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Stand: 15.03.2005 00:00 UhrIn seiner mit Spannung erwarteten Grundsatzrede hat Bundespräsident Horst Köhler in Berlin eine "politische Vorfahrtsregel für Arbeit" gefordert. Dabei begrüßte er ausdrücklich, dass sich Regierung und Union am Donnerstag zu einem Job-Gipfel zusammensetzen: "Taktische Reformpausen wegen Wahlterminen oder einen Zickzack-Kurs können wir uns nicht leisten." "Super-Horst": Der bessere Kanzler? Die Grundsatzrede des Bundespräsidenten hat in Deutschland ein geteiltes Echo ausgelöst. Während die Union die Vorschläge des Staatsoberhauptes begüßte, zeigten sich die Gewerkschaften enttäuscht. SPD-Faktionsvize Michael Müller kritisierte, Köhler werde "zunehmend eine Rolle eingeräumt, die ihm weder verfassungsrechtlich noch politisch zusteht." Joachim Wagner berichtet. Beim SPD-Generalsekretär Benneter nur lauer Beifall, bei seinem CDU-Kollegen Kauder kräftiges Klatschen. Ein Applausmesser würde die Wahrheit an den Tag bringen: Frohlocken über die Rede des Bundespräsidenten bei den Oppositionsparteien, Zurückhaltung und zum Tei massive Schelte von der Rot-Grünen Koalition. Guido Westerwelle, FDP-Vorsitzender: Vorfahrt für Arbeitsplätze, das ist natürlich etwas, was in den liberalen Ohren Musik ist.“ Ludwig Stiegler, stellv. SPD-Fraktionsvorsitzender: „Das, was man von einem Bundespräsidenten erwartet, nämlich den sozialen Zusammenhalt zu fördern, das habe ich doch wirklich vermisst. Sein Verfassungsverständnis ist dem eines Bundespräsidenten nicht würdig.“ Bundespräsident Köhler schwimmt derzeit auf einer Welle der Sympathie. Zwei Drittel der Bundesbürger finden seine Amtsführung gut. Er ist derzeit, was viele wurmen wird, populärer als alle anderen Regierungsmitglieder und Oppositionspolitiker. Auch weil er sich aktiv in die Politik einmischt. Richard Hilmer, Geschäftsführer Infratest dimap: „Die Bevölkerung begrüßt diese Art der Einmischung. 78 Prozent, so zuletzt eine Umfrage für den Spiegel, haben dies für gut geheißen. Egal ob Köhler nun die Unternehmer zur Verantwortung ruft, oder den Bundeskanzler im Zusammenhang mit der Nationalfeiertagsfrage.“ Nach der Bild-Zeitung soll „Superhorst“ sogar Deutschland retten und beim Jobgipfel am Donnerstag den Makler spielen. Eine Idee, die einigen jungen Politikern sogar gefällt: Silvana Koch-Mehrin, FDP-Fraktionsvorsitzende EU-Parlament: „Ich fände es richtig, wenn Bundespräsident Köhler teilnehmen würde. Er ist überparteilich, er hat eine große ökonomische Kompetenz und er könnte wirklich Sachverstand dazu beitragen.“ Philipp Mißfelder, Vorsitzender Junge Union: „Der Bundespräsident sollte teilnehmen, damit eine überparteiliche Institution dabei ist, dass das Parteiengezänk keine große Rolle spielt und es keine Showveranstaltung ist.“ Für die meisten Politiker ist die Moderation des Job-Gipfels durch Köhler eine Schnapsidee, besonders für den Präsidenten: Horst Köhler, Bundespräsident: „Den Job-Gipfel sollen die machen, die dafür berufen und ernannt sind.“ Köhlers Amtsverständnis, sich in politischen Grundsatzfragen zu Wort zu melden, findet nicht überall Beifall. So sei zum Beispiel sein Versuch, die Föderalismuskommission wiederzubeleben folgenlos geblieben. Schädlich für Ruf und Amt. Krista Sager, Fraktionsvorsitzende B 90/Grüne: „Wenn ein Bundespräsident sich in das Alltagsgeschäft einmischt, dann riskiert er natürlich auch, dass man ihn hinterher nach der Gegenfinanzierung fragt.“ Im Übrigen mühten sich heute alle politischen Parteien, die Köhler-Rede zu nutzen. Zum Beispiel als Rückendeckung für den Job-Gipfel. Angela Merkel, CDU-Vorsitzende: „Ich fühle mich darin bestätigt, dass wir einen Pakt für Deutschland vorgeschlagen haben, in dem wir sagen: Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung, wir brauchen Strukturreformen und wir müssen dicke Bretter bohren, um wirklich voranzukommen.“ Im Gegensatz dazu möchte man bei der SPD und im Kanzleramt der Köhler-Rede möglichst wenig Aufmerksamkeit schenken. Franz Müntefering, SPD-Vorsitzender: „Dich wichtigste Rede diese Woche wird am Donnerstag früh im Bundestag gehalten als Regierungserklärung. Da entscheiden sich die Dinge der Politik in Deutschland. Deshalb will ich in eine weitere Kommentierung zu Reden von heute nicht eintreten.“ Der überparteiliche Bundespräsident hat heute zum Teil sehr parteiliche Reaktionen provoziert. Die wird er bewusst in Kauf genommen haben, denn er möchte keine Ersatzmonarch sein, sonder am Reformrad mitdrehen.
