Leipziger Buchmesse Steinmeier in Rede mehrfach unterbrochen
Nach Kanzler Scholz nun Steinmeier: Propalästinensische Demonstranten haben die Rede des Bundespräsidenten auf der Leipziger Buchmesse mehrfach unterbrochen. Steinmeier richtete einen Appell an die Gesellschaft.
Die Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Leipziger Buchmesse ist mehrfach von propalästinensischen Demonstranten unterbrochen worden. Die sieben Aktivisten forderten einen Waffenstillstand im Gaza-Krieg und warfen Israel einen Genozid (Völkermord) vor. Zudem wurden deutsche Waffenlieferungen lautstark kritisiert.
Steinmeier ging mehrfach auf die Unterbrechungen ein. "Sie haben Ihre Botschaft hinterlassen, wir sind nicht einer Meinung, aber wir haben Sie gehört", sagte Steinmeier. Die Protestierenden wurden jeweils von Sicherheitsleuten aus der Alten Börse geführt.
Wir leben in einer Demokratie. Wir sind in der Lage, das auszuhalten.
"Das ist ein ernstes Thema, über das wir in diesem Lande nicht nur während der Buchmesse diskutieren." Es gebe unterschiedliche Sichtweisen, aber: "Es gibt keine einfachen Sichtweisen auf dieses Thema. Und es lässt sich auch nicht am Rande und mit Unterschriftenlisten erledigen." Er hoffe sehr, "dass die jetzt aktuell auf Hochtouren laufenden Gespräche um die Freilassung der Geiseln Erfolg haben" und zu einem Waffenstillstand führen, so Steinmeier.
Warnung vor Abschottung
In seiner anschließend ungestörten Rede rief Steinmeier die Menschen in Deutschland zu Gesprächsbereitschaft miteinander auf und warnte vor Abschottung und Verharren in den eigenen Positionen. In einer Gesellschaft, die so vielfältig wie die deutsche sei, werde es immer unterschiedliche Erfahrungen, unterschiedliche Resonanzräume geben, je nachdem, wo man lebe und aufgewachsen sei, sagte Steinmeier.
"Nur eines darf nicht passieren: Dass diese unterschiedlichen Erfahrungswelten zu isolierten Rückzugsorten werden, um die herum Mauern hochgezogen werden." Unsere Gesellschaft brauche "Neugier statt Selbstbespiegelung, Offenheit statt Rückzug, Vertrauen statt Misstrauen, Vorschläge statt Vorwürfe, so der Bundespräsident. Politische Kraft habe nur Gemeinschaft und nicht, "wenn wir uns in erster Linie als Opfer von Unterschieden sehen."
Krisen meistern
Nötig seien Tatkraft für die bevorstehenden großen Herausforderungen, Vertrauen in uns selbst und eine gemeinsame Erzählung unserer Demokratie. "Wir sind ein starkes Land, das auch in der Vergangenheit Krisen gemeistert hat. Das wissen wir. Vertrauen wir in uns, dass uns das auch in Zukunft gelingt."
Wenn die Deutschen in diesem Jahr auf 75 Jahre Grundgesetz und auf 35 Jahre Mauerfall zurückblickten, könnten sie auf vieles stolz sein. "Vieles in unserer Demokratie ist geglückt. Uns einfach gelassen zurücklehnen, das können wir trotzdem nicht in diesem doppelten Jubiläumsjahr", betonte Steinmeier. Denn unsere Demokratie werde von außen und im Inneren stärker als früher bedroht.
Doppel-Jubiläum feiern
Steinmeier sagte, er sehe etwas mit Sorge, dass gerade viele Ostdeutsche das Gefühl hätten, 75 Jahre Grundgesetz seien nicht ihr Jubiläum. Er wünsche sich, das doppelte Jubiläum von Grundgesetz und Mauerfall gemeinsam zu feiern.
Der Bundespräsident würdigte die neue Generation von ostdeutschen Schriftstellerinnen und Autoren, die zur Zeit des Mauerfalls noch Kinder oder noch gar nicht geboren gewesen seien. Er nannte beispielhaft Anne Rabe, Manja Präkels, Lukas Rietzschel und Matthias Jügler.
"Hier aus dem Osten unseres Landes erklingt eine deutlich vernehmbare Stimme. Eine Stimme, die vielfältig und in sich wiederum vielstimmig ist. Eine Stimme, die neu und anders erzählt", sagte Steinmeier. "Und diese Stimme ist eine Bereicherung für uns alle."