ESC in Turin Botschaft der Toleranz und des Friedens
In einer Woche fällt in Turin die Entscheidung beim Eurovision Song Contest. Die Stadt im Norden Italiens präsentiert sich zur Eröffnungszeremonie überraschend glanzvoll - und mit einer Botschaft der Toleranz und des Friedens.
Im Parco del Valentino, gelegen zwischen dem Fluss Po und den coolsten Vierteln der Stadt, haben die Turinerinnen und Turiner bis zuletzt am Fanvillage gearbeitet. 17.000 Menschen sollen hier Platz finden. Einige aus der ESC-Community, wie die Italienerin Cristina Giuntini, sind bereits in Turin und schauen sich um. "Menschen aus allen Ländern werden hier gemeinsam feiern", sagt die Florentinerin in Vorfreude. Die derzeitige Situation in der Welt sei schwierig, räumt sie ein, aber "Musik ist so völkerverbindend wie nichts anderes".
Giuntini ist der vielleicht größte Fan des Eurovision Song Contests im Ausrichterland. Ihre Eltern hätten sie für den ESC begeistert, erzählt sie, seit 2009 ist die Florentinerin bei allen Entscheidungen live dabei gewesen. Jetzt erlebt sie erstmals ein Finale "a casa" (zu Hause) - und freut sich, dass Turin den Zuschlag bekommen hat: "Weil Turin eine Stadt ist, die von vielen Nicht-Italienern leicht vergessen wird." Es gebe in Italien als touristische Attraktionen Rom, Florenz, Venedig. Aber auch Turin habe viel Schönes zu bieten, kulinarisch und architektonisch - "schließlich ist Turin die erste Hauptstadt Italiens gewesen".
Aperitif auf der Piazza
Davon kann kaum jemand so erzählen wie Ardena Caramello. Die Turinerin führt als Touristenguide durch ihre Heimatstadt - und strahlt, als sie sich auf der Piazza San Carlo mit ausladender Armbewegung an den Bauwerken rund um den zentralen Platz erfreut: "Die Gebäude hier sind einfach schön. Sie stammen aus dem 17. Jahrhundert, sind nicht Barock oder Jugendstil, sondern klassizistisch, einige noch im Originalzustand." Es sei der teuerste Fleck der Stadt, trotzdem habe man dafür gesorgt, "dass sich unter den Arkaden alteingesessene Cafés und Läden halten können".
Die Turinerinnen und Turiner gelten in erster Linie als arbeits- und strebsam, als freundlich, doch zunächst distanziert - aber sie sind auch Genussmenschen. Die stolz darauf verweisen, dass in Turin im 18. Jahrhundert der Wermut und damit der Aperitif erfunden wurde. Eine Tradition, die bis heute in der Stadt engagiert gepflegt werde, erzählt Caramello: "Um 11 Uhr, 11 Uhr 30 trinkt man hier am Sonntag seinen ersten Aperitif. Das gehört einfach dazu." Man treffe sich auf der Piazza, bis es Zeit ist zum Mittagessen zu Hause. In der Woche geht es später los, dann ist am frühen Abend die Turiner Innenstadt quasi eine einzige Aperitifbar.
Die Vorbereitungen für den Eurovision Song Contest laufen auf dem San Carlo Platz in Turin auf Hochtouren.
Erste Hauptstadt Italiens
Wenn die Turinerinnen und Turiner gerade nicht das Leben genießen, erfinden sie gerne. Turin, sagt Caramello, sei eher Innovations- als eine Industriestadt, auch wenn es wegen der Fiat-Fabriken dieses Image besitzt. Die erste Kaffeemaschine stammt von hier, aber auch der erste italienische Stahlbeton, das erste Kino des Landes öffnete in Turin, ebenso die erste Autofabrik, auch die beiden größten italienischen Banken haben hier ihre Wurzeln.
Die vielleicht wichtigste Innovation: In Turin wurde Italien "erfunden". Das hier ansässige, liberale Königshaus der Savoyer betrieb im 19. Jahrhundert die Einigung des Landes, Turin wurde erste Hauptstadt Italiens. Barock- und Jugendstilarchitektur aus diesen Jahren prägen das Stadtzentrum, es gibt 18 Kilometer Arkaden und eine der längsten Fußgängerzonen Europas.
Bürgermeister hofft auf Sieg von Mahmood und Blanco
Im Rathaus sitzt heute ein Bürgermeister der Linksdemokraten, Stefano Lo Russo. Von Turin, wünscht sich das Stadtoberhaupt für die Tage des ESC, solle eine Botschaft der Toleranz, des Friedens und des europäischen Geistes ausgehen.
Mit Blick auf die Entscheidung auf der Musikbühne, sagt Lo Russo, als Bürgermeister der Ausrichterstadt wünsche er sich, dass der Beste gewinnt, schiebt aber hinterher: "Als Italiener und Turiner gebe ich auch zu, dass ich Mahmood und Blanco die Daumen drücke. Für den Fall, dass sie wirklich gewinnen sollten, kündige ich schon mal an: Dann machen wir in Turin den ESC auch im nächsten Jahr."