Jokha al-Harthi mit ihrem Buch

Man-Booker-Preis Arabische Autorin al-Harthi ausgezeichnet

Stand: 22.05.2019 17:08 Uhr

Jokha al-Harthi schreibt über den Oman, ihre Heimat, und über den Wandel dieses Landes. Sie schreibt für "Kopf und Herz" - und wurde dafür als erste arabische Autorin mit dem Man-Booker-Preis geehrt.

Von Frank Tilo, ARD-Studio Kairo

Jokha al-Harthi hat als erste arabische Schriftstellerin den renommierten Literaturpreis Man Booker International bekommen. Die Jury zeichnete sie und ihre Übersetzerin Marilyn Booth für ihr Buch "Celestial Bodies" ("Himmelskörper") aus. Auf der Preisverleihung in London zeigte sich die 41-jährige Autorin aus dem Oman sichtlich bewegt. Sie gilt als Beweis für die Entwicklung, die der Oman seit den 1970er-Jahren gemacht hat.

Mit ein wenig zittrigen Händen nahm al-Harthi den Preis entgegen. Ein wichtiger Moment für die Schriftstellerin aus dem Oman. In einem rosa Kleid und mit weißem Kopftuch stand sie als erste arabische Autorin auf der Bühne des internationalen Man-Booker-Preises. Booth, die Übersetzerin des gepriesenen Romans, stand neben ihr.

Al-Harthi bedankte sich bei Kollegen, ihrem Verlag und besonders bei ihrer Familie, die sie "all die Jahre, in denen ich meinen Roman geschrieben habe, unterstützt haben".

Drei Schwestern und ein Land im Wandel

Ihre jetzt ausgezeichnete Geschichte "Celestial Bodies" handelt von drei Schwestern. Sie und ihre Familien erleben den Oman in einer Zeit des Wandels: von einer traditionell geprägten, Sklaven-haltenden Gesellschaft, die sich in eine komplexe Gegenwart aufmacht.

Eine bewegende Geschichte, inspiriert durch al-Harthis eigene Kindheit im Oman. Ein Land, das in den 1970er-Jahren noch als eines der rückständigsten in der Golfregion galt. Es gab nur ein elf Kilometer langes Straßennetz. Das Bildungssystem bestand lediglich aus drei Koranschulen. Nur etwa zwei Prozent der Bevölkerung konnten lesen. Sonnenbrillen und Radios waren streng verboten.

Die arabische Autorin Jokha al-Harthi und die Übersetzerin ihres Romans "Celestial Bodies", Marilyn Booth.

Al-Harthi teilt sich das Preisgeld mit der Übersetzerin ihres Romans "Celestial Bodies", Marilyn Booth.

Starke Frauen, umgeben von Verboten

Und jetzt wird al-Harthi, eine Frau aus der Mitte der Gesellschaft, mit einem international renommierten Literaturpreis ausgezeichnet.

Ihre Arbeit sei schon immer stark beeinflusst gewesen durch die Geschichte des Oman. Das verriet die Autorin bei einem Interview mit dem Fernsehsender Al-Jazeera vor einem Jahr:

Ich bewundere die Generation der Großmütter, die ich als Kind erlebt habe. Wir können uns heute kaum noch vorstellen, kein Recht auf Bildung zu haben. Aber damals hat man ihnen dieses Recht und viele andere lebenswichtige Dinge verboten. Und trotzdem waren diese Frauen stark und hatten Werte wie Geduld und Selbstlosigkeit.

"Wie kann eine Gesellschaft Sklaverei zulassen?"

Eine Gesellschaft im Wandel. Ein Thema, das al-Harthi schon immer bewegt hat. Dabei blickt sie auch auf die teils dunkle Vergangenheit des Oman. Eine Zeit, in der Sklaverei noch alltäglich war:

Ich frage mich, wie kann ein Mensch seinen Mitmenschen versklaven? Und wie können eine ganze Gesellschaft und ein Staat Versklavung zulassen?

Eine Welt ohne Literatur - "unvorstellbar"

Al-Harthi, im Oman geboren, machte ihren Doktor in klassischer arabischer Literatur an der schottischen Universität Edinburgh. Drei Kinderbücher und eine Sammlung von Kurzgeschichten hat sie bereits veröffentlicht. Schon als Kind kam die heute 41-jährige Schriftstellerin mit Literatur in Berührung.

Ich hatte viel Glück, in einer gebildeten Familie aufzuwachsen. Damals hörte ich meiner Mutter zu, wie sie beim Nähen Verse aus Gedichten sang. Sie las viel klassische Literatur. Mein Großvater war Dichter. Er organisierte schon damals viele literarische Treffen, die ich als Kind miterlebt habe. Das alles hat mich geprägt. Eine Welt ohne Literatur kann ich mir nicht vorstellen.

Das Preisgeld von rund 57.000 Euro teilt sich al-Harthi mit ihrer Übersetzerin Marylin Booth. Denn beim bedeutenden Man Booker International Preis werden das Werk und dessen englische Übersetzung gleichermaßen geehrt. Die Jury zeigte sich begeistert von dem Buch. Die Geschichte würde Kopf und Herz gleichermaßen gewinnen und sie sei es wert, darüber zu verweilen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 22. Mai 2019 um 10:29 Uhr.