Imagefilme Chinesische Propaganda im deutschen Lokal-TV
China versucht, sein Image im Ausland zu verbessern. Von staatlichen Agenturen produzierte Sendungen zeigen das Land von seiner schönsten Seite. Teils gegen Bezahlung laufen sie im Programm deutscher Lokalsender.
Ein Samstagabend, kurz vor halb sieben. Im Programm des privaten Regionalsenders Sachsen-Fernsehen: Drohnenaufnahmen. Sie zeigen ein malerisches Sachsen, ehrwürdige Architektur, gesunde Wälder und Gewässer, die im Sonnenlicht glitzern. Ein paar Augenblicke später, zur besten Sendezeit, sieht die Welt hier überraschend anders aus. Denn jetzt läuft "China Info".
Aufgebaut ist die Sendung wie ein journalistisches Magazin mit verschiedenen Filmbeiträgen. Mal geht es um einen traditionellen Kunst-Schnitzer, der über seine Arbeitsphilosophie referiert, dann um Heldengeschichten aus Chinas Bergwelten. Obwohl die Beiträge thematisch unterschiedlich sind, gleichen sie sich doch in ihrem Bemühen, China und seine reiche Kultur so positiv wie möglich darzustellen. Dabei helfen auch deutsche Untertitel, denn viele der Filme sind im Original auf Chinesisch vertont.
Redaktionelle Abnahme "nicht immer möglich"
Für Jan Kaufhold, der das Leipziger Büro von Sachsen-Fernsehen leitet, ist China ein begehrtes Reiseziel. "Hier geht es ja ganz klar darum, touristische, kulturelle oder sportliche Inhalte über eben dieses Land zu präsentieren", sagt er im Interview mit dem NDR-Medienmagazin ZAPP.
Dabei kommt auch heraus: Die Sendung "China-Info" wird nicht von Sachsen-Fernsehen selbst produziert, sondern sie wird zugeliefert. Sachsen-Fernsehen strahle sie nur gegen eine Bezahlung aus und nicht immer sei dabei eine redaktionelle Abnahme möglich, räumt Jan Kaufhold ein. Im Programm sei die Sendung daher wie medienrechtlich vorgeschrieben als Werbung gekennzeichnet.
Im linearen Fernsehen mag das zutreffen. In der Mediathek von Sachsen-Fernsehen finden sich jedoch auch Filme ohne entsprechende Kennzeichnung. Eine 45-minütige Dokumentation etwa, in der ein deutscher Auswanderer die chinesische Stadt Taicang auf Englisch zur besseren Heimat erklärt.
Doch auch hier winkt Jan Kaufhold ab. "Wenn es etwas ist, wo kein Geld fließt und wo wir einen gewissen redaktionellen Mehrwert auch für unsere Zuschauerinnen und Zuschauer sehen, dann können wir auch sagen, wir nehmen das mit in unser Programm, so wie das jeder andere Fernsehsender am Ende auch tut".
Vorgaben der Kommunistischen Partei
Wer hinter den chinesischen Programmen steckt, das konnte oder wollte Sachsen-Fernsehen auf ZAPP-Anfrage nicht genau benennen. Im Fall des Dokumentarfilms über den deutschen Auswanderer führen die Recherchen zu einer Facebookseite, die von der chinesischen Regierung betrieben wird: "China Mosaic". Hier wurden weite Teile des Films hochgeladen - noch bevor er in der Mediathek von Sachsen-Fernsehen landete.
Weitere Filme in der Mediathek tragen das Branding "GLOBAlink". Die Recherchen ergeben: ursprünglich stammen sie von "Xinhua", der größten staatlichen Nachrichtenagentur Chinas. Sie ist dem chinesischen Informationsministerium unterstellt und erhält Vorgaben aus der Propagandaabteilung der Kommunistischen Partei.
Kritische Berichterstattung, wie zum Beispiel über Menschenrechtsverletzungen an Uiguren im nordwestchinesischen Xinjiang, wird sich da nicht finden.
Mit positiver Berichterstattung Probleme übertönen
Die Sinologin Mareike Ohlberg vom German Marshall Fund beschäftigt sich seit Jahren mit chinesischer Außen- und Medienpolitik, sowie mit Propaganda. Sie erklärt, "Xinhua" habe den offiziellen staatlichen Auftrag, Chinas Image zu verbessern, Narrative global umzugestalten und langfristig die globalen Debatten zu verändern. "Und das ist letztlich das Problem", sagt Ohlberg, "dass man eben versucht, mit anderen positiven Inhalten die Berichterstattung über Probleme zu übertönen oder zumindest da etwas entgegenzusetzen."
Aber nicht nur Sachsen-Fernsehen verbreitet das Material von "Xinhua". Zum Zeitpunkt der Recherche lassen sich auch weitere Regionalsender mit der Nachrichtenagentur aus China in Verbindung bringen. Darunter "Hauptstadt TV" aus Berlin, "Regio TV aus Stuttgart" und "Hamburg1".
China-PR auch in Hamburg?
Im vergangenen Herbst wollte die chinesische Staatsreederei COSCO Anteile an einem Containerterminal im Hamburger Hafen erwerben. Die Reaktion darauf: eine bundesweite Debatte. Zu diesem Zeitpunkt veröffentlicht auch Hamburg1 "GLOBAlink"-Beiträge im Internet. Am Telefon spricht ein ehemaliger Geschäftsführer von "deutsch-chinesischer Freundschaft".
Ein Interview vor der Kamera möchte er nicht führen, ebenso wie die neue Geschäftsleitung. Sie erklärt zwar, die Sendung sei mittlerweile eingestellt worden. Fernsehzeitschriften wie zum Beispiel die "HÖRZU" weisen die Sendung allerdings noch immer aus.
In Frankfurt sitzt eine Agentur, die Hamburg1 mit Filmen beliefert haben soll: Guang Hua ist ein chinesisches Medienunternehmen mit Büros in Paris und London. Auf seiner Website listet es als Partner auch Xinhua.
Der Chefredakteur von Guang Hua lehnt ein Interview ab, äußert sich aber per Mail: Er finde es schade, "dass die deutschen Medien die Entwicklung und den Fortschritt in China nicht sehen wollen und ein ganz falsches Bild von China dargestellt haben. China hat vieles von Deutschland gelernt und jetzt Deutschland überholt. Deutschland kann auch vieles von China lernen." Er hoffe daher, dass noch mehr Menschen in Deutschland seine Programme sehen.
Auf Anfrage von ZAPP wollte sich bis auf Sachsen-Fernsehen kein Sender zur Recherche äußern. Auch die Frage, wie viel Geld sie für das Abspielen der werblichen Programme bekommen, ließen die Verantwortlichen unbeantwortet.
Wir haben ergänzt, dass die Sinologin Mareike Ohlberg für den German Marshall Fund arbeitet. Dieser wird maßgeblich von den Regierungen der USA und Deutschlands finanziert. Zu weiteren Geldgebern zählen die EU-Kommission und Unternehmen. Der German Marshall Fund verfolgt das Ziel einer transatlantischen Zusammenarbeit.
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