Steuerdumping in der EU Schlupflöcher immer noch nicht gestopft
Beim Kampf gegen Steuerflucht geht es um den Zusammenhalt in Europa. Nun müssen endlich einheitliche Regeln her - denn von der EU als Unternehmenssteuer-Paradies profitieren vor allem ihre Gegner.
Es geht um viel mehr als Steuern. Und um mehr als ein rein abstraktes Gerechtigkeitsideal. Es geht um den sozialen Zusammenhalt in Europa und damit um das Schicksal der EU.
Die muss bis zur nächsten Europawahl für jeden verständlich zeigen, dass sie existenziell notwendig ist. Dass sie mehr ist als ein profitabler und zollfreier Marktplatz der ansonsten völlig autonom agieren Nationalstaaten, die steuerpolitisch machen können, was sie wollen. Das EU-Parlament in Brüssel und Straßburg und die EU-Kommission müssen zeigen, dass sie genau das nicht sind, was ihre Gegner behaupten - nämlich willfährige Handlanger von Großunternehmen.
Industriepatente instrumentalisiert
Dass die EU über viele Jahre zu einem Steuerschlupfloch wurde, haben in erster Linie Mitgliedsstaaten wie Luxemburg, die Niederlande und Belgien zu verantworten. Diese Staaten haben jahrelang bei den Treffen der Staats-und Regierungschefs alles blockiert, was den Benelux-Status der innereuropäischen Unternehmens-Steueroase gefährdet hätte.
Selbst Industriepatente wurden als Hebel zur Steuervermeidung instrumentalisiert. So waren sogenannte Patentboxen eigentlich als steuerlicher Anreiz für Unternehmen gedacht, die viel in Forschung und Entwicklung investieren. De Facto dienten Überweisungen an sogenannte Patentboxen in den Niederlanden und den Luxemburg den Unternehmen dazu, sich künstlich arm zu rechnen.
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kannte aus seiner Zeit als luxemburgischer Finanzminister und ehemaliger Eurogruppenchef das gesamte ABC der kreativen Steuervermeidung. Ihm blieb als Kommissionspräsident nur die Flucht nach vorn. Nicht zuletzt auf Druck des EU-Parlamentes wurde die Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerdumping zu einem Schwerpunkt der Kommission.
Europäischer Mindestsatz statt Flickenteppich
Doch sein Ziel, dass Umsätze transparent gemacht und Steuern da bezahlt werden, wo Unternehmen ihre Gewinne erwirtschaften, hat das Juncker-Team bis heute nicht erreicht. Dabei hat die Kommission einen sehr vernünftigen Vorschlag präsentiert. Der Kerngedanke: Wenn Unternehmen in einem gemeinsamen Binnenmarkt Geschäfte und Gewinne machen, dann muss der Flickenteppich aus nationalen Steuergesetzen der Vergangenheit angehören. Nationale Steuervermeidungstricks wie die von Luxemburg und den Niederlanden favorisierten Patentmodelle gehen gar nicht. Steuervorteile für Forschung muss es natürlich geben, aber bitte schön europaweit einheitlich.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat immer betont, keine Kopie von Wolfgang Schäuble zu sein. Jetzt hat er die Chance, seine eigenen Kopf zu beweisen: Indem er in der Gruppe der Eurofinanzminister nicht nur für eine Offenlegung der Bilanzen kämpft, nicht nur für eine EU-einheitliche Bemessungsgrundlage - sondern auch für einen europäischen Mindestsatz von Unternehmenssteuern, der auch tatsächlich von den jeweils zuständigen Finanzämtern eingetrieben wird.
Denn von einer EU als Unternehmens-Steuerparadies profitieren im kommenden Europawahlkampf vor allem die Gegner der Europäischen Union.