Jugendkriminalität - Fragen und Antworten, Teil II Sind ausländische Jugendliche wirklich gewalttätiger?
Die Debatte über die Jugendkriminalität ist voll entbrannt. Vor allem nichtdeutschen Jugendlichen wird eine immer höhere Gewaltbereitschaft zugeschrieben. Nehmen die Straftaten von Jugendlichen wirklich zu? Welche Taten werden häufiger, welche weniger verübt? tagesschau.de hat Fragen und Antworten zusammengestellt.
Warum werden Jugendliche kriminell?
Persönlichkeitsmerkmale, wie etwa der unzureichende Umgang mit Konflikten, sind ein Grund. Das soziale Umfeld und die Entwicklungsmöglichkeiten sind allerdings besonders wichtig. Vor allem die Situation in der Familie gilt als einer der wichtigsten Faktoren für die Entwicklung von Aggression und der Neigung zu Straftaten. Opfer elterlicher Gewalt werden deutlich häufiger selbst zum Täter.
Werden Jugendliche mit Migrationshintergrund häufiger straffällig?
Ja, allerdings nicht so viel mehr, wie es die nackten Zahlen der Tatverdächtigenstatistik scheinen lassen. Die Polizeistatistik unterscheidet nach Deutschen und Ausländern. Ein Vergleich mit der deutschen Bevölkerung bleibt aber schwierig. Zum Beispiel waren 2005 22,5 Prozent aller Tatverdächtigen keine Deutschen. Der Ausländer-Anteil in Deutschland liegt bei 8,8 Prozent. Zu diesem Anteil werden allerdings Touristen und Illegale nicht gezählt, die in der Tatverdächtigenstatistik jedoch auftauchen. Ein Vergleich wird dadurch verfälscht. Dazu kommt etwa, dass hier lebende Ausländer häufiger in Städten wohnen und jünger sind – alles Faktoren, die auch bei deutschen Bürgern die Gefahr, kriminell zu werden, statistisch gesehen erhöhen.
Welche Delikte sind bei nichtdeutschen Jugendlichen am häufigsten?
Nach der Kriminalitätsstatistik 2006 war Körperverletzung mit 29,5 Prozent am häufigsten Ermittlungsursache vor Ladendiebstahl (22,9 Prozent). Bei deutschen Jugendlichen liegen diese beiden Delikte mit jeweils rund 23 Prozent gleichauf vor Sachbeschädigung (18,9 Prozent). Studien zeigen, dass die Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen mit Herkunft beispielsweise aus der Türkei oder dem früheren Jugoslawien deutlich erhöht ist.
Wirkt es sich positiv aus, wenn die Jugendlichen schon hier geboren sind?
Nein. Gerade die zweite und dritte Generation der Zuwanderer hat eine höhere Kriminalitätsbelastung. "Das Erlebnis fehlender Akzeptanz und Gleichbehandlung mit Deutschen wird als Diskriminierung erlebt und erzeugt Konflikthaltungen", heißt es im Sicherheitsbericht der Bundesregierung. 21 Prozent der rund 7,3 Millionen in Deutschland lebenden Ausländer sind übrigens hier geboren und 62 Prozent leben länger als zehn Jahre in der Bundesrepublik.
Welche Erklärung gibt es für eine höhere Kriminalitätsquote bei nichtdeutschen Jugendlichen?
Wie bei allen jugendlichen Straftätern belasten soziale Probleme und Gewalt in der Familie die Entwicklung. Gerade in zugewanderten Familien kommt diese vor. Hier spielen aber beispielsweise auch noch Vorstellungen von Männlichkeit und Ehre eine Rolle, die zu Konflikten führen. Experten nennen auch immer wieder einen unsicheren Aufenthaltsstatus als einen belastenden Faktor.
Gibt es eine höhere Kriminalität bei Spätaussiedlern?
Hier haben es die Statistiker besonders schwer: Tatverdächtige unter den 1,6 Millionen Spätaussiedlern werden nicht als solche erfasst, denn sie haben einen deutschen Pass. Zudem gibt es in dieser Gruppe überproportional viele junge und männliche Bürger - eine höhere Kriminalitätsbelastung ist also "normal". Deutlich wird aber in verschiedenen Studien, dass es bei jungen männlichen Spätaussiedlern der letzten "Aussiedler-Welle" Mitte der 1990er Jahre eine erhöhte Kriminalität gibt.
Schrecken schärfere Strafen Jugendliche ab?
Nach Ansicht der meisten Experten nicht. Die Rückfallquote von Jugendlichen, die eine Haftstrafe antreten, ist zudem hoch. Schwere strafrechtliche Sanktionen verschlechtern in vielen Fällen nach Ansicht der Experten eher die Prognose. Auch Kurzzeit-Arrest oder andere "Schock"-Maßnahmen helfen offenbar nicht oder nur wenig. Auch die Richter sind dieser Meinung: "Die Formel härtere Strafen gleich höhere Abschreckung gleich weniger Straftaten ist schlicht falsch", so der Vorsitzende des Deutschen Richterbunds, Frank Christoph.
Zusammengestellt von Wolfram Leytz, tagesschau.de