Einigung der EU-Staaten Ein moderner Haushalt sieht anders aus
Die EU-Staaten haben sich zwar auf Eckpunkte für den Haushalt bis 2020 geeinigt, doch die Zahlen blenden: Keineswegs ist sicher, dass die EU am Ende weniger als eine Billion Euro ausgibt. Zudem haben die Staats- und Regierungschefs die Chance vertan, die Gelder sinnvoll zu verteilen, meint Cai Rienäcker.
Von Cai Rienäcker, SWR-Hörfunkstudio Brüssel
Im zweiten Anlauf ist es also nun gelungen, das Billionenpaket für die EU zu schnüren. Die Verhandlungen waren hart, aber erfolgreich, denn zu Beginn dieses Gipfels hatten nur noch wenige für möglich gehalten, dass irgendwann grünes Licht von allen 27 Staats- und Regierungschefs kommen könnte.
Mit dieser Einigung beweist Europa in einer schwierigen Situation, dass es weiter handlungsfähig ist. Ein krachendes Scheitern hätte sofort wieder für Unruhe auf den Finanzmärkten und in der Eurozone gesorgt. Auch die nationalen Fliehkräfte in der Europäischen Union, allen voran in Großbritannien, aber auch in den südeuropäischen Ländern, hätten schnell gefährlich stark werden können.
Alle sehen sich als Sieger
So hat der Brite Cameron seinen Erfolg, weil er angeblich mit seinem Widerstand eine Trendwende zu kleineren EU-Haushalten einleitete. Der Franzose Hollande konnte viel Geld für die französischen Bauern retten. Und Deutschland konnte einen Teil der Fördergelder für ostdeutsche Regionen fortschreiben.
Aber die Zahlen sollen blenden. Im Kampf um die Deutungshoheit gibt es viel Propaganda. Dass dieser Sieben-Jahres-Plan wirklich niedriger ist als in der vorangegangenen Finanzperiode, ist umstritten. Inflationsraten eingerechnet wird das Gesamtbudget bis 2020 doch wieder deutlich über einer Billion Euro liegen. Und trotz aller Sparmaßnahmen wird Deutschland in Zukunft noch mehr in den großen EU-Topf hineinzahlen als es über die europäischen Programme zurückbekommt.
Falsche Akzente gesetzt
Bedauerlich ist vor allem, dass es nicht gelang, die Schwerpunkte der Haushaltsplanung zu verändern. Immer noch werden mehr als zwei Drittel der EU-Finanzhilfen in die Bereiche Landwirtschaft und Strukturhilfen gepumpt. Noch nicht einmal ein Fünftel des Geldes wird in die Zukunftsfelder Forschung, Bildung oder Energie- und Telekommunikationsnetze investiert. Ein moderner Haushalt sieht anders aus.
Aber dieses Finanzpaket ist auch noch nicht durch. Zum ersten Mal muss auch das Europäische Parlament zustimmen. Und Parlamentspräsident Martin Schulz gab sich in Brüssel auffällig kampfbereit. Er und viele andere Europaabgeordnete sind der Meinung, die jetzt beschlossene Haushaltsplanung lasse die EU in chronische Defizit-Haushalte hineinlaufen. Die Lücke zwischen den finanziellen Verpflichtungen und den eigentlich genehmigten Auszahlungen ist mit mehr als 50 Milliarden Euro in der Tat sehr groß.
Schon im vergangenen Jahr war die Europäische Union im Herbst auf einmal zeitweilig zahlungsunfähig. Kein Geld für die Erasmus-Studienprogramme? Das darf nicht passieren. Mal sehen, ob das Europäische Parlament seine Drohung wahr macht und das jetzt so mühsam geschnürte Finanzpaket der Staats- und Regierungschef ablehnt.
Pokern mit dem Parlament
Der Druck auf die Abgeordneten wird enorm sein. Da wird sich jetzt ein ganz neues Pokerspiel im Nachklapp des EU-Gipfels entwickeln. Die europäische Volksvertretung wird die Regierungen möglicherweise ein paar Monate zappeln lassen, bis es zur Abstimmung kommt. Trotz des mühsamen Kompromisses, trotz durchwachter Gipfel-Nacht und erleichterter Kanzlerin - der spannendste Teil dieser mehrjährigen Finanzplanung könnte noch bevorstehen: Die Kraftprobe mit dem Europäischen Parlament.