Wahl Atamans Eine riskante Personalie
Die Entscheidung für Ataman war eine mutige, aber auch riskante. Denn der Unmut in der Gesellschaft wird in dieser Krise noch wachsen - und dann braucht es vor allem versöhnliche Stimmen.
Es war eine mutige, vielleicht sogar riskante Entscheidung der Familienministerin Lisa Paus, die Publizistin Ferda Ataman als Antidiskriminierungsbeauftragte zu nominieren.
Keine Frage, Ataman ist eine kluge und wichtige Stimme. Sie fordert die Gesellschaft immer wieder heraus. Etwa mit der Debatte, ob es richtig ist, Deutsche zum Beispiel mit dunkler Hautfarbe zu fragen: "Wo kommst Du her?" Vielen, die diese Frage schon mal gestellt haben, mag zuvor nicht bewusst gewesen sein, wie ausgrenzend und verletzend sie sein kann.
Das Problem ist nicht, dass Ataman solche Debatten anstößt, sondern wie. Nicht selten mit einem polemischen, provokativen Ton. Manche sagen, mit einem aggressiven Ton. Das kann dazu führen, dass eine eigentlich hilfreiche, konstruktive Kritik zu einer Anklage, zu einem Vorwurf wird, der wiederum Verletzungen herruft.
Über das Ziel hinaus
Den früheren Bundesinnenminister Horst Seehofer hat sie mit der "Blut und Boden"-Formulierung in die Nähe der NS-Ideologie gerückt, weil er im Innenministerium eine Abteilung "Heimat" aufbauen wollte. Zwar ist der CSU-Politiker selbst kein Heiliger. Er hat selbst oft genug provoziert. Doch ihm ging es damals darum, deutschlandweit möglichst gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen. Dazu sollten zum Beispiel auch Behörden in Regionen angesiedelt werden, wo es bis dato einen Mangel an sicheren Arbeitsplätzen gab. Ein Modell, das die CSU in Bayern erprobt hatte. Mit ihrer Kritik schoss Ataman damals über das Ziel hinaus.
Auch so ist zu erklären, dass ihre heutige Wahl zur Leiterin der Antidiskriminierungsstelle der Bundesregierung für viel Aufregung und Empörung sorgt. Längst nicht nur in der Union oder in der Politik, auch in Sozialen Medien und auf den Meinungsseiten der großen Zeitungen.
Der Unmut wird wachsen
Die Wahl fällt in eine Zeit, in der dieses Land "vor der härtesten wirtschafts- und sozialpolitischen Krise seit der Wiedervereinigung" steht. So hat es Anfang der Woche Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger formuliert.
Zwar hat die Bundesregierung bislang immer wieder den Eindruck erweckt, sie könnte den enormen Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln entgegenwirken - etwa mit den beiden Entlastungspaketen. Doch vielen schwant: Die staatlichen Abfederungsmaßnahmen kommen an ihre Grenzen. Schon im Haushalt 2023 wird das Geld knapp. Die Zinsen steigen. Finanzminister Christian Lindner hat einen Großteil der Rücklage von 48 Milliarden Euro bereits verplant. In den Jahren danach dürfte das Geld noch knapper werden.
Eine Warnung
Was die Gesellschaft jetzt braucht, sind nicht nur kluge, sondern auch versöhnliche Stimmen. Denn mit der Krise dürfte auch der Unmut im Land wachsen. Was das bedeutet, hat die Corona-Krise gezeigt. Unter die Demonstranten, die gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen protestierten, mischten sich schnell diverse Verfassungsfeinde: Rechtsextremisten und antisemitische Verschwörungserzähler. Dem Staat blieb nicht viel anderes übrig, als verdutzt zuzusehen.
Der Bundesregierung muss das eine Warnung sein. Sie muss frühzeitig verhindern, dass eine ähnliche Situation noch einmal eintritt. Am besten gelingt ihr das vermutlich mit einem sachlichen, erklärenden Ton. Provokationen könnten die Stimmung anheizen. Das sollte auch der neuen Antidiskriminierungsbeauftragten klar sein.