Josep Borrell und Najib Mikati bei einem Treffen in Beirut
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Nahost-Krieg ++ Borrell mahnt zur Deeskalation ++

Stand: 06.01.2024 23:28 Uhr

Bei einem Besuch im Libanon hat der EU-Außenbeauftragte Borrell die Notwendigkeit betont, den Nahost-Konflikt nicht eskalieren zu lassen. US-Außenminister Blinken hat mit dem türkischen Präsidenten Erdogan gesprochen. Die Entwicklungen vom Samstag zum Nachlesen.

06.01.2024 • 23:28 Uhr

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Israels Armee hat ein Bild veröffentlicht, das den Chef des bewaffneten Arms der Terrororganisation Hamas, Mohammed Deif, zeigen soll. es zeigt einen grauhaarigen, bärtigen Mann zu sehen, der in der linken Hand mehrere Geldscheine und in der rechten Hand einen Plastikbecher mit einer Flüssigkeit hält.

Bis zu Beginn des Gaza-Kriegs vor drei Monaten verfügte Israel nur über sehr alte Fotos von dem Mann, der als einer der zentralen Drahtzieher des Terrorangriffs auf Israel vom 7. Oktober gilt. Bereits im Dezember war ein neueres Bild von Deif aufgetaucht, der jahrelang als Phantom beschrieben wurde und bereits zahlreiche Tötungsversuche Israels überlebt hat.

Die französische Außenministerin Catherine Colonna hat die iranische Regierung aufgefordert, "destabilisierende Handlungen" zu unterlassen, die zu einer weiteren Eskalation des Nahost-Konflikts führen könnten. "Das Risiko eines regionalen Flächenbrands war noch nie so groß; der Iran und seine Verbündeten müssen ihre destabilisierenden Handlungen sofort einstellen", schrieb Colonna nach einem Telefonat mit dem iranischen Außenminister Hossein Amir-Abdollahian im Kurzbotschaftendienst X. "Niemand würde durch eine Eskalation gewinnen."

Der Aufruf erfolgte, nachdem dieeng mit dem Iran verbundene Hisbollah im Libanon erklärt hatte, sie habe in einer "ersten Reaktion" auf die Tötung des Hamas-Vizechefs Saleh al-Aruri in Beirut israelisches Gebiet mit 62 Raketen beschossen.

Die israelische Armee hat eine vorläufige Bilanz des Militäreinsatzes im Norden des Gazastreifens gezogen. Das "militärische Gerüst" der Hamas dort sei zerstört worden, sagte Admiral Daniel Hagari. Es seien etwa 8.000 Militante getötet und Zehntausende Waffen beschlagnahmt worden.

Der Schwerpunkt des Einsatzes werde sich nun gegen die Hamas im Zentrum und im Süden des Küstenstreifens richten.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

In Tel Aviv und Haifa haben Tausende Menschen gegen Ministerpräsident Benjamin Netanyahu demonstriert. Die Demonstranten forderten eine Absetzung Netanyahus und Neuwahlen. "Wir werden nicht aufgeben" und "Regierung des Bösen", skandierten Menschen in Tel Aviv, während sie durch die Innenstadt marschierten.

Auch Angehörige von Opfern des 7. Oktober sowie Israelis nahmen teil, die wegen der Kämpfe ihre Wohnorte im Grenzgebiet zum Gazastreifen und zum Libanon verlassen mussten. Ein Einwohner von Kiriat Schmona an der Grenze zum Libanon warf Netanyahu nach Angaben der Zeitung "Haaretz" vor, er habe keine Verantwortung dafür übernommen, dass das Massaker am 7. Oktober passieren konnte.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat bei einem Besuch im Libanon angesichts der angespannten Lage an der Grenze mit Israel vor dem Hintergrund des Kriegs in Gaza die Notwendigkeit einer Deeskalation angemahnt. Mit dem geschäftsführenden libanesischen Premierminister Nadschib Mikati habe er vereinbart, diplomatisch auf eine Deeskalation und langfristige Stabilität hinzuarbeiten, schrieb Borrell nach dem Treffen auf der Plattform X (früher Twitter). Es müsse eine politische Lösung geben, mahnte er in einem anderen Post.

Der Libanon sollte nach Ansicht des EU-Außenbeaufragten Josep Borrell nicht in den Nahostkonflikt hineingezogen werden. Niemand ginge aus einem Konflikt in der Region als Sieger hervor, sagt Borrell bei einem Besuch im Libanon. Der zunehmende Beschuss über die Grenze zwischen Israel und dem Libanon sei besorgniserregend.

US-Außenminister Antony Blinken hat sich mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu Gesprächen über den Nahost-Krieg getroffen. Zuvor war Blinken bereits mit seinem Amtskollegen, dem türkische Außenminister Hakan Fidan, in Istanbul zusammengekommen. Dabei war auch die humanitäre Krise im Gazastreifen Thema, wie Fidan mitteilte. Das Gespräch habe rund zwei Stunden gedauert.

Blinken war am Freitagabend zum Auftakt seiner Nahost-Reise in der Türkei gelandet.

Im Gazastreifen sind nach Angaben der dortigen Gesundheitsbehörde seit Beginn des Krieges mindestens 22.722 Menschen bei israelischen Angriffen getötet worden. Fast 58.200 weitere Menschen seien verletzt worden. Allein in den vergangenen 24 Stunden kamen der Behörde zufolge 122 Menschen ums Leben, 256 wurden verletzt.

Die iranischen Revolutionsgarden haben angesichts der verstärkten Marinepräsenz westlicher Staaten im Roten Meer gedroht, ihre Feinde nah und fern zu erreichen. "Heute stehen wir vor einem umfassenden Kampf mit dem Feind", sagte der Kommandeur der Revolutionsgarden, Hossein Salami, in Bandar Abbas. In der Hafenstadt am Persischen Golf nahm die iranische Marine mit der "Abu Mahdi" ein neues Kriegsschiff in Betrieb und enthüllte 100 Raketenwerfer.

Salami präzisierte zwar nicht, wen er mit dem Feind meinte. Jedoch haben die USA eine Koalition mit 22 Staaten geschmiedet, die die Handelsschifffahrt durch das Rote Meer vor Angriffen der Huthi-Rebellen im Jemen schützen sollen. Diese werden nach westlichen Erkenntnissen vom Iran unterstützt und haben sich solidarisch mit der Hamas im Gazastreifen erklärt. Wiederholt haben die Huthi-Rebellen Frachter im Roten Meer angegriffen, die nach ihrer Darstellung in Verbindung mit Israel stehen.

US-Außenminister Antony Blinken ist vor seiner erneuten Reise in mehrere Länder des Nahen Ostens für Gespräche in der Türkei eingetroffen. Das Land spiele eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung regionaler Sicherheitsfragen, einschließlich der Verhinderung einer Ausweitung des Konflikts in Gaza, teilte ein Sprecher des US-Außenministeriums nach Blinkens Ankunft in Istanbul auf der Plattform X, ehemals Twitter, mit. In Istanbul sind heute Treffen mit dem türkischen Außenminister Hakan Fidan und Präsident Recep Tayyip Erdogan geplant.

Nach der Tötung von Hamas-Vizechef Saleh al-Aruri im Libanon hat die pro-iranische Hisbollah nach eigenen Angaben mehr als 60 Raketen auf einen israelischen Militärstützpunkt abgefeuert. "Als Teil der ersten Reaktion auf das Verbrechen der Ermordung" von al-Aruri habe die Hisbollah den Luftwaffenstützpunkt Meron mit 62 Raketen beschossen, erklärte die mit der Hamas verbündete Miliz.

Das israelische Militär erklärte, es habe rund 40 Raketenabschüsse von libanesischem Territorium aus in Richtung des Gebietes um den Berg und das Dorf Meron identifiziert. Einen Stützpunkt erwähnte die Armee nicht. Israelische Streitkräfte hätten kurz darauf eine für einige Raketenstarts verantwortliche Zelle getroffen, erklärte die Armee. In Städten und Dörfern in Nordisrael ertönte Luftalarm, später auch in den von Israel besetzten Golanhöhen.

Israel hat seine Angriffe auf Ziele im Gazastreifen fortgesetzt. Die Nachrichtenagentur AFP berichtete von Angriffen auf Rafah in den frühen Morgenstunden. In der Stadt haben Hunderttausende Zuflucht vor den Kämpfen zwischen Israel und der islamistischen Hamas gesucht. Israels Armeesprecher Daniel Hagari sagte am späten Freitagabend, die Truppen würden weiterhin "in allen Teilen des Gazastreifens kämpfen, im Norden, Zentrum und Süden". 

Nach Angaben der Armee bombardierte ein Kampfjet in der Nacht das Gebiet von Bureidsch im Zentrum des Gazastreifens. Dabei sei eine bewaffnete Terrorzelle getötet worden. Zuvor habe es einen versuchten Angriff auf einen israelischen Panzer gegeben. In der Stadt Chan Yunis seien mehrere palästinensische Kämpfer getötet worden, hieß es weiter. Im Norden des Gazastreifens hätten Soldaten zudem Tunnel unter dem Blue Beach Hotel aufgespürt. Diese seien von Terroristen als Unterschlupf genutzt worden, um Anschläge zu planen und auszuführen, erklärte die Armee weiter.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Karte Gazastreifen mit Al-Mawasi, schraffiert: von der israelischen Armee kontrollierte Gebiete

Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen. Schraffur: Israelische Armee

Seit dem Beginn des Krieges zwischen Israel und der radikal-islamistischen Hamas im Gazastreifen hat es Aktivisten zufolge im Westjordanland eine beispiellose Zunahme israelischer Siedlungen gegeben. Laut einem Bericht der israelischen Nichtregierungsorganisation Peace Now wurden seit dem 7. Oktober neun sogenannte Außenposten in dem Palästinensergebiet errichtet. Daneben habe Peace Now auch einen Höchststand von "18 neuen gepflasterten oder von Siedlern autorisierten Straßen" gezählt. 

Im seit 1967 von Israel besetzten Westjordanland leben neben etwa drei Millionen Palästinensern auch etwa 490.000 Israelis in Siedlungen, die von den UN als völkerrechtswidrig eingestuft werden, von Israel aber anerkannt werden. Die Siedlungen widersprechen internationalem Recht.

In dem von Peace Now am Donnerstag veröffentlichten Bericht heißt es zudem, einige Siedler versuchten zunehmend, die Palästinenser "zu marginalisieren". "Die drei Kriegsmonate in Gaza werden von Siedlern instrumentalisiert, um am Boden Fakten zu schaffen und so die Kontrolle über weite Gebiete in Bereich C zu übernehmen", erklärte Peace Now. Dabei handelt es sich um Gebiete im Westjordanland, die unter ziviler und militärischer Kontrolle Israels stehen und in denen sich die Siedlungen konzentrieren.

Während Hilfsorganisationen im Gazastreifen von einer drohenden Hungersnot sprechen, stellt Israels Armee die Situation anders dar. "Nach unserer Einschätzung, die auf unseren Gesprächen mit den UN- und anderen humanitären Organisationen beruht, gibt es im Gazastreifen hinlänglich Nahrungsmittel", sagte Elad Goren von der zuständigen Cogat-Behörde. "Wir sehen auch einen verbesserten Zugang zu Wasser und Nahrung". Damit aber mehr Hilfe in das von Israel abgeriegelte Küstengebiet gelangen könne, müssten die UN- und andere Hilfsorganisationen dringend ihre eigenen Kapazitäten zum Empfang und zur Verteilung der Hilfsgüter aufstocken.

Der Chef des UN-Nothilfebüros OCHA, Martin Griffiths, hatte am selben Tag die Situation in Gaza als dramatisch beschrieben. "Gaza ist zu einem Ort des Todes und der Verzweiflung geworden", sagte er. "Vor allem für Kinder waren die letzten zwölf Wochen traumatisch", so der UN-Nothilfekoordinator. "Kein Essen. Kein Wasser. Keine Schule. Nichts als die schrecklichen Geräusche des Krieges, Tag für Tag." Der Gazastreifen sei schlicht unbewohnbar geworden, erklärte Griffith.

Nach Angaben von Mitarbeitern der palästinensischen Gesundheitsbehörde sind bei einem israelischen Luftangriff auf ein Haus im Gazastreifen zehn Menschen getötet und mehrere verwundet worden. Vier weitere Menschen seien bei einem Luftangriff auf eine Straße getötet worden. Der Palästinensische Rote Halbmond meldete drei weitere Tote und sieben Verletzte nach israelischem Beschuss eines Hauses im Zentrum des Gazastreifens. Palästinensische Rettungskräfte berichteten über zwei weitere Tote und Verletzte bei erneuten israelischen Luftangriffen nach Einbruch der Dunkelheit. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben derzeit nicht.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Israel will im Gaza-Krieg einem Medienbericht zufolge internationalen Druck gegen Südafrikas Völkermord-Klage vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag aufbauen. Ziel sei es, eine einstweilige Verfügung des Gerichts zur sofortigen Kampfeinstellung abzuwenden, meldete das Nachrichtenportal "Axios" in der Nacht unter Berufung auf die Kopie eines Telegramms des israelischen Außenministeriums an seine Botschaften im Ausland. Darin würden die Botschaften angewiesen, örtliche Diplomaten und Politiker zu einer Erklärung gegen Südafrikas Klage zu bewegen. Kommende Woche sind Anhörungen zur Klage vor dem Gerichtshof geplant.

Das israelische Militär bereitet eine Untersuchung von Fehlern im Zusammenhang mit dem Großangriff der radikal-islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober vor. Die dabei von den Extremisten verübten Massaker und Entführungen lösten den jüngsten Gaza-Krieg aus. Militärsprecher Daniel Hagari sagte, das Militär sei noch damit beschäftigt, die Untersuchung zu planen. Diese werde jedoch die Befehlskette, die Entscheidungsfindung sowie frühere Verantwortliche in den Blick nehmen. Die Untersuchung ziele darauf ab, "die Armee zu verbessern", sagte er. Sie sei kein Ersatz für jegliche künftige Ermittlungen von außerhalb der Armee.

Die meisten Kleinkinder und Schwangeren im Gazastreifen können sich laut UNICEF nicht ausgewogen ernähren. Außenministerin Baerbock bricht am Sonntag zu einer Reise in den Nahen Osten auf. Die Entwicklungen vom Freitag zum Nachlesen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 06. Januar 2024 um 10:00 Uhr.