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Stand: 12.10.2004 00:00 Uhr

Der CDU-Politiker Friedrich Merz hat auf dem Höhepunkt des unionsinternen Streits über die Reformpolitik und den Türkei-Kurs seinen Rückzug aus allen Spitzenämtern angekündigt. Merz teilte mit, dass er Anfang Dezember auf dem Parteitag in Düsseldorf nicht mehr als Mitglied für das Präsidium kandidieren werde. Ende dieses Jahres werde er auch seinen Posten als stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion niederlegen. Marcus Bornheim berichtet. Die sechste Etage im Bundestag war heute Abend verwaist – das Büro von Friedrich Merz verschlossen, der CDU-Politiker abgetaucht. Nur per Fax war heute dieser Brief an Angela Merkel zu bekommen: "Sehr geehrte Frau Vorsitzende, liebe Angela", schriebt er da – und dann, dass er in der Partei- und Fraktionsspitze aufhört. Den Reformkurs wolle er zwar unterstützen, aber in Zukunft sollen dann Sachfragen nicht mehr von Personalfragen überlagert werden. Die Union ist überrascht von so viel Konsequenz. Laurenz Meyer, CDU-Generalsekretär: "Es ist für die CDU insgesamt schade. Ich hoffe, dass sich Friedrich Merz mit seiner Fachkompetenz noch umstimmen lässt." Markus Söder, CSU-Generalsekretär: "Die CDU-Führung muss alles tun, um ihn im Amt zu halten. Denn mit Merz ist die CDU insgesamt stärker. Wir brauchen jeden Einzelnen, gerade um bei Bundestagswahl erfolgreich zu sein." Aber Merz und Merkel – die beiden können einfach nicht miteinander. Geredet wurde nur das Nötigste, mürrisch waren die Gesichter, das Miteinander auf fast Null reduziert. Der Bruch kam nach der verlorenen Bundestagswahl: Merz verlässt enttäuschend die Parteizentrale, Merkel dagegen mit Blumen in den Händen; sie hatte sich mit Hilfe Stoibers durchgesetzt und Merz vom Fraktionsvorsitz geschubst. Bitte für einen, der sich stets als Nummer Eins sah, in die hinteren Parlamentsreihen degradiert zu werden. Schon einmal wollte er hinwerfen. Der Grund damals: die gemeinsame Gesundheitsreform mit Rot-Grün. Auch das Verhältnis zum CSU-Sozialexperten Seehofer ging in dieser Zeit förmlich in die Hose. Schon damals war zu erkennen, wie viel Frust in ihm steckte. Friedrich Merz, stellvertretender CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender: "Ich weiß, dass viele Leute den Kopf geschüttelt haben. Aber die Sache, um die es hier geht, bewegt mich – und deshalb bin ich auch noch nicht wirklich im Reinen, denn wir treffen hier falsche Entscheidungen. Und in diesem Land werden die Disparitäten zwischen dem, was vernünftig ist, und dem, was politisch gemacht wird, immer größer." Die Bierdeckel-Steuerreform vom Leipziger Parteitag – das war seine Stunde. Kurz, knapp und charmant war sein Steuerkonzept. Viel Lob – nur lässt sich das leider nicht mit der CDU-Gesundheitsprämie zusammenaddieren. Dennoch: Die Show war gut – wie immer, wenn Merz redete. Schneidend, analytisch, scharf: Nicht nur die eigenen Anhänger, selbst der politische Gegner war da stets beeindruckt. Ludwig Stiegler, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender: "Er war immer klar, deutlich und brutal. Und man wusste immer, was der Wirtschaftsflügel der Union denkt. Im Gegensatz etwa zu einem Herrn Rüttgers, der viele Gesichter hat, hat Merz sich immer durch Eindeutigkeit hervorgetan. Und deshalb wird es nun vielleicht schwieriger sein, die Union wirklich zu stellen." Vergangene Woche hat Merz sein Buch vorgestellt: "Nur wer sich ändert, wird bestehen". Wie passend! Auf über 200 Seiten Frust über die Tagespolitik, übrigens auch über das Hin und Her in den eigenen Reihen. Und da bietet die Union zurzeit genügend Stoff. Vielleicht werden es also noch mehr Bücher. Die Zeit hat er ja jetzt dazu.

Sendungsbild der tagesthemen
Player: videoMerz zieht sich aus CDU-Spitze zurück
tagesthemen, 22:30 Uhr, tagesthemen, 12.10.2004 22:30 Uhr