Jahresrückblick 1972 Klarer Wahlsieg der sozial-liberalen Koalition
Die SPD richtet ihren Wahlkampf auf den beliebten Bundeskanzler Willy Brandt aus. Der Wahlsieg ist überwältigend, die SPD wird stärkste Fraktion im Bundestag.
Der Wahlkampf der SPD ist auf Willy Brandt ausgerichtet. Dieser gibt in seiner Regierungserklärung das Ziel an: "Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein, im Inneren wie nach Außen". Er reist und redet bis zur Erschöpfung seiner Kräfte. Wohin er auch kommt, sind die Versammlungen überfüllt. Zahlreiche Bürgerinitiativen unterstützen seinen Wahlkampf.
Aus Sicht der Opposition hat die Regierung neben den außenpolitischen Erfolgen im Inneren aber nur eine magere Bilanz vorzuweisen. Rainer Barzel, Kanzlerkandidat der CDU/CSU, prangert vor allem die schlechte Wirtschaftslage an. Er hat aber Mühe, die Flügel der eigenen Partei zusammenzuführen und wirkt bei den Wählern nicht als charismatischer Kämpfer wie Bundeskanzler Brandt. Geschlossener wirkt die CSU, die sich hinter ihren Vorsitzenden Franz Josef Strauß stellt. Für die nördliche Schwesterpartei ist er Stimmengarant, aber auch innerparteilicher Konkurrent.
Die FDP führt einen Wahlkampf der Abgrenzung gegen beide großen Parteien, will aber auch in Zukunft an der Seite der SPD regieren. Die Partei hat die Talsohle der letzten drei Jahre zwar überwunden, aber neue Wählerschichten müssen für die Zukunft erst noch gewonnen werden.
Das Wahlergebnis bestätigt schließlich die Tendenz der letzten Umfragen. Der Erfolg der Regierungskoalition ist in dieser Höhe aber überwältigend. Die SPD wird mit 45,8 Prozent stärkste Partei im Bundestag, auch die FDP kann dazu gewinnen. Die CDU erzielt mit 44,9 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949. Die neue Regierung sieht fast aus wie die alte, aber im Gegensatz zur letzten Legislaturperiode kann sie auf eine satte Mehrheit im Bundestag bauen.
Der Wahlausgang wird allgemein als Volksabstimmung für die Versöhnung mit den östlichen Nachbarn und der DDR angesehen.