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Stand: 11.10.2007 08:55 Uhr

Nach den Querelen um seine Kandidatur hat der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz (CDU) bei der Wahl zum Fraktionsvorstand eine Schlappe einstecken müssen. Fraktionschefin Angela Merkel konnte dagegen ihr Ergebnis vom Vorjahr leicht verbessern. Merz erhielt bei der Wahl am Dienstag nur 78,8 Prozent der Stimmen und damit das schlechteste Ergebnis aller sechs Merkel-Stellvertreter mit CDU-Parteibuch. Merkel kam dagegen auf 93,7 nach 92,2 Prozent im vergangenen Herbst.   Brigitte Abold berichtet: Friedrich Merz, klug, kompetent und doch beinahe auf der Kippe. Jetzt also kein Rücktritt. Statt dessen fügt er sich dem Kurs der Parteichefin. Warum nicht gleich, fragen einige Abgeordnete. Andere fühlen sich unwohl wie Merz , schweigen aber. Die Erklärung, des Fraktionsvizes, warum er nun doch für die Gesundheitsreform stimmt. Friedrich Merz, CDU stellv. Fraktionsvorsitzender: "Es gibt ein übergeordnetes Interesse und das ist die Einheit der Union. Auch in dieser sehr schwierigen Frage wo wir ja nun manches schlimmere verhindert haben. Mehr ist es nicht, wir haben schlimmeres verhindert. Besseres zu machen wird uns erst nach der nächsten Bundestagswahl gelingen und bis dahin möchte ich auch meine Arbeit in der Bundestagsfraktion fortsetzen als stellvertretender Vorsitzender für Wirtschaft- und Finanzpolitik. Ich sehe nach dem reinigenden Gewitter gestern Abend dafür eine Basis." Edmund Stoiber, Wahlsieger und eigentlich kein Gegner des Fraktionsvizes, will Weichen stellen nach seinem Rekordergebnis. Der Beifall in Berlin ist ihm sicher. Doch auch er muß die Wogen glätten im Fall Merz. Edmund Stoiber, CSU, Ministerpräsident Bayern: "Ich freue mich sehr das er seinen Entschluß nicht zu kandidieren revidiert hat – ich habe gestern Abend mit ihm auch noch lange darüber gesprochen, denn er ist auf dem Fachgebiet der Finanzen und des Arbeitsmarktes und des Steuerrechtes eine Kapazität wie wir sie nicht in den Reihen der CDU/CSU haben." Die CDU-Chefin hat ihren, nach Meinung vieler renitenten Stellvertreter, ohne eigene Zugeständnisse auf Linie gebracht, auch dank der Unterstützung aus Bayern. Merkel geht gestärkt aus der Querele hervor und so kommt es doch noch zum Siegerfoto Merkel-Stoiber. Wahlen beiderseits geglückt. Angela Merkel, CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende: "Es ist ein schöner Moment wenn man doch dieses Ergebnis erhalten hat und ich bin zufrieden und froh." Selbst die Stimme aus Hessen klingt heute milde. Auch Roland Koch stimmt ein in die Sprachregelung der Angela Merkel. Roland Koch, CDU, Ministerpräsident Hessen: "Die CDU/CSU-Fraktion weiß aber wie wir alle in der Union was wir an Friedrich Merz haben er ist ein brillanter Wirtschafts- und Finanzpolitiker und manchmal ist er sperrig, das hat er da gezeigt, aber er gehört zum Team und das hat die Fraktion ja auch sehr eindrucksvoll bestätigt." Und der Sauerländer selbst? Er trägt es gelassen - er hat die Quittung bekommen. Ein deutlich schlechteres Wahlergebnis als beim letzten Mal. Wenn er Stimmung machen wollte gegen Merkel, dann ist es ihm mißlungen. Sie hat ihre Führung ausgebaut. Ulrich Wickert sprach mit der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel über die personelle Situation in der CDU. Ulrich Wickert: "Kurz vorne weg mal gefragt, wie erklären Sie sich den Ausrutscher von Friedrich Merz?" Angela Merkel, CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende: "Erst einmal freue ich mich, dass heute nicht nur ich als Fraktionsvorsitzende, sondern auch alle anderen wiedergewählt wurden und ich freue mich vor allen Dingen, dass auch Friedrich Merz weitermacht in seinem Fachgebiet. Auch, dass er uns unterstützt, in der gemeinsamen Haltung zum Beispiel zur Gesundheitsreform. Und deshalb wende ich mich jetzt der Zukunft zu." Ulrich Wickert: "Gut, aber damit haben Sie meine Frage noch nicht beantwortet." Angela Merkel, CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende: "Das weiß ich. Ich bin es als Fraktionsvorsitzende gewöhnt, die Probleme der Zukunft zu lösen und mich nicht lange mit den Erklärungen zur Vergangenheit aufzuhalten, deshalb kann ich Ihre Frage nur unzureichend beantworten." Ulrich Wickert: "Trotzdem noch eine Frage zur Vergangenheit: Der Sieg von Edmund Stoiber in Bayern war, wie er selber sagt, epochal. Flößt Ihnen solch ein Ergebnis Respekt ein?" Angela Merkel, CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende: "Das flößt mir sehr großen Respekt ein. Ich habe den Sieg heute als historisch bezeichnet: Alle Wahlkreise zu gewinnen, eine Zweidrittelmehrheit erstmalig in Deutschland zu haben, das kriegt man nicht, indem man sich ausruht, sondern nur, indem man die Menschen in ihren ganz verschiedenen Lebenssituationen ernst nimmt. Und dass Edmund Stoiber hier richtig gekämpft hat um jede Stimme, nicht mit Hochmut, sondern mit einem ganzen Stück Demut, das nötigt mir sehr, sehr großen Respekt ab." Ulrich Wickert: "Die Wahl macht auch klar, die Macht der Union liegt im Bundesrat, müssen Sie nicht befürchten, dass sich die Gestaltungsmacht damit auch auf die Länderfürsten der Union verlagert?" Angela Merkel, CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende: "Die Macht der Union liegt in ihrer Geschlossenheit, sowohl zwischen CDU und CSU, als auch zwischen Bundestagsfraktion und Ländern. Die Mehrheit stellen wir im Bundesrat, das ist richtig, aber eine zerstrittene Union mit einer Mehrheit im Bundesrat ist wiederum dann auch nichts wert. Und deshalb kommt es darauf an - und diese Aufgabe habe ich als Parteivorsitzende - die verschiedenen Landesaspekte und die parteipolitischen Aspekte so zusammenzuführen, dass daraus ein Bild wird, von Ergebnissen der Verhandlungen im Bundestag und Bundesrat, was die Menschen überzeugt und was uns als verlässliche und berechenbare Kraft im Lande auch darstellt. Das müssen wir schaffen, das wollen wir weiterschaffen, denn wir sind gegenüber rot-grün, die als chaotisch als hin-und-her springend, als nicht verlässlich gelten, die berechenbare Größe in Deutschland im Augenblick." Ulrich Wickert: "Sie fahren aber ja trotzdem zweigleisig, Friedrich Merz arbeitet für Sie ein Steuerkonzept aus, das am sechsten Oktober vorgelegt werden soll und am kommenden Donnerstag sind sie nicht dabei, wenn die Ministerpräsidenten sich in der Baden-württembergischen Landesvertretung in Berlin treffen und über eine umfassende Steuerreform sprechen." Angela Merkel, CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende: "Herr Wickert, ich muss über diesen Teil richtig schmunzeln, weil mir Erwin Teufel vor mehreren Wochen von diesem Termin erzählt hat und ich überhaupt gar nicht auf die Idee gekommen bin, dass ich dazukommen sollte, weil die Ministerpräsidenten, mir bekannter Weise, mit dem Professor Kirchhof über ein Steuersystem sprechen, gleichzeitig aber auch Friedrich Merz in seiner Arbeitsgruppe den Professor Kirchhof, den Professor Lang und andere als Berater mit dabei hat. Und insofern entgeht mir da überhaupt nichts, die Dinge laufen auf einer ziemlich ähnlichen Wellenlänge und das, was die Ministerpräsidenten miteinander beraten, das ist, wie man dann eventuell sehr schnell ein solches neues transparentes Steuersystem in die Gesetzgebung hineinbringen kann. Das würde unsere Arbeiten, die wir in der Bundestagsfraktion, oder vor allen Dingen aber in der CDU als Partei machen, ergänzen. Dann würde unser Grundsatzbeschluss auf dem Parteitag in Leipzig Anfang Dezember genau der erste Schritt sein, um dann eine Implementierung auch in die Gesetzgebung in Deutschland zu haben. Das wäre ein wundervoller Erfolg und deshalb bin ich da ganz gelassen und ganz erstaunt über die Art der Diskussion." Kommentar: Die Union und ihre Personalien kommentiert Thomas Baumann, MDR, stellvertretender Leiter des Hauptstadtstudios Berlin: "Vielleicht hat ja das dümmliche Altmännergeschwätz über Angela Merkel, die es "einfach nicht kann", bald ein Ende. Gestern Abend hat sie im Fall Merz zum wiederholten Mal Durchsetzungsvermögen und Führungsstärke gezeigt. Nicht nur, weil sie den Irrläufer wieder in die Fraktionsführung einband, das musste sie, weil Merz für die Union auf dem Feld der Haushalts- und Finanzpolitik alternativlos ist, aber mehr noch: Sie hat es zu ihren Bedingungen geschafft. Merz beugt sich und wird dem ungeliebten Gesundheitskompromiss zustimmen. Respekt, Frau Merkel. Die CDU-Vorsitzende und Edmund Stoiber, die Union ist mit dem Glück gesegnet, mindestens zwei Führungspersönlichkeiten der K-Klasse zu haben. Die Frage wird sein, wie sie mit diesem Glück umgeht. Auch wenn hinter jedem Politmanöver Machtkalkül vermutet wird, die Union bleibt gut beraten, die Frage des Kanzlerkandidaten erst 2006 zu entscheiden. Die späte Nominierung hat sich beim letzten Mal bewährt und auch jetzt wird Arbeitsteilung von Vorteil sein: Stoiber als schwarzer Leitwolf im Bundesrat, Merkel als Unionsführungsfrau im Bundestag. Auf Sachfragen gemünzt steht dieses Duo für einen harten Kurs gegenüber der Regierung, nicht aber für blinde Blockade-Politik. Für Merkel kommt die nächste Herausforderung schon bald. Das mäßige Ergebnis Wolfgang Schäubles bei den Wahlen zum Fraktionsvorstand zeigt das Problem. Schäuble, jener mögliche Unionskandidat für das Amt des Bundespräsidenten, den die FDP am sichersten mittragen würde, ausgerechnet ihm fehlt der nötige Rückhalt im eigenen Lager – Schade. "

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tagesthemen, 22:30 Uhr, tagesthemen, 23.09.2003 22:30 Uhr