Der Endspurt
Stand: 09.11.2005 00:00 UhrIn der Schlussphase der Koalitionsverhandlungen haben die fünf Wirtschaftsweisen ihr Jahresgutachten vorgelegt. Darin leht der Sachverständigenrat eine Mehrwertsteuererhöhung zur Haushaltssanierung entschieden ab. Eine solche Maßnahme sei nur vertretbar, wenn damit der Umbau der Steuer- und Sozialsysteme finanziert werde. Norbert Carius berichtet: Eigentlich wollten die Wirtschaftsweisen die scheidende Regierung loben, wenigstens ein bisschen: Bert Rürup, Vorsitzender des Sachverständigenrat:"Durch die Hartz-Gesetze, das Gesundheitsmodernisierungsgesetz, das Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetz und so weiter wurden eine ganze Menge des Reformweges schon beseitigt." Reformen beseitigt? Der Versprecher des Sachverständigenratsvorsitzenden unterstreicht, dass für die neue Regierung noch viel zu tun bleibt. Heulen und Zähneklappern ist angesagt. Die Koalitionsunterhändler sehen sich von den Wirtschaftsgutachtern in ihren bisherigen Vereinbarungen bestätigt: Ronald Pofalla, Stellv. CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender:"Wir sanieren die Staats-finanzen, wir lockern den Kündigungsschutz und flexibilisieren damit den Arbeitsmarkt. Und wir stellen die Sozialversicherungssysteme auf eine solide Grundlage, indem wir beispielsweise eine große Rentenreform vornehmen." Rente erst mit 67, Milliardenkürzungen bei Hartz IV, wohl doch keine Anhebung des Arbeitslosengeldes Ost. Es wir gnadenlos gespart. Und doch nicht genug. Denn die Erhöhung der Mehrwertsteuer scheint beschlossene Sache. 19% ab 2007, so ist es zu hören. Und genau das finden die Wirtschaftsweisen grundfalsch: Peter Bofinger, Sachverständigenrat:"Es ist absolut kontraproduktiv, denn unser Problem ist, dass die Binnennachfrage stagniert. Unsere Prognose zeigt, dass wir auch ohne Mehrwertsteuererhöhung im nächsten Jahr einen rückläufigen privaten Verbrauch haben, dass also diese chronische Stagnation der Binnennachfrage anhält. In meinen Augen ist diese chronische Stagnation der Binnennachfrage die zentrale Ursache dafür, dass wir auch die Haushaltsprobleme haben.“ Eine Mehrwertsteueranhebung wäre gar nicht nötig gewesen, wenn nicht gerade die Union im Bundesrat jahrelang notwendige Einsparungen verweigert hätte, kritisiert der scheidende Finanzminister: Hans Eichel, Bundesfinanzminister, SPD: "Wenn man das drei Jahre lang blockiert - ich wiederhole es - ist das Problem so groß geworden, dass es aller Voraussicht nach nicht ohne Steuersatzerhöhungen geht. Das müssen die vertreten, die den schonenderen Weg, der viel früher hätte begangen werden müssen, abgelehnt haben." Wie auch immer. Die Staatskasse ist leer, die Steuern steigen. Die Regierung, die doch eigentlich die Wirtschaft ankurbeln will, langt wieder zu. Kein Signal, das die Bürger dazu bringt, neue Autos zu kaufen. Rainer Brüderle, Stellvertr. FDP-Vorsitzender: "Steuererhöhungen – Mehrwertsteuererhöhung, so genannte Reichensteuer - sind absolut kontraproduktiv. Das, was gefordert wird, nämlich ein umfassendes Reformpaket, findet nicht statt." Christoph Böhr, Stellvertr. CDU-Vorsitzender: „Ich hoffe, dass am Ende nicht ein Koalitionsvertrag herauskommt, wo vor allem man das Heil in Steuererhöhungen sucht.“ Die CDU hat sich am Abend in der frisch eroberten Landesvertretung Nordrhein Westfalen eingeschlossen und denkt noch einmal darüber nach, was sie den Wählern zumuten kann. Morgen gehen die Koalitionsverhandlungen in die voraussichtlich letzte Runde.
