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Stand: 13.04.2008 00:28 Uhr

Mehrere zentrale Punkte der Reformagenda 2010 der Bundesregierung sind am Mittwoch vom Bundeskabinett gebilligt worden. Der beschlossene Gesetzentwurf sieht vor allem die geplante kürzere Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld sowie die Lockerung des Kündigungsschutzes vor. Das gesamte Gesetz soll spätestens zum Jahresbeginn 2004 in Kraft treten. Vertagt wurde ein zunächst vorgesehener Kabinettsbeschluss zu einem neuen Programm für Langzeitarbeitslose. Dorothee Bamberger berichtet. Clement der Macher, diesem Image wird er in diesen Tagen mehr als gerecht. Rücksicht auf Kritiker nimmt er eher nicht. Der Reformdruck gibt ihm Rückenwind. Vom Kabinett heute abgesegnet Teil zwei der Vorschläge aus der Hartz Komission. Drei und vier werden folgen. Bis zum Jahresende soll alles in Kraft treten und den Arbeitsmarkt in Bewegung bringen. Gesetzentwürfe heute zur Lockerung des Kündigungsschutzes: Kleinbetriebe mit maximal fünf Mitarbeitern dürfen künftig auch befristete Verträge abschließen. Dieses Gesetz wird 2008 auf seine Wirksamkeit geprüft. Gegen den Protest der Gewerkschaften wird auch die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld gekürzt. Bis 55 Jahre wird nur noch zwölf Monate gezahlt. Ältere bekommen das Arbeitslosengeld maximal 18 Monate lang. Auch die Debatte über Feiertage hat Clement bewusst angestoßen: zu viel Urlaub, zu viel Feiertage, zu wenig Lebensarbeitszeit. Die Diskussion müsse geführt werden in Deutschland, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu verbessern. In Berlin und Brandenburg wird weiter gestreikt für eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit. Falscher Konflikt am falschen Ort, kritisiert der Wirtschaftsminister. Sein Denkanstoß mit den Feiertagen verärgert die IG-Metall. Jürgen Peters, Vorsitzender IG-Metall: "Es fällt schwer, tatsächlich noch eine ernstzunehmende Diskussion auf der Basis weiterzuführen. Wir müssen sehen, wir haben im Augenblick zu wenig Beschäftigung und wir sagen, wenn wir das nicht durch Wachstum ausgleichen können, was an Beschäftigung fehlt, dann müssen wir wenigstens die Beschäftigung, die da ist, auf mehr Schultern verlagern." Scharfer Protest auch von den Kirchen. Kardinal Lehmann sagte einer Zeitung, Feiertage seien zu wichtig, um je nach Kassenlage darüber zu verfügen. Manfred Kock, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland:"Ich teile die Auffassung von Kardinal Lehmann der katholischen Kirche. Ich glaube nicht, dass das Opfern von Feiertagen einer wirtschaftlichen Überlegung hintangestellt werden muss. Es gibt andere Möglichkeiten mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten umzugehen als die Abschaffung von Feiertagen." Der so gescholtene Minister nimmt die Kritik gelassen: Das sind die gleichen Rituale wie vor 25 Jahren, sein knapper Kommentar. Und über den liturgischen Sinn von Pfingstmontag würde der Katholik aus dem Ruhrpott gerne diskutieren. Ulrich Wickert sprach mit Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfang Clement, SPD, über die Arbeitsmarktreformen. Ulrich Wickert: "Guten Abend, Herr Clement." Wolfgang Clement: "Guten Abend, Herr Wickert." Ulrich Wickert: "Ihre Reform des Kündigungsschutzes geht nicht sehr weit, aber glauben sie, dass die Gewerkschaften jetzt den großen Widerstand gegen die Agenda 2010 aufgeben, damit es endlich voran geht?" Wolfgang Clement: "Mein Eindruck ist, dass wir in konstruktive Gespräche kommen. Mit einigen Gewerkschaftern und Gewerkschaften findet es ja schon statt, dass die Entwicklung im Gang ist. Sie ist auch notwendig und richtig und ich begrüße das sehr. Wir machen den Kündigungsschutz da flexibler, wo er sich als Beschäftigungshemmnis möglicherweise entwickelt hat. Wir werden sehen, welche Wirkung das hat." Ulrich Wickert: "Wenn Sie mit fünf Million Arbeitslosen im kommenden Winter rechnen, ist es dann klug das Wiedereingliederungsprogramm für Arbeitslose aus der heutigen Kabinettsinitiative auszuklammern?" Wolfgang Clement: "Also, Herr Wickert, wir rechnen nicht mit fünf Millionen Arbeitslosen im Januar, Februar, sondern mit weniger. Ich hoffe, dass sich die Entwicklung in Gang setzt. Natürlich noch nicht so schnell, aber sie wird kommen. Heute haben wir nur eine Entscheidung über ein Sonderprogramm zurückgestellt, das wir fahren wollen - schon im Vorgriff auf die Regelungen, die ab 1. Januar 2004 gelten werden im Jobcenter, wenn Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammengelegt werden. Das haben wir aufgeschoben um eine Woche, weil wir noch Finanzierungsfragen zu klären haben." Ulrich Wickert: "Sie sagen, sie wird kommen. Das heißt, es wird mehr Arbeitsplätze geben. Was veranlasst Sie zu diesem Optimismus?" Wolfgang Clement: "Ich gehe davon aus, dass wir schon in der zweiten Jahreshälfte, erst Recht im nächsten Jahr, eine wirtschaftliche Erholung erleben werden, die sich dann auch langsam aber sicher am Arbeitsmarkt bemerkbar macht. Noch nicht so ganz gravierend, aber dann geht die Lokomotive in Gang. Eingebrütet die Beschäftigungsmaßnahmen, die wir aus den Hartz-Vorschlägen entwickelt haben, Minijobs und Leiharbeit und kleingewerbliche Tätigkeiten wirken sich heute schon aus. Wir rechnen immerhin mit 200.000 Arbeitslosen, die sich selbständig machen werden, 100.000 haben dies in diesem Jahr bereits getan." Ulrich Wickert: "Stimmt es eigentlich, dass die Abschaffung von Feiertagen die Wirtschaft ankurbelt?" Wolfgang Clement: "Ja, selbstverständlich. Eine Abschaffung von Feiertagen würde bedeuten, dass die Arbeitskosten heruntergehen. Die Kosten der Arbeit in Deutschland sind zu hoch. Deshalb reden wir ja beispielsweise über die Lohnnebenkosten, dass wir sie senken müssen, weil sie den Faktor Arbeit belasten auch aus demographischen Gründen und so ist das bei den Feiertagen auch. Aber bei meinem Vorschlag, der ja offensichtlich doch einige Erregung verursacht, geht es mir einfach um den Hinweis, wir leben in Deutschland auf höchstem Niveau. Wir diskutieren auf aller höchstem Niveau, mit höchster Freizeit. Wir haben, wenn ich Urlaub nehme, wenn ich die Arbeitszeit nehme, wenn ich dazu die Feiertagsregelung nehme nun mal in der Welt eine Spitzenstellung und wir müssen uns fragen, ob wir so weitermachen können oder, ob wir die Kräfte ein bisschen konzentrieren. Selbstverständlich würde eine Abschaffung eines Feiertages bedeuten, dass die Kosten des Faktors Arbeit entlastet werden und dass ist im internationalen Wettbewerb nicht zu verachten." Ulrich Wickert: "Aber ist das Problem in Deutschland nicht, dass zu wenig gekauft wird als dass zu wenig gearbeitet wird?" Wolfgang Clement: "Wir haben mehrere Probleme. Natürlich, die Nachfrage muss besser werden. Deshalb diskutieren wir ja auch beispielsweise ein Vorziehen der Steuerreform, die ja bedeutet, dass der Eingangssteuersatz auf 15 Prozent heruntergehen würde, der Niedrigste, den wir je gehabt hätten. Deshalb machen wir dies und wir müssen gleichzeitig die Kosten der Arbeit in den Griff bekommen dann wird mehr investiert. Das heißt, Steuern runter und Abgaben runter, beispielsweise bedeuten auch Senkungen der Belastungen für die Unternehmen mehr Investitionen. Also sie müssen an mehreren Punkten ansetzen. Die Einseitigkeiten, die es jetzt gelegentlich in unseren Diskussionen gibt, die helfen da nicht weiter." Ulrich Wickert: "Offensichtlich haben sie den Kalender des nächsten Jahres selber geschrieben, denn da gibt es den 1. Mai am Samstag, den 3. Oktober am Sonntag und Weihnachten am Wochenende, finde ich gemein. Wollen Sie in Wirklichkeit nicht als Tabubrecher springen und als Reformer landen?" Wolfgang Clement: "Als Reformer landen wir auf jeden Fall und wir sind mitten in den Reformen und wir werden auch Erfolg haben damit. Aber es ist auch notwendig, dass wir Tabus brechen. Wir brauchen einen Sozialitätswandel. Wir müssen uns schon klar werden über die Bedeutung der Arbeit und über die Bedeutung dieses Faktors im internationalen Wettbewerb und das steht alles auf dem Prüfstand. Alles ist im internationalen Wettbewerb: unser Steuersystem, unser Abgabensystem und auch solche Regelungen, wie die Freizeit, die Urlaubsregelungen und anderes. Das gehört alles mit zum Wettbewerb. Wir müssen uns eigentlich an jeder Stelle fragen: Halten wir das durch? Wir sind auf höchstem Niveau, wir sind am Besten so lange, so gut gefahren unter allen Volkswirtschaften, aber jetzt ist bei uns der Druck etwas ändern zu müssen auch ein bisschen größer als bei anderen." Ulrich Wickert: "Vielen Dank, Herr Clement." Wolfgang Clement: "Ich danke Ihnen, Herr Wickert."

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tagesthemen, 22:30 Uhr, tagesthemen, 18.06.2003 22:30 Uhr