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Letzter Auftritt vor dem Bundestag

Stand: 10.04.2008 17:21 Uhr

Der ehemalige Fraktionschef der PDS, Gregor Gysi, hat sich mit einer Rede zum Stand der deutschen Einheit aus dem Bundestag verabschiedet. Er wird in Zukunft als Wirtschaftsminister in Berlin tätig sein. Mit seinen frechen Reden hatte Gysi im Bundestag für viel Aufsehen erregt, auch seine politischen Feinde bescheinigen ihm ein außerordentliches Redetalent. So werden einige Abgeordnete im Bundestag aufatmen, dass Gysi zumindest vorläufig die Bundestagsbühne verlässt. Bei seiner letzen Rede im Bundestag wurde Gregor Gysi prompt unterbrochen: Gregor Gysi, Wirtschaftssenator Berlin, PDS: "Vielleicht hat dass, ..." Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, SPD: "Gregor Gysi, ihre Redezeit ist deutlich überschritten." Gregor Gysi, Wirtschaftssenator Berlin, PDS: "Hab ich Herr Präsident." Wie oft hat Gregor Gysi diese Mahnung in den letzen 11,5 Jahren wohl gehört? Heute jedenfalls das letzte Mal als Bundestagsabgeordneter der PDS. Vom Opponenten zum Regenten. Anreise zu letzen Vorstellung schon standesgemäß als Wirtschaftssenator mit Personenschutz und einer Träne im Knopfloch. Gregor Gysi, Wirtschaftssenator Berlin, PDS: "Ja, es ist vielleicht noch zu früh, damit ich wirklich Gefühle entwickle, aber schon ein bisschen beklommen. Es ist ja immer so, wenn ein Lebensabschnitt zu Ende geht, dann mischen sich Vorfreude, Ängste, aber natürlich auch ein bisschen Wehmut." Drinnen auf der parlamentarischen Bühne noch einmal sein Stück: Stand der deutschen Einheit. Die Debatte schleppt sich, die Pressetribüne ist leer, am Publikum Ost-Deutsche Polit-Prominenz unter sich – schon im Wahlkampffieber. Rolf Schwanitz, Staatsminister im Bundeskanzleramt, SPD: "Ich hab hier noch einmal was mitgebracht, aus dem Jahr 1999: ‚Bayern droht: Kein Geld mehr für den Osten.‘, meine Damen und Herren." Günther Nooke, Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: "Diese Bundesregierung kann sich drehen und wenden wie sie will, unter ihrer Verantwortung ist der ‚Aufbau Ost‘ zum ‚Abschwung Ost‘ verkommen." Cornelia Pieper, FDP-Generalsekretärin: "Sie haben das hier so dargestellt, als ob im Osten Deutschlands alles in Butter wäre. Ich glaube sie haben jeglichen Realitätssinn verloren." Gregor Gysi sitzt eigentlich schon auf gepackten Koffern, studiert den Pressespiegel des Berliner Senats, wirkt leicht gelangweilt vom bundespolitischen Tagestheater. Dann Auftritt, Gregor Gysi und seine Sicht auf die Deutsche Einheit. Gregor Gysi, Wirtschaftssenator Berlin, PDS: "Ich gehörte eher zu den Skeptikern, was allerdings auch einen Vorzug hatte: Ich konnte nicht so leicht enttäuscht werden." Aber ganz gegen seine Art wird Gysi diesmal weniger polemisieren sondern philosophieren über die Annäherung von Ost- und Westdeutschen untereinander. Gregor Gysi, Wirtschaftssenator Berlin, PDS: "Ich denke, dass diese Art von Fremdheit Zeit braucht, bis sie überwunden ist. Bis man also auch emotional eine Beziehung zur Region entwickelt, die man bis dahin nicht erlebt hat, wo man auch – sag ich mal - die Art der Lebensweise nicht kannte, die einem zunächst erst mal fremd vorkam." Blumen von den Genossen. Zurück bleibt eine PDS-Fraktion ohne Hauptdarsteller. Und mancher Gegner ist froh, dass Gysi endlich weg ist. Petra Pau, Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der PDS: "Elf Jahre, vorerst Gruppenvorsitzender, dann Fraktionsvorsitzender, und selbst nicht mehr in dieser Funktion hat er natürlich die Debatten des Hauses einerseits geprägt, aber auch die Meinungsfindung in der Fraktion. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass alleine hinzubekommen." Werner Schulze, B90/Grüne-Fraktion: "Die Zeit der Talk-Show ist jetzt vorbei. Jetzt geht’s nicht mehr um Biolek und Kerner, sondern um Kernarbeit." Handschlag zum Abschied vom Grünen Vizekanzler. Dann ist die Ära des Gregor Gysi im Bundestag beendet.

Sendungsbild der tagesthemen
tagesthemen, 22:40 Uhr, tagesthemen, 31.01.2002 22:40 Uhr