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Stand: 27.01.2005 00:00 Uhr

Auch im Bundestag wurde heute mit einem Staatsakt der Auschwitz-Befreiung gedacht. "Die verpflichtende Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen ist Teil unserer moralischen und politischen Identität", sagte Bundestagspräsident Thierse und forderte dazu auf, "gemeinsam immer neu nach einer Sprache gegen das Vergessen zu suchen. Im Anschluss an die Gedenkstunde diskutierten Schüler und Studenten aus verschiedenen Ländern Europas über die Zukunft der Erinnerungsarbeit. Claudia Nothelle berichtet. Die Erinnerung wach halten. Den Schrecken benennen. Von Auschwitz erzählen. Für den Hamburger Polizisten Philipp Kienast ist das seit seiner Schulzeit ein wichtiges Anliegen. Im Bundestag trifft er heute auf Gleichgesinnte: Die Polin Kasha Sekula arbeitet zeitweise als Dolmetscherin in Auschwitz. Sie interessiert sich für die Erfahrungen des Deutschen, der diese Ausstellung gemeinsam mit einem Freund zusammengestellt hat. Die beiden gehören zu einer Gruppe von 100 Schülern, Studenten und Auszubildenden aus Frankreich, Polen und Deutschland, die sich drei Tage lang in Berlin mit dem Holocaust beschäftigt. Philipp Kienast: „Wenn ich zu Hause mein Familienalbum aufschlage, und ich sehe, dass mein Opa eine Binde hat mit einem Hakenkreuz, und dann sehe ich die heutigen Situationen in Deutschland, was so passiert – ob es nun Rechte sind im Landtag oder Rechte auf der Straße – dann glaube ich, haben wir einfach als Generation nach dem Zweiten Weltkrieg die Verpflichtung, dieses Thema aufrecht zu erhalten.“ Katarzyna Sekula: „Ich glaube, man darf es nicht vergessen. Und das haben auch besonders die deutschen Jugendlichen in den vorigen Tagen unterstrichen. Sie tragen keine Schuld dafür, was passiert ist damals, aber sie sind sich der Verantwortung bewusst.“ Höhepunkt für die jungen Leute ist die offizielle Gedenkstunde heute im Bundestag. Mit Arno Lustiger hören sie einen Überlebenden, dessen Vermächtnis neben der Erinnerung an die Opfer vor allem den vergessenen Helden gilt. Arno Lustiger, Auschwitz-Überlebender: “Ich schlage vor, dass in Jerusalem noch drei Bäume gepflanzt werden. Je ein Baum kollektiv für die deutschen Judenretter, für die tapferen Frauen von der Rosenstraße und für die Retter in München.“ Im Anschluss an das offizielle Gedenken konnten die jungen Gäste im Bundestag noch mehr von Arno Lustiger erfahren. Sie wissen: Sie sind die letzte Generation, die Überlebende der Konzentrationslager kennen lernt. Deshalb wollen sie die Erinnerung wach halten. Und sie hören von den Schuldgefühlen der mittleren Generation: Gesine Schwan, Rektorin Viadrina-Universität Frankfurt/Oder: „Wir werden nicht unschuldig – in Anführungsstrichen – geboren, das heißt, wir werden geboren immer mit Hypotheken, mit Belastungen, die von den vorangegangenen Generationen kommen. Und man muss dann sehr genau prüfen, ob solche Schuldgefühle überhaupt der Sache nach berechtigt sind.“ Nachdenkliche Töne - aber den Jungen machen sie Mut, ihre Arbeit fortzusetzen: Philipp Kienast: „Ich wurde so ein bisschen belächelt: Warum gibst Du Dir so viel Mühe, Du kriegst kein Geld dafür... Und jetzt weiß ich selber, das kommt aus mir selber heraus. Es ist meine innere Energie, die mich dazu treibt und mein Fimmel für Gerechtigkeit, sage ich immer. Und das wurde jetzt bestärkt.“ So bleibt die Erinnerung lebendig. Dank Philipp Kienast und seiner Freunde auch in der nächsten Generation.

Sendungsbild der tagesthemen
Player: videoDer Holocaust und die Pflicht zur Erinnerung
tagesthemen, 22:35 Uhr, tagesthemen, 27.01.2005 22:35 Uhr