Finanzminister zu Energiekrise Lindner für Fracking und Laufzeitverlängerung
Angesichts der Energiekrise hat Finanzminister Lindner seine Forderung nach dem umstrittenen Fracking und einer Laufzeitverlängerung für AKW bekräftigt. In der aktuellen Phase könne man nicht wählerisch sein, sagte er im ARD-Interview.
ARD: Wie schwierig wird die Lage?
Christian Lindner: Die Inflation ist gegenwärtig unsere größte wirtschaftliche Bedrohung - für die Menschen aber auch insgesamt für die Wirtschaftsentwicklung. Deshalb sind wir hier gemeinsam sehr klar mit der Europäischen Zentralbank und den Finanzministern: Priorität ist die Bekämpfung der Inflation. Das erfordert von uns allen leider starke Nerven, weil Hilfen nicht wie während der Corona-Pandemie mit der "Bazooka", sondern nur zielgerichtet möglich sind.
ARD: Wir erleben die ersten Insolvenzanmeldungen bekannter Unternehmen, kleine Betriebe wissen nicht wie sie über die Runden kommen und wie sie die Rechnungen bezahlen sollen. Was erwarten sie für den Winter?
Lindner: Bundesregierung und EZB müssen Hand in Hand arbeiten: Also wenn die einen die Zinsen erhöhen, können die anderen nicht die Staatsausgaben erhöhen. Das würde nicht passen. Umso mehr müssen wir zielgerichtet arbeiten. Die Menschen, die wirklich Sorge haben das Leben zu finanzieren, werden dann entlastet und wir brauchen gezielte Wirtschaftshilfen. Dort wo die Energie sehr teuer ist. Bei der Pflicht, einen Insolvenzantrag stellen zu müssen, wird die Frist verlängert. Wir hoffen alle darauf, dass sie die Lage im nächsten Jahr zu entspannen beginnt.
"Müssen alle Kapazitäten sichern"
ARD: Es geht nicht nur darum, Preise zu deckeln. Solange die Nachfrage nach Energie viel höher ist als das Angebot, wird es schwierig bleiben. Muss man nicht auf der Angebotsseite neu überlegen und nach neuen Lösungen suchen, Stichwort Fracking?
Lindner: Wir können nicht darauf bauen, dass Gaslieferungen aus Russland wieder günstig verfügbar sind. Also müssen wir jetzt alle Kapazitäten sichern. Ich empfehle uns, nicht zu wählerisch zu sein. Was verantwortbar ist, muss getan werden: Alle Kohlekraftwerke unmittelbar aus der Reserve ans Netz, die Kapazität der Kernenergie in Deutschland bis ins Jahr 2024 sichern und auch die heimischen Vorkommen an Öl und Gas in der Nordsee und an Land müssen erschlossen werden. Wir können in dieser Phase, in der alle unter Preisen leiden, nicht wählerisch sein, wenn noch Kapazitäten da sind.
ARD: Also sind Sie dafür, dass man die Fracking-Kapazitäten nutzen soll?
Lindner: Da, wo es verantwortbar ist. Nicht an jeder Stelle, aber wo keine Gefahr für das Trinkwasser besteht, wo geologisch keine Gefahr besteht, da sollte das auch möglich werden.
ARD: Was sagen sie den Menschen, die eine erhöhte Abschlagsrechnung von z.B. 250 Euro auf über 1600 Euro monatlich erhalten haben?
Lindner: Wir haben ja ein Maßnahmenpaket beschlossen. Die Menschen, die die hohe Gasrechnung jetzt nicht zahlen können, oder fürchten müssen, dass sie in eine Notlage geraten, erhalten individuell Unterstützung: durch ein neues Wohngeld, das auch die Heizkosten mit umfasst. Wir haben rechtlich die Voraussetzung geschaffen und werden, wenn es Ergänzungen braucht, dafür sorgen, dass niemand, der jetzt aktuell Strom und Gas nicht zahlen kann, in der kalten Wohnung oder auf der Straße sitzen muss.
Das Interview führte Michael Grytz, ARD-Studio Brüssel