Video

Der ''gläserne Abgeordnete'' soll kommen

Stand: 11.04.2008 10:28 Uhr

SPD und Grüne wollen noch vor den Bundestagswahl die Geschäftsordnung des Bundestages verschärfen. Danach sollen die Parlamentarier auch öffentlich machen, ob sie während ihres Mandats etwa durch Beraterverträge gebunden sind oder andere Beziehungen zu Unternehmen bestehen. Die Opposition begrüßt eine größere Transparenz, warnt allerdings vor Schnellschüssen. Und auch die PDS hat nun ihren Skandal: Gregor Gysi hat beruflich gesammelte Flugmeilen privat genutzt. Rainald Becker berichtet: Jetzt auch auch Karl-Liebknechts politischer Enkel seine Unschuld verloren. Ausgerechnet dem PDS-Vorzeigemann Gysi ist heute eingefallen, dass auch er dienstliche Bonus-Meilen privat genutzt hat. Seine junge Truppe wird den Sündenfall sicherlich verkraften. Für die PDS ist der Fall schon erledigt. Dietmar Bartsch, PDS-Bundesgeschäftsführer: "Gregor Gysi hat selbst gesagt, dass teilen wir, dass das ein Fehler war. Gregor Gysi will diesen Fehler schnellstmöglich ausräumen, hat den entsprechenden Betrag an Amnesty International gespendet." Es war ein vermeidbarer Fehler. Denn seit 1990 bis Anfang des Jahres war Berlins Wirtschaftssenator Bundestagsabgeordneter. Die meiste Zeit Fraktionschef. Ihn müssen also zwei Schreiben des Bundestagspräsidenten und ein Beschluss des Ältestenrates bekannt gewesen sein, wonach dienstlich erworbene Bonus-Meilen dienstlich abgeflogen werden müssen. Und Gysis Argument, der Bonus wäre verfallen, zieht nicht. Ein Blick in die Regeln zeigt, mit einer Senator-Card erworbene Meilen verfallen nicht. Noch ohne Kenntnis des Falles Gysi diskutierten am Morgen die Parteien das geplante Gesetz zur Veröffentlichung der Nebentätigkeiten. Die Rot-Grüne-Bundesregierung möchte noch vor der Wahl tätig werden. Franz Müntefering, SPD-Generalsekretär: "Wir wollen, dass hier eine größere Transparenz entsteht, überall dort wo es Betroffenheit und Befangenheit geben könnte, müssen Abgeordnete das nicht nur dem Präsidenten mitteilen, sondern auch einverstanden sein und veranlassen, dass das Ganze im Handbuch des deutschen Bundestages öffentlich wird." Fritz Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen-Vorsitzender: "Was gläsern sein muss, was durchschaubar sein muss, was transparent sein muss sind die Beziehungen, die der Abgeordnete aus beruflichen Tätigkeiten aus Nebenverträgen und aus Beratertätigkeiten hat." Bei der Opposition will man keinen Rot-Grünen Schnellschuss, dass machte der Unions-Kanzlerkandidat auf Wahlkampf-Tour im Harz klar. Edmund Stoiber, CDU/CSU-Kanzlerkandidat: "Wir bremsen ja wirklich nicht. Aber jeder Bundestag gibt sich ja für seine Legislaturperiode auch eine derartige Geschäftsordnung und ich glaube, dass man das jetzt in Ruhe diskutieren muss." Auch bei den Liberalen bremst angeblich niemand. Aber das Thema weitgehende Transparenz sieht man skeptisch. Guido Westerwelle, FDP-Vorsitzender: "Eines sehe ich als Gefahr. Wenn hier zwei, vielleicht auch mehr, sich falsch verhalten haben, kann das nicht zu einer Entwicklung im System führen, dass künftig kein Selbstständiger, kein Freiberufler, kein mittelständischer Unternehmer sich mehr für ein Mandat zur Verfügung stellt." Ob es schärfere Verhaltensregeln noch vor der Wahl gibt scheint fraglich. Aber vielleicht wächst der Handlungsdruck sollten noch mehr Volksvertreter privat und dienstlich verwechselt haben.

Sendungsbild der tagesthemen
Player: videoDer ''gläserne Abgeordnete'' soll kommen
tagesthemen, 22:30 Uhr, tagesthemen, 29.07.2002 22:30 Uhr