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FDP-Streit

Stand: 12.03.2008 11:14 Uhr

Der Konflikt zwischen dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der FDP droht zu eskalieren. Der Zentralratspräsident Paul Spiegel und sein Vizevertreter Michel Friedman forderten am Donnerstag, die Aufnahme des früheren Grünen-Mitglieds Jamal Karsli rückgängig zu machen. Karsli, der gestern offiziell als Parteimitglied aufgenommen wurde, war mit offen antisemitischen Äußerungen aufgefallen. Hildegard Hamm-Brücher (FDP) kündigte ihren Austritt aus der Partei aus, wenn Karsli nicht ausgeschlossen wird. Ulrich Wickert sprach mit dem Landeschef von NRW, Jürgen Möllemann (FDP). Ein lange geplanter Termin. Der Bundespräsident besuchte Paul Spiegel beim Zentralrat der Juden, er wollte ein Zeichen der Verbundenheit setzen. Und er stärkte Paul Spiegel den Rücken in dessen Streit mit der FDP. Johannes Rau, Bundespräsident: ''Ich bin überzeugt davon, dass in allen demokratischen Parteien die Grundüberzeugung gilt, dass es keinen Antisemitismus, keinen Rassismus geben darf. Und ich bin dankbar dafür, dass das in den letzten Tagen immer wieder deutlich gesagt worden ist. Es muss nur zur Übereinstimmung von Worten und Taten kommen.'' Genau das vermisst Spiegel bei der FDP. Gestern Abend beim Empfang des Zentralrates war es beinahe zum Eklat gekommen. Spiegel kritisierte die israel-kritischen Äusserungen Jürgen Möllemanns und dass dieser den Ex-Grünen Karsli in die FDP geholt hatte. Paul Spiegel, Präsident Zentralrat der Juden: ''Diese Partei, meine Damen und Herren, sollte ganz schnell Entscheidungen fällen, die sie davor bewahrt, auch nur den Anschein zu erwecken, sie biete Platz für antisemitische Einstellungen.'' Gleich heute Früh traf sich die FDP-Spitze mit dem Zentralrat. Auch das ein lange geplanter Termin. Missverständnisse seien ausgeräumt , hiess es danach. Aber, so Parteichef Westerwelle: Guido Westerwelle, FDP-Vorsitzender: ''Unterm Strich ist es wichtig festzuhalten, dass die FDP selbstverständlich bei ihrer Nahost-Politik bleibt, dass wir als Freie Demokraten auch künftig die Militärpolitik der israelischen Regierung kritisieren werden, und ich denke, es ist aus der Welt, dass das irgendetwas mit Antisemitismus zu tun hat.'' Vor drei Wochen hatte Jürgen Möllemann Jamal Karsli in die Düsseldorfer Landtagsfraktion aufgenommen und er steht auch heute noch hinter Karsli. Gestern Abend schuf die Recklinghauser FDP weitere Fakten. Sie nahm Karsli als Mitglied auf, Protest in Berlin: Michel Friedmann, Zentralrat der Juden in Deutschland: ''Wir fordern Guido Westerwelle auf, sich deutlich davon zu distanzieren und dafür zu sorgen, dass Karsli nicht merh Mitglied der FDP sein kann.'' In einem Brief nimmt Karsli heute seine Äusserungen, zum Beispiel über die Medienmacht der zionistischen Lobby oder die Nazi-Methoden Israels nicht zurück, beteuert aber, er sei nicht antisemitisch. Auch in der FDP gibt es nun heftigen Widerstand. Viele glauben nicht an eine Läuterung. Sabine Leutheuser-Schnarrenberger, FDP-Präsidium: ''Ich glaube, dass diese Äußerungen von Herrn Karsli nicht einfach weggewischt werden können, denn es waren Interviews, es waren bewusst von ihm gemachte Bewertungen, die er abgegeben hat, und daran muss er sich auch heute messen lassen.'' Entsetzt über Karslis Aufnahme sind auch andere promiente FDP-Mitglieder, Graf Lambsdorff zum Beispiel oder die Alt-Liberale Hildegard Hamm-Brücher. Sie will austreten, wenn Karsli bleibt.   Um zu verstehen was in der FDP geschieht lohnt sich ein Blick in die Geschichte der Partei. Nach dem Krieg versuchten einige die FDP zu einer Deutschnationalen Sammelpartei rechts von der Union zu machen. Der Versuch scheiterte weil rechts von CDU/CSU nicht viel zu hohlen war. Die Zeiten haben sich geändert aber vielleicht vermutet der Nordrhein-Westfälische FDP-Landeschef Jürgen Möllemann es gäbe ein Wählerpotential, dass ähnlich wie das FDP Neumitglied Karsli die Welt von einer Zionistischen Lobby bedroht sieht. Geht es also nur um Stimmenfang? Das Fragen wir Jürgen Möllemann in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.   Ulrich Wickert: "Guten Abend Herr Möllemann." Jürgen Möllemann, FDP-Landeschef Nordrhein Westfalen: "Guten Abend" Ulrich Wickert: "War die Aufnahme Karslis in die FDP wert, der jetzt entbrannt ist?" Jürgen Möllemann, FDP-Landeschef Nordrhein Westfalen:  "Ich wünsche mir diesen Streit nicht, denn der Kreisverband Recklinghausen hat nach einem langem Gespräch mit Herrn Karsli in der vergangenen Woche sich gestern entschieden ihn mit einer zwei drittel Mehrheit ihn aufzunehmen. Und ich nehme als Landesvorsitzender zur Kenntnis, dass nach unseren Statuten jetzt die Aufnahme erfolgt ist." Ulrich Wickert: "Nun hat der Präsident des Zentralrats der Juden gesagt Herr Karsli sei eindeutig ein Antisemit, haben sie eine andere Diffinition von Antisemitismus?" Jürgen Möllemann, FDP-Landeschef Nordrhein Westfalen:  "Nein ich habe keine andere Diffinition vermute ich als Paul Spiegel. Aber im Unterschied zu Paul Spiegel kenne ich Herrn Karsli, und man sollte über Leute die man nicht den Stab nicht brechen. Herr Karsli ist selbst Semit er ist für die Versöhnung von Juden und Arabern, setzt sich für eine Friedliche Entwicklung ein. Er behält sich allerdings vor die Politik Ariel Scharons zu kritisieren. Von der er meint und von der ich meine, dass sie friedensgefährdend ist." Ulrich Wickert: "Ja gut aber er hat auch andere Sprüche gemacht, wo man sich fragen muss, ob das wirklich so friedliche Sprüche sind." Jürgen Möllemann, FDP-Landeschef Nordrhein Westfalen:  "Er hat in einem Interview oder zwei Interviews gesagt, als er Abgeordneter bei den Grünen war, Bemerkungen gemacht, die ich für missraten halte, und ich habe ihn gebeteten in einem intensiven Gespräch, ihm das auch erläutert, dass öffentlich klarzustellen und das auch öffentlich für diese missratenen Bemerkungen zu entschuldigen, dass hat er jetzt dreimal getan. Ich denke unter normalen Menschen muss man jedem zubilligen, der einen Fehler gemacht hat, den auch ausräumen zu können und sich auch zu bessern." Ulrich Wickert: "Nun spaltet das die Partei honorige Mitglieder wie Frau Hamm-Brücher wollen nun aus der FDP austreten." Jürgen Möllemann, FDP-Landeschef Nordrhein Westfalen:  "Ich hoffe nicht das dass geschieht. Ich glaube auch das Frau Hamm-Brücher und Otto Graf Lambsdorff oder auch Klaus Kinkel, die diese Entscheidung der Kreisverbandes Recklinghausens kritisiert haben, das nicht übergewichten sollten, im übrigen sind sie wie ich auch an die Statuten gehalten. Und nicht in diesem Fall allein sondern in vielen Fällen wird man feststellen, dass mancher Parteifreund manche Parteifreundin nicht in allen Punkten die Meinung teilt. Herr Karsli hat den Bundesparteitagesbeschluss zur Nahost-Politik, der ausdrücklich sagt, wir wollen das Lebensrecht Israels aber wir wollen auch einen eigenständigen palästinensischen Staat, mit unterschrieben, unterstütz ihn und er ist genauso wie ich, nun entsetzt, das nun vor zwei Tagen die Partei von Ariel Scharon beschlossen hat keinen Palästinenser Staat zu akzeptieren. Ich hätte die Bitte an Paul Spiegel, das er sich nicht nur mit Jamal Karsli beschäftigt, sondern vielleicht in aller Deutlichkeit einmal sagt, das diese Beschlussfassung des Likud den Nahen Osten in ein Flammenmeer verwandeln kann." Ulrich Wickert: "In der Geschichte der FDP war gerade der Landesverband Nordrhein Westfalen derjenige der Rechtsaußen integriert hat, wollen sie da anknüpfen und Wählerstimmen einfangen?" Jürgen Möllemann, FDP-Landeschef Nordrhein Westfalen:  "Ja, die Formulierung Rechtaußen interagieren und Wählerstimmen einfangen, lässt ja eine gewisse interpretationsbreite zu. Was wir wollen ist in der Tat. Für die Gedanken des Liberalismussees solche Leute zu gewinnen, die möglicherweise in ihrer Jugend oder auch jetzt noch dem skeptisch gegenüber stehen. Wir wollen ja nicht das sich falsches Denken zementiert. Ich möchte auch, von den drei Millionen Moslems, die in Deutschland leben, diejenigen, die sich mit liberalen Gedanken anfreunden können möglichst viele für die FDP gewinnen. Wir reden über Integration über Teilhabe das kann ja nur so gehen, dass sich alle Parteien auch bemühen, Immigranten, die bei uns sind für demokratische Prozesse zu gewinnen." Ulrich Wickert: "Vielen Dank Herr Möllemann"

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tagesthemen, 22:35 Uhr, tagesthemen, 16.05.2002 22:35 Uhr