Aserbaidschan-Verbindungen Lintner sieht keine Schuld
In der Aserbaidschan-Affäre hat sich der Hauptbeschuldigte in einem Interview mit dem SWR erstmals zum Vorwurf der Abgeordnetenbestechung geäußert. Der Ex-CSU-Abgeordnete Lintner bestätigt Zuwendungen aus Baku, aber keine Korruption.
Im Zentrum der staatsanwaltlichen Ermittlungen zur Aserbaidschan-Affäre steht Eduard Lintner, ehemaliger CSU-Bundestagsabgeordneter aus Münnerstadt im Landkreis Bad Kissingen. Dabei geht es vor allem um den Vorwurf der Bestechung von Abgeordneten des Bundestages und des Europarates. In den vergangenen Monaten waren im Zuge der Ermittlungen mehrere Büros von Abgeordneten durchsucht wurden. Der Verdacht: Sie sollen Geld bekommen haben, damit sie bei politischen Abstimmungen im Sinne des Regimes von Aserbaidschan agieren.
Laut Staatsanwaltschaft erhielt Lintner mindestens vier Millionen Euro aus Aserbaidschan. Im ARD-Interview sagt er dazu: "Wir haben monatliche Zuwendungen bekommen und haben dafür ein teures Büro im Berliner Regierungsviertel angemietet, ausgestattet, unterhalten und Personal eingestellt, so dass also im Endeffekt nicht allzu viel übrig geblieben ist."
Einseitiger Anspruch auf Bergkarabach
Entstanden seien die Aserbaidschan-Kontakte im Europarat. In dessen Parlamentarische Versammlung war Lintner als deutscher Abgeordneter entsandt worden. Dort sei er mit aserbaidschanischen Abgeordneten ins Gespräch gekommen, die nach Unterstützung für ein zentrales Anliegen der ehemaligen Sowjetrepublik suchten: Die Angliederung der Region Bergkarabach, die zum Teil von Armenien besetzt war und zum Teil eine eigene Staatlichkeit anstrebte. Dieser Forderung der aserbaidschanischen Führung schloss sich Lintner nach eigenen Angaben an, da sie "völkerrechtlich unproblematisch war".
Tatsächlich hatte Aserbaidschan längst einer friedlichen Lösung des Konfliktes und Verhandlungen mit Armenien und den überwiegend armenischen Bewohnern Bergkarabachs zugestimmt.
Laut Staatsanwaltschaft hat Eduard Lintner, ehemaliger CSU-Bundestagsabgeordneter aus Münnerstadt im Landkreis Bad Kissingen, mindestens vier Millionen Euro aus Aserbaidschan erhalten.
Keine Erinnerung an Geld für Fischer
In dem ARD-Interview räumt Lintner ein, dass über von ihm geführte Firmen Geld an andere Politiker und Institutionen verteilt wurden. Gesichert ist, dass die vor Kurzem verstorbene CDU-Politikerin Karin Strenz über Lintner Geld aus Aserbaidschan bekommen hat. Sie war aufgefallen, als sie im Europarat gegen die Freilassung von politischen Gefangenen in Aserbaidschan stimmte.
Auch der Karlsruher Bundestagsabgeordnete Axel E. Fischer soll auf diesem Weg Geld bekommen haben. Auch seine Büroräume wurden mittlerweile von der Staatsanwaltschaft durchsucht. Die Ermittlungen hierzu laufen noch. Schriftliche Anfragen der ARD ließ Fischer unbeantwortet. Lintner sagte, er könne sich nicht mehr daran erinnern, ob auch Fischer aserbaidschanisches Geld erhalten habe.
Gerald Knaus von der Organisation "European Stability Initiative" hat als einer der Ersten zur Aserbaidschan-Connection und möglichen Bestechungen recherchiert. Er hält die Aussage Lintners für unglaubwürdig. "Axel Fischer war einer der wichtigsten Akteure in dieser Welt des Europarats. Die Vorstellung, dass Herr Lintner entfallen ist, ob dieser Axel Fischer auch Geld bekam, ist nicht sehr glaubwürdig."
Private Wahlbeobachter im Widerspruch zur OSZE
Lintner organisierte zudem mehrfach sogenannte "Wahlbeobachter-Reisen" nach Aserbaidschan. Mit dabei waren unter anderem Strenz und Fischer. Der Vorwurf: Diese Reisen dienten vor allem dem Zweck, den Wahlen im Sinne des Regimes einen demokratischen Anschein zu geben. Und das, obwohl unabhängige Wahlbeobachterorganisationen und auch die OSZE immer wieder nachwiesen, dass es in Aserbaidschan weder freie noch faire Wahlen gibt. Doch die "Wahlbeobachter" von Lintner kamen stets zu dem Ergebnis, dass die Abstimmungen den "demokratischen Standards" entsprochen haben. Diese Aussagen wurden in den staatlich kontrollierten Medien in Aserbaidschan weiterverbreitet und vom Regime genutzt.
Botschaft bat um Anfrage an Bundesregierung
Nach SWR-Recherchen gab es weitere Bundestagsabgeordnete, die sich auffällig offensiv für die Interessen des aserbaidschanischen Regimes eingesetzt haben. Die CDU-Abgeordneten Eberhard Gienger und Nikolas Löbel reisten mehrfach nach Aserbaidschan und äußerten sich stets positiv über das Land.
Im Jahr 2019 stellten sie zudem gemeinsam mit den Abgeordneten Olav Gutting und Axel E. Fischer eine parlamentarische Anfrage zum Konflikt um die Region Bergkarabach. Die vier Abgeordneten reichten ihre Anfragen getrennt voneinander ein - allerdings mit dem exakt gleichen Text. Nach SWR-Recherchen kam die Initiative hierzu direkt von der aserbaidschanischen Botschaft in Berlin.
In einer E-Mail eines Botschaftsmitarbeiters vom 16. September 2019 an mehrere Bundestagsabgeordnete wird auf ein angeblich "aggressives Statement" des armenischen Premierministers zum Bergkarabach-Konflikt verwiesen. Wörtlich heißt es: "Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie diese Angelegenheit verfolgen […] und mögliche Reaktionen des Bundestages auf die armenische Vorgehensweise prüfen würden."
Der Menschenrechtsexperte Knaus kritisiert, die Aserbaidschan-Affäre sei noch längst nicht aufgeklärt. Er fordert weitere, internationale Untersuchungen dazu. Während die staatsanwaltlichen Ermittlungen in Deutschland weiter gehen, bleibt Lintner davon überzeugt, dass er keine Fehler gemacht hat: "Ich fühle mich weder korrumpiert noch korrupt."
Die ARD-Dokumentation "Die Aserbaidschan-Connection - die nützlichen deutschen Helfer des Alijew-Regimes" läuft am Montag um 21.45 Uhr im Ersten.