Architekturausstellung in Venedig eröffnet Eine Biennale für die Modernität
"Absorbing Modernity 1914-2014" ist das Motto der Architektur-Biennale in Venedig. Die in der Schweiz arbeitenden Architekten Lehnerer und Ciriacidis haben den deutschen Pavillon gestaltet - in Form einer Kombination, die man so nicht erwartet.
An Venedig scheiden sich die Geister: für die meisten ist die Lagunenstadt einfach nur ein zauberhaftes Ensemble, für andere ist Venedig zur Kulisse erstarrt, zu einer Art Disneyworld geworden - ist hier moderne Architektur am richtigen Platz?
Rem Koolhaas, der Direktor der diesjährigen Architekturbiennale, der nicht nur als Architekt, sondern auch als Städteplaner von sich reden macht, hat hier selbst schon leidvolle Erfahrungen gemacht. Sein Plan für den Umbau des Fondaco dei Tedeschi zu einem Einkaufszentrum ist in der Stadt sehr umstritten, stand schon vor dem Scheitern und musste immer wieder verändert werden.
Abkehr von Europa
Koolhaas baut, wie viele große Architekten, inzwischen gern in Ostasien oder in Arabischen Staaten. Hier kann man noch große Entwürfe umsetzen, und deshalb findet er gut, dass die Biennale sich verabschiedet hat von einer klassisch-europazentrierten Sichtweise: "Lange Zeit konnten wir uns vorstellen, dass uns die Architektur gehört und dass das Architektur-Denken, der Architektur-Diskurs mit den Prototypen unsere waren. Aber ich denke, dass das eine der Paradoxien von Modernität ist: das Moderne dann besonders intensiv ist, wenn es am meisten Entwicklung gibt. Aber seit es hier bei uns sehr wenig Entwicklung gibt, hat sich die Modernität nach China verlagert, in andere Länder. Und deshalb gehört sie uns nicht mehr."
65 Länder machen in diesem Jahr mit bei der Biennale. Und zum ersten Mal hat ihnen der Direktor, also Rem Koolhaas, eine Aufgabe gestellt: "Absorbing Modernity 1914-2014" heißt das Thema, mit dem sich die Länderpavillons auseinander setzen. Da geht es um Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Architektur - und um die Frage, was die Herausforderung der Moderne ist.
Eine Kollage für Deutschland
Im Deutschen Pavillon hat man dafür einen ungewöhnlichen Ansatz gefunden: In einer Art Architekturkollage werden zwei Gebäude miteinander in Beziehung gesetzt, die auf den ersten Blick nur wenig miteinander zu tun haben: der immer wieder vieldiskutierte Pavillon selbst, der 1938 unter den Nazis zum Monument nationale Größe ausgebaut und 1964 zum letzten mal umgebaut wurde. Und der Bonner Kanzlerbungalow von Sep Ruf, ebenfalls von 1964.
Savvas Ciriacidis, einer der beiden leitenden Architekten, erklärt das Konzept: "Um eine Ausstellung mit den Mitteln der Architektur zu machen, haben wir zwei Gebäude zusammen gebracht in einer architektonischen Montage, die explizit instrumentalisiert worden sind, und die eigentlich eine Aussage über die Nation machen sollten. Hier in Venedig kommen diese Gebäude, diese Materialien zusammen, und gleichzeitig entsteht etwas Neues, was wieder neu gedeutet werden muss."
Das Konzept geht auf
Erstaunlich harmonisch fügt sich da zusammen, was eigentlich nicht zusammen gehört. Die Bauelemente des Bungalows verschleiern mal den wuchtigen Pavillon, mal führen sie ihn ad absurdum. Der Kanzlerbungalow, in Auftrag gegeben von Ludwig Erhardt, galt als das "Wohnzimmer der alten Bundesrepublik". Er sollte Schlichtheit verkörpern und Transparenz - er war gewissermaßen sprechende Architektur - ebenso, wie seinerzeit der deutsche Pavillon in Venedig.
Was hat das mit "Absorbing modernity" zu tun? Das erklärt der Architekt Alex Lehner: "Lakonisch würden wir sagen: Unsere Antwort ist darauf, dass das eine Gebäude, also der Bungalow, den Pavillon absorbiert und andersrum. Und es hat natürlich auch die Politik in diesen zwei Gebäuden die Architektur absorbiert, indem sie sie instrumentalisiert hat und quasi auch überbeansprucht hat. Und was unser Ziel jetzt ist, ist, dass wir quasi vielleicht mit diesem Projekt es schaffen, dass die Architektur die Politik absorbiert."
Ein Pavillon für alles
Nicht nur die Nationen stellen auf der Biennale aus: Rem Koolhaas hat auch dafür gesorgt, dass im zentralen Pavillon die Grundformen der Architektur durchdekliniert werden. Fenster, Treppe, Tür, Wand und einiges mehr wird in seinen Ursprüngen und Entwicklungen gezeigt. Das soll nach dem Willen des Kurators der Biennale möglichst viele ansprechen. Das Motto ist "Fundamentals": "In meiner Idealvorstellung kommen hier Menschen aus vielen Ländern zusammen. Profis, Wissenschaftler, aber mehr als normalerweise auch die allgemeine Öffentlichkeit. Wir haben auch Leute vom Tanz, vom Theater vom Film eingeladen - es sollte hier also etwas Interessantes für fast jeden geben."
Und auch das ist neu: in diesem Jahr dauert die Biennale rund doppelt so lang wie bei den 13 Malen davor. Bis zum 23. November ist sie geöffnet.