Wenn der nächste Premierminister in 10 Downing Street einzieht, ist er einmal mehr schon da: Kater Larry wohnt seit 2011 im Dienstsitz der britischen Premierminister. Seitdem hat er sechs Regierungschefs kommen und wieder gehen sehen und kann von sich behaupten: So lange wie er hielt es kaum ein Premier in dem Backsteinbau aus.
David Cameron war es, der Larry aus einem Tierheim in die Downing Street holte, immerhin machte dem konservativen Regierungschef damals eine Rattenplage im Haus zu schaffen. Der "Chief Mouser", so etwas wie der oberste Mäusefänger im Vereinigten Königreich, wurde selbstverständlich den Gästen aus dem Ausland vorgestellt. Das nutzt sich mit der Zeit natürlich ab. Hier jedenfalls interessiert sich Larry weniger für US-Präsident Barack Obama und dafür mehr für die Mitarbeiterin des Premierministers.
Nachdem der im Grundsatz heitere Cameron angesichts seiner dramatischen Niederlage im Brexit-Referendum trällernd 10 Downing Street verlassen hatte, kam Theresa May, die es weniger mit den fröhlichen Liedchen hatte, sondern sich damit herumplagen musste, den Brexit irgendwie in Politik umzusetzen und sich zugleich ihrer Widersacher zu erwehren. Larry dürfte, soweit er etwas davon verstand, froh gewesen sein, seiner eigenen Wege gehen zu können. Nach rund drei Jahren hatten ihre Konkurrenten lang genug an Mays Stuhl herumgesägt und es zog ein Mann mit lustiger Frisur ein.
Unter Mays Nachfolger Boris Johnson wurde es wesentlich turbulenter im Regierungssitz. Nicht nur, weil Johnson sich während der Pandemie herzlich wenig um die strengen Auflagen kümmerte, die seine Regierung der Bevölkerung auferlegt hatte und in Downing Street gerne mal zünftig feiern ließ. Sondern auch, weil Johnson einen Hund mitbrachte und später behauptete, Kater Larry habe mehrfach brutal Rache an Dily geübt, weil der sein Futter gemampft habe. Dily habe furchtbare Angst vor "Catzilla" gehabt und alle Orte der möglichen Begegnung gemieden. Man darf annehmen, dass Larry gegen diese Anekdote des redefreudigen Johnson nichts einzuwenden hatte.
Deshalb an dieser Stelle kurz ein Blick auf Larrys körperliche Verfasstheit. Gewiss, propper ist er, der Alptraum von Hund Dily. Aber ihm deshalb, wie Boris Johnson es getan hatte, den Körper eines Sumoringers und die Krallen eines Velociraptors attestieren? Nun, Johnson war halt immer für eine kleine Flunkerei gut.
Und dann? Ach ja, dann kam Liz Truss. Lachte auf ihre Art auch gern, stieß damit aber häufig auf verstörte Blicke. Nicht für lang, gerade mal 49 Tage, hielt sie sich im Amt, geradezu lächerlich kurz für einen erfahrenen Chief Mouser wie Larry. Aber sie schaffte es, in dieser Zeit ein Finanzchaos sondergleichen anzurichten, sodass die Partei gegen die frisch gewählte Vorsitzende aufbegehrte. Dass Larry von den Fotografen abgebildet hatte, wie er ihr die Rückseite zuwandte, sollte wohl eine subtile Botschaft transportieren.
2022 zog Rishi Sunak ein, der nicht nur fantastisch taillierte Anzüge auftrug, sondern Larry auch sonst vielfältige Anlässe für bissige Kommentare gab. Sofern man glaubt, dass Larry persönlich hinter "Larry the Cat" auf X steckt und dort mittlerweile mehr als 26.000 Posts veröffentlichte. Das würde schon aus Zeitgründen erklären, warum Larry inzwischen in dem Ruf steht, es mit der Rattenjagd nicht mehr ganz so ernst zu nehmen. Übel nehmen ihm das die Briten nicht. Im Gegenteil. Als im Herbst 2023 Gerüchte aufkamen, Larry habe gesundheitliche Probleme, betonte die Regierung ganz fix, Larry sei "happy and healthy" - glücklich und gesund. Trotz seiner fortwährenden X-Attacken auf Sunak. Oder gerade deshalb.
Und nun zieht Keir Starmer ein - der erste Labour-Politiker, der unter Kater Larry Premier wird. Ihm kann es, so gesehen, egal sein, solange nicht irgendwer auf die Idee kommt, den Chief Mouser aus 10 Downing Street zu werfen und auf irgendeinen zugigen Landsitz zu verbannen, womöglich gar auf den fernen Falklands. Aber im Ernst: Wer würde es schon wagen, sich mit "Catzilla" anzulegen?