Palästinensische Kinder halten leere Behälter, während sie auf Lebensmittel warten.
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Krieg in Nahost ++ UN: Jedes zehnte Kleinkind in Gaza unterernährt ++

Stand: 09.02.2024 23:02 Uhr

Nach UN-Angaben ist nahezu jedes zehnte Kleinkind im Gazastreifen akut unterernährt. Aus dem Libanon wurden laut Israel 30 Raketen abgefeuert. Der Liveblog vom Freitag zum Nachlesen.

09.02.2024 • 23:02 Uhr

Ende des Liveblogs

Hiermit schließen wir den Liveblog für heute und danken für Ihr Interesse.

Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi hat bestritten, er habe erst nach Überzeugungsarbeit durch US-Präsident Joe Biden humanitäre Hilfslieferungen über den Grenzübergang Rafah in den Gazastreifen zugelassen. "Ägypten hat von Anfang an den Grenzübergang Rafah auf seiner Seite ohne irgendwelche Einschränkungen oder Bedingungen aufgemacht", teilte Al-Sisi mit.

Biden hatte am Donnerstag gesagt, er habe Al-Sisi davon überzeugt, den Grenzübergang zu öffnen. "Ich habe mit ihm gesprochen. Ich habe ihn dazu überredet, das Tor zu öffnen."

Im israelisch-libanesischen Grenzgebiet gibt es zwischen der schiitischen Hisbollah-Miliz und den israelischen Streitkräften wieder Gefechte. Nach Angaben des israelischen Militärs schoss die Hisbollah mehrere Raketen auf den Norden Israels ab. Menschen seien dabei nicht verletzt worden. Daraufhin sollen israelische Kampfjets unter anderem eine Militäranlage im südlibanesischen Marun al-Ras bombardiert haben.

Libanesische Sicherheitskreise in Beirut bestätigten, dass die Hisbollah sieben Angriffe auf israelische Stellungen im Norden Israels durchgeführt habe. Die Miliz gab darüber hinaus bekannt, dass sie Dutzende Raketen auf eine israelische Kaserne auf den Golanhöhen abgeschossen habe. Das von Israel besetzte Gebiet gehört zu Syrien. 

Nachdem Israels Ministerpräsident Netanyahu angekündigt hat, eine Evakuierung von Rafah vorzubereiten, warnt der UN-Sprecher Dujarric vor einer Massenvertreibung der Zivilisten. Mehr als die Hälfte der 2,3 Millionen Einwohner des Gazastreifens sind auf Anweisung des israelischen Militärs nach Rafah geflohen.

Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, wirft Israel vor, die Pläne für einen Angriff auf Rafah zielten darauf ab, die Palästinenser aus dem Gazastreifen zu vertreiben. Damit werde der Frieden in der Region und in der Welt bedroht. Seine Behörde rief den UN-Sicherheitsrat auf, die Entwicklung besonders aufmerksam zu verfolgen.

Das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) hat Israel vorgeworfen, ihm finanzielle Beschränkungen auferlegt zu haben. Dies habe verhindert, dass eine Lebensmittellieferung für 1,1 Millionen Palästinenserinnen und Palästinenser den Gazastreifen erreiche, sagte der Direktor der UN-Hilfsorganisation, Philippe Lazzarini. Ein Konvoi mit von der Türkei gespendeten Lebensmitteln hänge seit Wochen in der israelischen Hafenstadt Aschdod fest.

Die Organisation erklärte, ein israelischer Auftragnehmer, mit dem man zusammenarbeite, habe einen Anruf von den israelischen Zollbehörden erhalten, in dem er angewiesen worden sei, keine Waren des UNRWA zu bearbeiten. Den Angaben zufolge hängen deshalb 1049 Schiffscontainer mit Reis, Mehl, Kichererbsen, Zucker und Speiseöl fest - genug, um 1,1 Millionen Menschen einen Monat lang zu ernähren.

Die Einschränkungen haben die Krise zwischen Israel und dem UNRWA vertieft. Nach israelischen Berichten über eine Beteiligung von Mitarbeitern des UNRWA an der Terrorattacke auf Israel am 7. Oktober hatten mehrere Länder, darunter auch die USA, ihre Zahlungen an die Organisation eingestellt.

Die Präsidentin der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, Kate Forbes, hat weitere Hilfslieferungen für den Gazastreifen gefordert. "In meinen 43 Jahren, die ich im humanitären Sektor tätig bin, ist das die größte humanitäre Krise, die ich erlebt habe", sagte sie der Nachrichtenagentur AP. Sie hatte in dieser Woche erstmals seit dem Antritt ihres Postens im Dezember den Gazastreifen offiziell besucht.

Forbes sagte, es müssten mehr Zufahrtsstellen zu dem Küstenstreifen geöffnet werden. Zudem müssten mehr Lastwagen hereingelassen werden. "Wir müssen dazu in der Lage sein, eine größere Anzahl Waren hineinzubekommen als derzeit zugelassen werden." Ihr Verband sei bereit, die Hilfslieferungen zu verstärken.

Israelische Soldaten haben nach Angaben des Palästinensischen Roten Halbmondes ein Krankenhaus in der Stadt Chan Yunis im Gazastreifen gestürmt. Die israelischen Streitkräfte hätten das Krankenhaus Al-Amal gestürmt und mit einer Durchsuchung begonnen, erklärte die Organisation laut der Nachrichtenagentur AFP. Das israelische Militär machte demnach keine Angaben dazu.

Anfang der Woche hatte der Rote Halbmond mitgeteilt, dass rund 8000 Menschen, die in dem Krankenhaus Schutz gesucht hätten, evakuiert worden seien. Rund 40 Vertriebene, 80 Patienten und 100 Mitarbeiter seien nach der Evakuierung im Krankenhaus verblieben. 

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat nach eigenen Angaben das Militär angewiesen, einen Plan zur Evakuierung der Bevölkerung von Rafah im südlichen Gazastreifen auszuarbeiten. Er sagte, in Rafah sei ein umfassender Militäreinsatz erforderlich. Er habe Sicherheitsvertreter aufgefordert, einen Plan vorzulegen, der die Evakuierung von Zivilisten aus der Stadt und eine Militäroperation zur Zerschlagung der verbliebenen militanten Hamas-Einheiten vorsehe.

Israel gibt an, Rafah sei die letzte verbliebene Hochburg der militant-islamistischen Hamas. Es müsse Truppen entsenden, um seine Kriegsziele zu vollenden. Auf der Flucht vor Kämpfen in anderen Teilen des Gazastreifens sind jedoch mehr als eine Million Palästinenser in die Stadt an der Grenze zu Ägypten geströmt. International war zuvor Kritik an dem Plan Israels laut geworden, in die dicht besiedelte Stadt einzurücken.

Ein israelischer Militäreinsatz in einem Krankenhaus im besetzten Westjordanland könnte nach Einschätzung unabhängiger UN-Experten ein schwerer Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht gewesen sein.

Das Militär hatte am 29. Januar die Tötung von drei Palästinensern im Ibn-Sina-Krankenhaus in Dschenin verkündet, die nach ihren Angaben militante Kämpfer waren. Die vom UN-Menschenrechtsrat bestellten Experten hingegen berichten, dass mindestens einer der Männer ein Patient gewesen sei. Die Tötung stelle daher ein Kriegsverbrechen dar. Sie forderten Israel dazu auf, den Vorfall zu untersuchen.

Israel hat die geplante Untersuchung der schweren Vorwürfe gegen das UN-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) als "positiven, wenn auch lange überfälligen Schritt" begrüßt. Ein Sprecher des israelischen Außenministeriums sagte, dass auch Forschungsinstitute mit relevanter Erfahrung Teil der geplanten Prüfungsgruppe sein sollten.

Die Vereinten Nationen hatten am Montag mitgeteilt, die ehemalige französische Außenministerin Catherine Colonna solle eine unabhängige Gruppe von Experten zur Prüfung der Vorwürfe gegen UNRWA leiten. Die Gruppe soll ihre Arbeit demnach am 14. Februar aufnehmen.

Einigen Mitarbeitenden des Hilfswerks wird vorgeworfen, an den Terrorakten der Hamas vom 7. Oktober in Israel beteiligt gewesen zu sein.

Nach einer Mitteilung des Amtes der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) ist im Gazastreifen fast jedes zehnte Kind unter fünf Jahren infolge des Krieges stark unterernährt. Messungen des Armumfangs von Tausenden von Kleinkindern und Säuglingen hätten dies ergeben.

Insgesamt seien 9,6 Prozent unterernährt, im nördlichen Gazastreifen allein sogar 16,2 Prozent. Der Wohltätigkeitsorganisation ActionAid zufolge würden einige Bewohner des Gazastreifens Gras essen. "Jeder Einzelne in Gaza ist jetzt hungrig", hieß es.

Die Fluggesellschaft British Airways will ihre wegen des Krieges in Nahost ausgesetzten Flüge nach Israel wieder aufnehmen. Man fliege ab dem 1. April wieder nach Tel Aviv, teilte das Unternehmen mit. Die Airline will demnach aber mit kleineren Maschinen fliegen, weil sie eine schwächere Nachfrage erwartet. Zudem ist bis Ende Mai auf dem Weg ein Zwischenstopp auf Zypern geplant, um die Besatzung zu wechseln.

British Airways hatte seine Flüge wegen des Krieges im Oktober aus Sicherheitsgründen ausgesetzt, ebenso wie eine Reihe weiterer europäischer Airlines. Inzwischen sind Fluggesellschaften wie die Lufthansa, Air France und Ryanair wieder in der Region aktiv - teils jedoch mit einem reduzierten Angebot.

Israelische Luftangriffe sollen in der Nacht zum Freitag im Gazastreifen mindestens 22 Menschen das Leben gekostet haben. Augenzeugen und Krankenhausmitarbeiter sagten laut der Nachrichtenagentur AP, unter den Todesopfern im Zentrum des isolierten Küstengebiets und in der Stadt Rafah im Süden seien Kinder. Die Angriffe trafen den Angaben zufolge ein Wohnhaus in Rafah und einen Kindergarten in der Stadt Suwaida, der zu einer Unterkunft für Vertriebene umgewandelt wurde.

Israel hat laut einem Zeitungsbericht die Sorge, die USA könnten im Rahmen der Bemühungen um eine Zweistaatenlösung einen palästinensischen Staat auch ohne Zustimmung Israels anerkennen. Die israelische Zeitung Maariv schreibt in ihrer heutigen Ausgabe, Israel sehe "intensive Aktivitäten" der US-Regierung mit dem Ziel einer Einigung des Westjordanlands und des Gazastreifens unter einer palästinensischen Regierung.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu lehnt eine Zweistaatenlösung ab. Damit ist ein unabhängiger palästinensischer Staat gemeint, der Seite an Seite mit Israel existiert. Bemühungen darum kamen zuletzt aber jahrelang nicht mehr voran. Auch die militant-islamistische Hamas, die seit den letzten Wahlen 2006 den Gazastreifen regiert, lehnt dies ab. 

Die USA etwa wollen, dass eine reformierte Palästinensische Autonomiebehörde nach dem Ende des Krieges die Kontrolle im Gazastreifen übernimmt. Netanyahu will dagegen, dass Israel auch nach Kriegsende die Sicherheitskontrolle dort beibehält, und fordert eine Entmilitarisierung des Küstengebiets.

09.02.2024 • 10:24 Uhr

"Es wird sehr ernst genommen"

Philip Kuntschner, ARD-Studio Tel Aviv, zur Kritik von US-Präsident Biden an Israels Vorgehen im Gazastreifen.

"Es wird sehr ernst genommen", Philip Kuntschner, ARD-Studio Tel Aviv, zur Kritik von US-Präsident Biden an Israels Vorgehen im Gazastreifen

tagesschau24, 09.02.2024 09:00 Uhr

Im Gazastreifen sind nach Angaben der von der islamistischen Terrororganisation Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde in den vergangenen 24 Stunden 107 Menschen getötet und 142 verletzt worden. Seit Kriegsbeginn sind demnach bei israelischen Angriffen insgesamt 27.947 Menschen getötet und 67.459 verletzt worden. Die Zahl der Opfer könne noch weitaus höher sein, da viele Menschen vermisst werden und unter den Trümmern zerstörter Gebäude liegen dürften.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Israelische Luftangriffe haben in der vergangenen Nacht im Gazastreifen mindestens neun Menschen das Leben gekostet. Das meldet die Nachrichtenagentur AP. Augenzeugen und Krankenhausmitarbeiter sagten, unter den Todesopfern im Zentrum des isolierten Küstengebiets und in der Stadt Rafah im Süden seien Kinder. Die Angriffe trafen den Angaben zufolge ein Wohnhaus in Rafah und einen Kindergarten in der Stadt Suwaida, der zu einer Unterkunft für Vertriebene umgewandelt wurde. Die Toten und Verwundeten wurden in nahe gelegene Krankenhäuser gebracht, wo die Leichen von Journalisten der AP gesehen wurden.

UN-Generalsekretär António Guterres warnt vor einem "humanitären Albtraum" in Gaza, falls Israel eine Militäroffensive in Rafah starten sollte. Die Hälfte der Bevölkerung des Gazastreifens sei inzwischen in der Stadt an der Grenze zu Ägypten "zusammengepfercht" und könne nirgendwo anders hin, schrieb Guterres am Morgen auf der Plattform X: "Berichte, wonach das israelische Militär als Nächstes Rafah angreifen will, sind alarmierend. Eine solche Aktion würde den humanitären Albtraum noch weiter verschärfen und könnte ungeahnte Konsequenzen für die gesamte Region haben."

Die Streitkräfte des US-Zentralkommandos melden sieben Einsätze zur Selbstverteidigung gegen vier unbemannte Boote der Huthi und weitere sieben Einsätze gegen Anti-Schiff-Raketen, die den Angaben zufolge kurz davor standen, auf Frachtschiffe im Roten Meer abgeschossen zu werden.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

US-Präsident Joe Biden hat seine Tonart gegenüber Israel verschärft und das Vorgehen gegen die islamistische Hamas im Gaza-Krieg als unverhältnismäßig bezeichnet. "Ich bin der Ansicht, dass das Vorgehen bei der Reaktion im Gazastreifen überzogen ist", sagte Biden im Weißen Haus.

Es gebe viele unschuldige Menschen, die hungerten, in Not seien oder gar ums Leben kämen. "Das muss aufhören." Biden fügte hinzu, dass er intensiv an einer dauerhaften Pause der Kämpfe im Gazastreifen arbeite.

Der Demokrat hatte sich bei seinem Auftritt vor Reportern eigentlich zu einem innenpolitischen Thema geäußert, beantwortete zum Schluss aber eine Frage zur Krise im Nahen Osten. 

Nach dem israelischen Angriff auf einen Anführer der islamistischen Hisbollah-Miliz im Libanon sind aus dem Land rund 30 Raketen auf Israel abgefeuert worden. Ziel seien die nordisraelischen Gebiete Ein Seitim und Dalton gewesen, sagte ein Sprecher der israelischen Armee der Nachrichtenagentur AFP. Nach bisherigem Kenntnisstand sei damit niemand verletzt worden.

In israelischen Städten ist für und gegen ein mögliches Geiselabkommen mit der Hamas demonstriert worden. Die USA haben betont, Pläne Israels für größere Militäroperationen in Rafah nicht zu unterstützen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 09. Februar 2024 um 08:54 Uhr.