Kinderpsychiater Winterhoff Jugendamt beendet Kooperation
Aufgrund der schweren Vorwürfe gegen Michael Winterhoff kündigt ein erstes Jugendamt die Zusammenarbeit mit dem Kinderpsychiater auf. Inzwischen melden sich immer mehr Betroffene.
Nach den massiven Vorwürfen von ehemaligen Patientinnen und Patienten sowie Sorgeberechtigten gegen den Bonner Kinderpsychiater Michael Winterhoff kündigt das Jugendamt Sankt Augustin die Zusammenarbeit mit dem Arzt auf. Man sehe aufgrund der Reportage ernstzunehmende Hinweise auf eine fachlich nicht vertretbare, schadenverursachende Arbeitsweise des Kinderpsychiaters.
WDR und "Süddeutsche Zeitung" (SZ) hatten über die Behandlungsmethoden des bekannten Kinderpsychiaters berichtet, der zahlreiche Bücher verfasste und wiederholt in Talkshows zu Gast war. Ehemalige Patientinnen und Patienten werfen Michael Winterhoff vor, dass er ihnen über Jahre ruhigstellende Neuroleptika verschrieb, vor allem das Mittel Pipamperon.
Winterhoff verteidigt Vorgehen
Die Medikamente, die der Kinderpsychiater verschrieb, können zahlreiche Nebenwirkungen hervorrufen. Sie reichen von Müdigkeit über starke Gewichtszunahme bis hin zu Diabetes und Herzerkrankungen. Studien deuten darauf hin, dass sie dazu beitragen, die Gehirnmasse zu verringern.
Winterhoff teilte auf Anfrage mit, dass der Einsatz von Pipamperon unbedenklich sei, solange die Behandlung kinderpsychiatrisch kontrolliert werde. Er wäge Nutzen und Risiken einer medikamentösen Behandlung ab. In vielen Fällen mache der Einsatz dieses Medikaments eine heilpädagogische Behandlung erst möglich.
Pipamperon kann schwere Nebenwirkungen hervorrufen.
Eltern und auch Vormünder der Kinder, von denen sich viele in Einrichtungen der Jugendhilfe befanden, klagten, sie seien nicht hinreichend über die Medikamente aufgeklärt worden. In mindestens einem Fall wurden die Erziehungsberechtigten offenbar überhaupt nicht informiert. Winterhoff entgegnet, er sei immer vom Vorliegen einer Einwilligung der Sorgeberechtigten ausgegangen.
In einigen Fällen stellten Erziehungsberechtigte der Kinder fest, dass Winterhoff eine andere Diagnose bei den Krankenkassen abgerechnet hatte, als er ihnen gegenüber angegeben hatte. Die Fernsehdokumentation wurde nach Gesprächen mit mehr als 20 ehemaligen Patientinnen und Patienten gedreht. Vielen stellte Winterhoff die Diagnose "Entwicklungsretardierung mit Fixierung im frühkindlichen Narzissmus". Dieses Krankheitsbild beschreibt er auch in seinen Büchern. In Fachkreisen wird die Diagnose jedoch nach unseren Recherchen nicht anerkannt.
Weitere Betroffenen melden sich
Nach Informationen von WDR und SZ wollen noch mehrere Betroffene gerichtlich gegen den Bonner Kinderpsychiater vorgehen. Entsprechende Strafanzeigen würden gerade vorbereitet und in den nächsten Tagen bei der Staatsanwaltschaft eingereicht. Bei der Staatsanwaltschaft Bonn wurde bereits von dem Siegburger Anwalt Mehmet Daimagüler, der im NSU-Prozess in München Angehörige der Opfer vertrat, eine erste Strafanzeige auf Grund der ARD-Reportage gegen den Arzt eingereicht. Die Staatsanwaltschaft Bonn muss nun überprüfen, ob ein hinreichender Anfangsverdacht wegen der vorgeworfenen Straftaten besteht und ob sie deswegen Ermittlungen einleiten wird.
Täglich melden sich bei der WDR-Redaktion die story und der SZ weitere Betroffene und Fachleute aus der Jugendhilfe, die von ihren Erfahrungen mit dem Kinderpsychiater Michael Winterhoff berichten möchten.