgesetzbuches steht in einer selten besuchten Gegend des Gesetzes. Weder Jura-Studenten noch Staatsanwälte schauen normalerweise in die Vorschrift. Nur Menschen, die bei der Bundeswehr waren, kennen den § 109g StGB. Er steht unter den Schildern "Militärischer Sicherheitsbereich - Fotografieren verboten!". Die beiden Deutschrussen Dieter S. und Alexander J. aus Bayreuth sollen gegen diese Vorschrift verstoßen haben. Doch das dürfte ihr kleinstes Problem sein.
Generalbundesanwalt Jens Rommel wirft ihnen nach Informationen des SWR und des ARD-Hauptstadtstudios noch eine ganze Reihe von weiteren Straftaten vor. Die Überschriften über allem lauten: Illegale Operationen für den russischen Staat und gegen die Ukraine. Terrorismus und Spionage.
Entsprechend sind in den vergangenen Monaten nicht nur zwei Abteilungen des Generalbundesanwalts, sondern auch das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz, das LKA Bayern sowie US-Behörden hinter den beiden Männern her gewesen. Sie glauben, ein Szenario entdeckt zu haben, das sie schon seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine befürchten: Sabotage in Deutschland, um Russland zu helfen und der Ukraine zu schaden.
Kampfeinsatz gegen die Ukraine
Schlüsselfigur soll der 39-jährige Dieter S. sein. Er hat die deutsche und die russische Staatsbürgerschaft und fiel den Sicherheitsbehörden auf, weil er bereits im Zeitraum 2014 bis 2016 bewaffnet für eine Brigade der "Volksrepublik Donezk" gegen die Ukraine gekämpft haben soll.
Die "Volksrepublik Donezk" besteht aus ukrainischem Gebiet, das sich mit einem Scheinreferendum für unabhängig erklärt hatte und 2022 von Russland annektiert wurde. Neben Russland haben deswegen bislang nur Syrien und Nordkorea die Volksrepublik diplomatisch anerkannt.
Den mutmaßlichen Kampfeinsatz von Dieter S. stuft der Generalbundesanwalt als Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung ein. Ein Novum, denn damit wird die "Volksrepublik Donezk" zu einer terroristischen Vereinigung, Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat eine entsprechende Verfolgungsermächtigung erteilt. Ein Schritt mit hoher Symbolkraft, der diplomatische Folgen haben dürfte.
Infrastruktur ausgespäht
Doch neben diesem Terrorverfahren ermittelt auch die Spionageabteilung der Bundesanwaltschaft gegen Dieter S. Er soll seit mindestens Oktober 2023 planmäßig militärisches Gelände, Eisenbahnstrecken und andere Infrastruktur ausgespäht sowie Fotos und Videos gemacht haben, um Sprengstoffanschläge auf Versorgungslinien für das ukrainische Militär vorzubereiten. Nach dem Motto: verhindern, dass Waffen und anderes Material aus Deutschland in die Ukraine gebracht wird. Betroffen sind nicht nur deutsche Einrichtungen, sondern auch solche des US-Militärs in Deutschland.
Die gesammelten Informationen hat S. demnach an einen Verbindungsmann bei einem russischen Geheimdienst weitergegeben. Seit März 2024 soll ihm der 37-jährige Alexander J. dabei geholfen haben, beide kennen sich offenbar schon aus der Zeit bei der "Volksrepublik Donezk".
Ein besonders schwerer Fall der "Geheimdienstlichen Agententätigkeit" sei das, sagt die Bundesanwaltschaft. Den beiden Männern drohen lange Haftstrafen bis zu zehn Jahren.
Weitere Spione wahrscheinlich
Durch die Kombination der unterschiedlichen Delikte dürfte es zu interessanten Verfahren kommen, in denen Vorgehensweisen des russischen Geheimdienstes zur Sprache kommen dürften, vor denen der Verfassungsschutz schon lange warnt: Ausspähen kritischer Infrastruktur, Sabotage von Versorgungswegen, Anschläge auf Militärlieferungen in die Ukraine. Und "ganz sicher" seien die beiden Deutschrussen nicht die einzigen möglichen Spione, heißt es in Ermittlungskreisen.
Am Mittwochmorgen wurden Dieter S. und Alexander J. festgenommen, ihre Wohnungen durchsucht. Nach Informationen von SWR und ARD-Hauptstadtstudio hat der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof noch am Mittwochabend die Untersuchungshaft für Dieter S. angeordnet. Alexander J. wird am Donnerstagvormittag dem Haftrichter vorgeführt. Am Vormittag wollen die Sicherheitsbehörden Einzelheiten zu dem Fall bekanntgeben.
In einer früheren Version des Textes stand, dass das Gebiet der "Volksrepublik Donezk" bereits im Jahr 2014 von Russland annektiert worden sei. Dies haben wir korrigiert.
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