Eine weibliche Auszubildende feilt an einem Werkstück
Exklusiv

Folge der Corona-Krise Betriebe wollen weniger ausbilden

Stand: 30.04.2020 05:00 Uhr

Experten zufolge fehlt es dem Handwerk an Fachkräften. Die Corona-Krise könnte die Situation noch verschärfen. Jeder vierte Betrieb will weniger ausbilden. Das zeigt eine Umfrage, die Report Mainz vorliegt.

Von Pascal Siggelkow, ARD-faktenfinder und Philipp Reichert, SWR

Die Corona-Krise könnte sich massiv auf den Ausbildungsmarkt auswirken. Das zeigt eine Umfrage des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), die dem ARD-Politikmagazin Report Mainz exklusiv vorliegt.

Demnach plant ein Viertel der Handwerksbetriebe, im kommenden Ausbildungsjahr weniger Lehrstellen zu besetzen. Knapp 38 Prozent geben an, genauso viele Ausbildungsstellen anbieten zu wollen wie im Vorjahr. Nur jeder zwanzigste Betrieb hingegen plant, mehr Lehrlinge einzustellen. An der Umfrage des ZDH haben bundesweit insgesamt 2700 Handwerksbetriebe teilgenommen.

Große Unsicherheit bei Betrieben

Der ZDH führt die möglichen Rückgänge bei den Ausbildungsplätzen auf die Corona-Krise zurück. "Es kommen einfach kaum neue Aufträge rein", sagte Volker Born, Leiter der Abteilung "Berufliche Bildung“ beim ZDH. Viele Unternehmen seien derzeit extrem verunsichert. Außerdem sei völlig unklar, wann Unternehmen wieder ihren normalen Geschäftsbetrieb aufnehmen könnten. Eine Personalplanung für die Zukunft sei unter diesen Umständen besonders schwierig.  

"Zahlen sehr beunruhigend“

Für den Arbeitsmarktexperten Stefan Sell von der Hochschule Koblenz sind die Zahlen ein Indiz dafür, dass die Corona-Krise den Arbeitsmarkt nachhaltig schaden könnte. "Die Werte sind sehr beunruhigend und extrem problematisch“, sagt Sell. Im Handwerksbereich fehle es schon jetzt an Fachkräften. In den vergangenen Jahren sei dort zu wenig ausgebildet worden. Außerdem gingen in den kommenden zehn Jahren viele Facharbeiter in den Ruhestand. Sell befürchtet, dass die Corona-Krise diese schon bestehende Schieflage weiter verstärkt: "Wenn uns da noch mehr Nachwuchs wegbricht, wäre das fatal."  

Es müsse unbedingt verhindert werden, dass Betriebe wegen der Corona-Krise überhaupt keine Ausbildungsplätze mehr anbieten. Denn wer einmal Lehrstellen streiche, der biete auch künftig in aller Regel keine Ausbildungsplätze mehr an. Das habe die Vergangenheit gezeigt. "Ich sehe die große Gefahr, dass wir Betriebe dauerhaft als Ausbildungsort verlieren", sagt Sell im Interview mit Report Mainz

Verband fordert Unterstützung

Um das zu verhindern, fordert der Zentralverband des Deutschen Handwerks Unterstützung von der Politik. Für Handwerksbetriebe, die mit dem Gedanken spielen, weniger auszubilden, brauche es dringend finanzielle Anreize. "Wir müssen ihnen das klare Signal geben, dass ihre Investition in die Zukunft keine Fehlentscheidung sein wird", so Born. Denn die Auszubildenden von heute seien die Fachkräfte von morgen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL im Hörfunk am 30. April 2020 um 10:13 Uhr.