Deutsche im Irak entführt
Stand: 29.11.2005 00:00 UhrDie erste Entführung einer Deutschen im Irak seit dem Sturz des Saddam-Regimes stellt die neue Bundesregierung vor eine Bewährungsprobe. Die Geiselnehmer der 43-jährigen Susanne Osthoff sowie ihres irakischen Fahrers stellten in einem der ARD vorliegenden Video-Band ein Ultimatum. Darin wird Deutschland aufgefordert, die Zusammenarbeit mit Bagdad einzustellen, ansonsten würden die Geiseln getötet. Die Archäologin Susanne Osthoff ist das erste deutsche Opfer einer seit Monaten anhaltenden Entführungsserie im Irak. Osthoff war zunächst als Archäologin und später als Helferin im Irak tätig. Sie spricht fließend Arabisch, kennt die Region seit mehr als 15 Jahren und war sich der Gefahren im Irak durchaus bewusst: "Wer die Nerven verliert, ist tot", hatte sie 2004 in einem Interview gesagt. Anne Will im Gespräch mit dem ehemaligen Nahost-Korrespondenten Jörg Armbruster. Joachim Wagner berichtet: Seit Samstag Hochspannung im Krisenstab des Auswärtigen Amtes. Die Archäologin und leidenschaftliche Irak-Liebhaberin Osthoff war am Freitag nach einer Überlandfahrt mit ihrem Fahre nicht am ziel angekommen. Schreckliche Klarheit brachte dann ein Video, dass gestern Abend einem ARD-Mitarbeiter in Bagdad übergeben worden war. Darin fordern die Geiselnehmer die Bundesregierung auf, die Zusammenarbeit mit der irakischen Regierung einzustellen. Erfülle sie diese Forderung nicht zeitnah, werde die Geisel getötet. Einen Tag vor der Regierungserklärung steht Kanzlerin Merkel vor einer ersten Bewährungsprobe: Angela Merkel (Bundeskanzlerin, CDU): „Die Bundesregierung verurteilt die Tat auf das Schärfste. Wir richten einen eindringlichen Appell an die Täter, beide unverzüglich in sichere Obhut zu übergeben.“ Die Bundesrepublik hilft dem Irak beim Wiederaufbau. Unter anderem bei der Ausbildung von Kriminalbeamten und Schulen von Soldaten beim Lastwagenfahren in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Unter den deutschen Parteien besteht ein weitgehender Konsens darüber, aus Gründen der Staatsräson politische Forderungen von Terroristen nicht zu erfüllen. Werner Hoyer (Außenpolitischer Sprecher, FDP): „Die Bundesregierung darf und kann sich nicht erpressen lassen. Sie muss alles tun - und ich bin sicher, sie wird alles tun -, um das Leben der Geisel zu retten. Aber in dem Moment, wo sie sich hier erpressen lässt, bedeutet das eine große Gefahr für viele andere Personen, die Opfer von Entführungen werden könnten.“ Vorbehalte gegen diese harte Linie bei der Linkspartei: Norman Paech (Außenpolitischer Sprecher, Die Linke): „Ich glaube, die Bundesregierung wäre gut beraten, wenn sie nicht sofort auf Staatsräson (setzt) und sagt, wir lassen uns nicht erpressen. Sondern hier ist ein Menschenleben im Vordergrund, und das muss gerettet werden.“ Für die deutschen Sicherheitsbehörden kommt die Geiselnahme nicht überraschend. Zwar gehen sie davon aus, dass in erster Linie jene Länder gefährdet waren und sind, die aktiv am Irak-Krieg teilgenommen haben. Wegen des Engagements in Afghanistan und im Nachkriegs-Irak ist jedoch auch Deutschland immer im Visier islamistischer Terroristen. Das wusste auch Susanne Osthoff, die bereits einmal von Al Kaida bedroht und dann von US-Truppen in Sicherheit gebracht worden war. Die deutsche Botschaft und andere Stellen haben sie nach ARD-Informationen mehrer male gewarnt, und sie gebeten den Irak zu verlassen. Guido Steinberg (Stiftung Wissenschaft und Politik): „Sich im Irak zu bewegen mit oder ohne Schutz, wenn man keinen konkreten Anlass hat ist in jedem Fall verantwortungslos.“ Die meisten Entführungen im Irak werden von kriminellen Banden durchgeführt und richten sich gegen Einheimische. Im Fall Osthoff gegen die Sicherheitsbehörden nach ARD-Informationen eher von politischen Motiven als von einem kriminellen Hintergrund aus. Guido Steinberg (Stiftung Wissenschaft und Politik): „Die Entführungen von Ausländern haben im letzen Jahr deutlich abgenommen, weil Ausländer besser geschützt werden, besonders Ausländer aus den Truppenstellerstaaten.“ Über 35 ausländische Geiseln sind bisher im Irak erschossen worden, wie z. B. dieser Japaner und zwei Briten noch im Jahr 2004. in den letzten Monaten sind vermehrt Entführungen wie die italienischer und französischer Journalisten glücklich ausgegangen, wahrscheinlich Dank hoher Lösegeldzahlungen. Bernd Schmidbauer (ehem. Geheimdienstkoordinator): „Es gab auch Fälle in denen Lösegeld bezahlt wurde.“ Die meisten Geiseln sind erst nach dem Ablauf der Ultimaten freigelassen worden. Die beiden französischen Journalisten erst nach vier Monaten. Bundesregierung und Angehörige werden swich wahrscheinlich noch Lange in Geduld übern müssen.
