Streit um Reservierungen Das OLG versteht die Dimension des Prozesses nicht
Der Prozess gegen das letzte noch lebende Mitglied des rechten NSU-Terror-Trios, Zschäpe, ist ein besonderer. Um so mehr verwundert, wie das Münchner Oberlandesgericht die Platzvergabe an Journalisten handhabt. Es macht einen sprachlos, sagt Arne Meyer. Für ihn steht fest: Das Gericht hat die weit übers Juristische hinausgehende Bedeutung des Verfahrens nicht begriffen.
Von Arne Meyer, NDR, ARD-Hauptstadtstudio
Was genau ist das da beim Oberlandesgericht München? Juristischer Dienst nach Vorschrift? Mangelnde Sensibilität? Oder dann doch schon Ignoranz? Alles wäre fatal, denn der Prozess gegen das letzte noch lebende Mitglied des rechten NSU-Terror-Trios, Beate Zschäpe, und vier weitere Angeklagte - das ist ein sehr besonderes Verfahren. Die zehn Morde, die Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe zur Last gelegt werden - acht der Opfer waren türkischstämmig - haben weltweit für negative Schlagzeilen gesorgt.
Das Gerichtsverfahren werden die Medien und Menschen im In- und Ausland mit großem Interesse verfolgen. Vor kurzem war sogar von einem "Jahrhundertprozess" die Rede. Der Gerichtssprecherin Margarete Nötzel fiel bei der Gelegenheit aber nichts Besseres ein, als darauf mit einem Nazi-Vergleich zu reagieren. Anmaßend sei dieses Etikett. Und: Das "Tausendjährige Reich" habe dann auch vielleicht nur 15 Jahre gedauert - oder so was in der Art. Ohne Worte.
Ähnlich sprachlos macht auch das Verfahren, für das sich das Gericht bei der Vergabe der 100 Sitzplätze im Verhandlungssaal entschieden hat. Es gibt Beschränkungen für Journalisten. Was zu der diplomatisch fatalen Situation führt, dass Vertretern von wichtigen türkischen Medien kein Zugang garantiert werden kann.
Hinterbliebene irgendwo unter einer Empore?
Noch schlimmer: Auch nicht alle aus dem Kreis der Hinterbliebenen werden Platz nehmen können. "Medienvertreter und sonstige Zuhörer, die keinen Sitzplatz gefunden haben, müssen den Sitzungssaal vor Beginn der Sitzung verlassen." Punkt III. 2. der Verfügung des Oberlandesgerichtes vom 22. März. Es muss ja alles seine Ordnung haben.
Semiya Simsek - die Tochter des ersten Mordopfers Enver Simsek, der 2000 in Nürnberg erschossen wurde - hat angesichts dieses Vorgehens ihre Gefühle gemeinsam mit ihren Anwälten so umschrieben: Sie und alle anderen Angehörigen, die keinen Zugang zum Saal bekommen beziehungsweise irgendwo am Rand unter einer Empore sitzen werden, bleiben im Unsichtbaren. Mal wieder fühlen sie sich an den Rand gedrängt - so wie auch schon in den Jahren davor; da war noch von "Döner-Morden" die Rede und von Clans, die sich gegenseitig umlegen. Deswegen standen lange die Familien im Fokus der Ermittlungen.
Das OLG hat die Dimension nicht begriffen
Alleine deswegen hätte das Oberlandesgericht München begreifen müssen, dass dieser Prozess eine Dimension hat, die weit über das Juristische hinausgeht. Fehlanzeige. Denn sonst hätte es sich bei der Platzvergabe nicht für dieses Windhundverfahren entschieden. Schnelligkeit sollte nicht immer alles sein.
Hinzu kommt: Am Ende könnte der Prozess ganz entscheidend dazu beitragen, vor allem die Angehörigen der Opfer aber auch viele Bürger in Deutschland mit dem Rechtsstaat zu versöhnen. Nicht wenige haben nach den jahrelangen Ermittlungspannen das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden verloren. Eine Straßenumfrage zu den Verfassungsschutzämtern in Bund und Ländern würde angesichts geschredderter Akten momentan ebenfalls sehr einseitig ausfallen.
Das Oberlandesgericht München ist sich offensichtlich auch dieser Dimension nicht bewusst. Beschämend….angesichts dieses ganz besonderen Verfahrens.