Gipfel in Brüssel In der EU wird zu oft Nein gesagt
Auch dieser EU-Gipfel war geprägt von nationalen Egoismen, persönlichen Eitelkeiten und taktischen Machtspielen. Dabei wollen die Menschen etwas ganz anderes.
Was, bitteschön, war das denn? Ein "Nothing-Burger" würden die Amerikaner sagen - ein trockenes Brötchen ohne Füllung. In diesem Fall: ein Gipfel ohne Substanz. Europa dreht sich mal wieder im Kreis.
Beispiel Spitzenpersonal: Die Lage ist derart verfahren, dass man schon sehr viel Phantasie braucht, um sich vorzustellen, wie die gegenseitigen Blockaden in den nächsten zehn Tagen geknackt werden sollen. Weber, Timmermans, Vestager: Mehrheiten für irgendwen sind nicht in Sicht - weder im Europäischen Rat, noch im Parlament.
Klar ist nur, wer wen verhindern will. Wenn alle bei ihren roten Linien bleiben, können sich die Regierungschefs den Sondergipfel am 30. Juni auch schenken.
Der kleinste gemeinsame Nenner
Beispiel Geld: Bei den Euro-Reformen geht es höchstens in Trippelschritten voran, bei der geplanten gemeinsamen Absicherung für Sparguthaben und beim nächsten EU-Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027 überhaupt nicht.
Und was ist mit dem Klimaschutz? Sogar bei dem Thema, das den Menschen am meisten am Herzen liegt - nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Teilen der EU - herrscht bestenfalls Stillstand. Das Bekenntnis zum CO2-neutralen Wirtschaften bis 2050 ist jedenfalls vom Tisch, weil Polen, Ungarn und Tschechien auf der Bremse stehen - aus Angst um ihre Kohlekraftwerke.
Der kleinste gemeinsame Nenner ist so klein, dass man ihn schon mit der Lupe suchen muss. Alle EU-Länder sind also der Meinung, dass sie das Pariser Klimaschutzabkommen einhalten müssen? Soso. Eine Selbstverständlichkeit, mehr nicht.
Vage Erklärungen
In Brüssel wird schon gelästert, dass die Abschlusserklärungen bei europäischen Gipfeln auch von Künstlicher Intelligenz zusammengeschustert werden könnten, weil sie so vage und allgemein gehalten sind. Und da sollen sich die Bürger ernstgenommen fühlen?
Dabei wollten die proeuropäischen Kräfte doch ab sofort zeigen, was sie so alles auf die Beine stellen, um die EU-Kritiker und Populisten von rechts und links in Schach zu halten. Aber dreieinhalb Wochen nach der Europa-Wahl ist die Bilanz, vorsichtig gesagt, ernüchternd.
Als wäre nichts gewesen
Aus Lettland hieß es diese Woche: In der EU wird zu oft Nein gesagt und zu selten Ja. So ist es. Das Brüsseler Bild wird nach wie vor geprägt von nationalen Egoismen, persönlichen Eitelkeiten und taktischen Machtspielen. So, als ob nichts gewesen wäre.
Dabei wollen die Menschen etwas ganz anderes und dürfen das auch erwarten. Das große Interesse an der Wahl zum europäischen Parlament war ein Auftrag und ein Signal. Die Politik hat dieses Signal aber ganz offensichtlich nicht gehört. Leider.