Der ukrainische Präsident Selenskyj bei einer Ansprache
Liveblog

Ukraine-Krieg und die Folgen + "6000 Quadratkilometer zurückerobert" +

Stand: 12.09.2022 23:22 Uhr

Laut dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj wurden bei der Gegenoffensive bereits mehr als 6000 Quadratkilometer zurückerobert. Dabei sollen zahlreiche russische Kriegsgefangene gemacht worden sein. Die Entwicklungen im Liveblog.

"Jeden Tag neu justieren", Omid Nouripour, Vorsitzender Bündnis 90/Die Grünen, zur Unterstützung der Ukraine mit Waffen

tagesthemen, tagesthemen, 12.09.2022 22:30 Uhr

Die Ukraine hat nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj bei ihrer Gegenoffensive seit Anfang September 6000 Quadratkilometer zuvor russisch besetzter Gebiete zurückerobert. Die Soldaten hätten diese Fläche im Süden und im Osten "befreit" und würden "weiter voranschreiten", sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. 

Die Ukraine hatte in den vergangenen Tagen in der nordöstlichen Region Charkiw unter anderem die Städte Isjum, Kupjansk und Balaklija zurückerobert. Im Süden vermeldete Kiew ebenfalls bedeutende Geländegewinne, die nach Angaben der ukrainische Armee vom Montag 500 Quadratkilometern Fläche entsprachen.

Zudem forderte der ukrainische Präsident in seiner Videoansprache eine schnellere Lieferung von Luftabwehrwaffen. Die Hilfe internationaler Partner für die Ukraine müsse aufgestockt werden: "Gemeinsam können wir den russischen Terror überwinden." Russische Raketentreffer auf ein Kraftwerk bei Charkiw hatten am Sonntagabend große Teile des Stromnetzes in der Ostukraine zeitweise lahmgelegt.

 

Das von russischen Truppen besetzte Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine ist wieder an zwei Reservestromleitungen angeschlossen. So könne eine Leitung das Kühlsystem der abgeschalteten Reaktoren versorgen, die zweite sei in Reserve, teilte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien am Abend mit. Der sechste und letzte Reaktor sei heruntergefahren worden und benötige nun weniger Strom zur Kühlung.

Trotzdem bleibe die Lage in und um das größte Kernkraftwerk Europas mitten im Kampfgebiet prekär, sagte IAEA-Chef Rafael Grossi der Mitteilung zufolge. Die vier Hauptleitungen seien zerstört, das Kraftwerk liefere keinen Strom. "Eine nukleare Schutz- und Sicherheitszone ist dringend erforderlich" sagte er. Das AKW und sein Umfeld werden seit Wochen immer wieder beschossen, wofür Russen und Ukrainer sich gegenseitig verantwortlich machen. Die IAEA hat die Schäden am Kraftwerk inspiziert und will möglichst eine Sicherheitszone um die Anlage einrichten.

Warum ist die Gegenoffensive der Ukraine momentan so erfolgreich? Taktik, Überraschungsmoment und westliche Waffen seien wichtig, sagt NDR-Militärexperte Andreas Flocken. Im Interview mit tagesschau.de erklärt er, wie Russland reagieren kann und was für die Ukraine nun wichtig wird.

Die ukrainischen Behörden haben in einer zurückeroberten Ortschaft im Osten der Ukraine nach eigenen Angaben vier Leichen mit "Spuren von Folter" entdeckt. Erste Ermittlungen wiesen darauf hin, dass die in Salisnytschne in der Region Charkiw gefundenen Menschen "von russischen Soldaten während der Besetzung des Ortes" getötet worden seien, schrieb die regionale Staatsanwaltschaft im Online-Netzwerk Facebook.

Drei der Leichen seien auf Privatgrundstücken gefunden worden, eine auf einem Fabrikgelände nahe dem Bahnhof. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hatten die Behörden nach der ukrainischen Rückeroberung mehrerer Ortschaften Hinweise auf die Tötung mehrerer Bürger durch russische Soldaten erreicht. Die Leichen würden nun durch Rechtsmediziner untersucht, erklärte die Strafverfolgungsbehörde weiter. Es werde wegen Mordes und "Verstößen gegen das Kriegsrecht" ermittelt.

12.09.2022 • 21:34 Uhr

Ukraine sucht nach Kollaborateuren

Die ukrainischen Truppen durchkämmen die zurückeroberten Gebiete im Osten nach Kollaborateuren der russischen Besatzungsmacht. Außerdem würden Minen geräumt, teilte der ukrainische Generalstab in seinem Lagebericht am Abend mit. Er machte keine weiteren Angaben zum Vordringen der Ukrainer, die die russischen Truppen im Gebiet Charkiw weitgehend in die Flucht geschlagen haben. Fotos zeigten ukrainische Soldaten in Sjwatohirsk im Gebiet Donezk. Eine Bestätigung für die Einnahme der Stadt mit einem wichtigen orthodoxen Kloster gab es nicht.

Der Generalstab berichtete von Kämpfen fast entlang der gesamten Frontlinie im Osten. Mehrere Angriffe der russischen Armee seien abgewehrt worden. Die eigene Luftwaffe und Artillerie habe mehrere russische Kommandopunkte und Depots zerstört. Die Militärangaben waren nicht unabhängig überprüfbar. Aus der Feindbeobachtung über die Front hinweg meldete der Kiewer Generalstab, dass Russland keine neu zusammengestellten Truppen mehr in die Ukraine entsende.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die Führung der von Russland annektierten Halbinsel Krim will das Verwenden pro-ukrainischer Slogans und das Singen russlandkritischer Lieder unterbinden. Es seien Videos mit solchen Vorfällen bei offiziellen Veranstaltungen aufgetaucht, sagte Krim-Verwaltungschef Sergej Aksjonow in Simferopol. Wer so etwas organisiere oder dabei mitmache, solle zur Verantwortung gezogen und entlassen werden, schrieb Aksjonow auf Telegram.

Er drohte auch mit "anderen Maßnahmen im Rahmen der Gesetzgebung". Ein solches Verhalten sei "Verrat am eigenen Land", schrieb er. Wer die Ukraine unterstütze, solle dorthin ausreisen. Im Internet kursieren nicht verifizierte Videos, die angeblich bei sommerlichen Konzerten auf der Krim gedreht wurden. Darauf werden auf Ukrainisch Antikriegslieder ukrainischer Künstler gesungen, deren Musik in Russland verboten ist. Russland hatte die Krim 2014 völkerrechtswidrig annektiert. Die Führung in Kiew hat sich eine Befreiung der Halbinsel zum Ziel gesetzt.

Im Zuge seiner Großoffensive gegen die russischen Angreifer hat das ukrainische Militär nach eigenen Angaben zahlreiche Kriegsgefangene gemacht. Ein Sprecher des Militärgeheimdienstes erklärte, russische Soldaten ergäben sich massenhaft, weil sie "die Hoffnungslosigkeit ihrer Situation" verstünden.

Ein Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Olexij Arestowytsch, machte keine Angaben zur Zahl der Kriegsgefangenen, erklärte aber, es seien so viele, dass dem Land der Platz ausgehe, um sie unterzubringen. Sie würden gegen von Moskau gefangen genommene Angehörige des ukrainischen Militärs ausgetauscht, sagte er.

Dem ukrainischen Verteidigungsminister Oleksij Resnikow zufolge ist die ukrainische Gegenoffensive die "dritte Phase" eines Plans Kiews zur Rückeroberung besetzter Gebiet. In einem Interview mit der französischen Zeitung "Le Monde" sagte Resnikow, in der erste Phase habe die Ukraine versucht, Moskau von weiteren Angriffen abzuhalten, in der zweiten sei es um eine "Stabilisierung" der Frontlinien gegangen. 

Die Leitung der Armee habe ihren Plan gegen den russischen Angriffskrieg auf Grundlage der Waffenlieferungen westlicher Partner entwickelt. Mit den von den USA gelieferten Himars-Raketenwerfersystemen habe Kiew begonnen, die Versorgungslinien der Russen abzuschneiden. Die Ukraine habe "das Blatt zu ihren Gunsten gewendet", die derzeitige Gegenoffensive werde aber "den Krieg nicht beenden", schrieb die US-Denkfabrik Institute for the Study of War im Kurzbotschaftendienst Twitter.

Der orthodoxe Moskauer Patriarch Kyrill I. sieht Russland in einer "schicksalhaften Mission" gegen ausländische Mächte, die das Riesenreich als unabhängigen Staat zerschlagen wollten. Russland erlebe aktuell eine "sehr schwierige Zeit", sagte das Kirchenoberhaupt bei einem Gottesdienst in Moskau. Daher solle man jetzt "besonders für unser Vaterland beten, für unseren Präsidenten" und die Armee, damit das Land stark genug sei, "seine wirkliche Unabhängigkeit von den mächtigsten Kräften zu bewahren, die heute die meisten Länder der Welt beherrschen".

Kyrills Äußerungen auf Linie von Präsident Wladimir Putin zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sorgen international seit Monaten für Empörung. Großbritannien, Kanada, Litauen und die Ukraine haben Patriarch Kyrill I. in den vergangenen Monaten auf ihre Sanktionslisten gesetzt. Ungarns Regierung verhinderte mit ihrem Veto EU-Strafmaßnahmen gegen das russische Kirchenoberhaupt.

Russland ist vom kommenden Freitag an nicht mehr Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonvention. Grund ist, dass der Europarat Russland wegen seines Angriffskriegs gegen die Ukraine am 16. März aus dem Kreis der Staaten ausgeschlossen hat. Für eine Übergangsfrist von sechs Monaten blieb die Geltung der Konvention bestehen - und damit die Möglichkeit, beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Beschwerde wegen bis zu diesem Datum vorgefallenen Verletzungen des Abkommens einzureichen.

Die Generalsekretärin des Europarats, Marija Pejcinovic Buric, erklärte, mit dem Ausscheiden aus der Menschenrechtskonvention werde Russland "sich weiter von der demokratischen Welt isolieren und mehr als 140 Millionen russischen Bürgern den Schutz des Abkommens entziehen". Der Europarat werde Menschenrechtsverteidiger, demokratische Kräfte, freie Medien und die unabhängige Zivilgesellschaft weiter unterstützen, sagte Pejcinovic Buric.

Sie betonte, Russland sei verpflichtet, alle Entscheidungen des Menschenrechtsgerichtshofs umzusetzen, die Handlungen oder Unterlassungen bis zum 16. September 2022 betreffen. Der Europarat werde sich "weiter nach Kräften darum bemühen, Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht für die beteiligten Menschen sicherzustellen", so die Generalsekretärin.

Die ukrainische Armee meldet weitere Erfolge in der Region Charkiw: "In einigen Bereichen der Front haben unsere Verteidiger die Staatsgrenze zur Russischen Föderation erreicht", sagte der Gouverneur der Region, Oleh Synjehubow. Eine unabhängige Bestätigung für die Angaben des Gouverneurs gab es nicht. Auch in der südlichen Region Cherson konnte die ukrainische Armee offenbar Gebiete zurückerobern. "Wir haben rund 500 Quadratkilometer befreit", sagte eine Sprecherin des Südkommandos .

Die Zahl der Kriegsopfer stieg unterdessen weiter. Nach Angaben des ukrainischen Präsidialbüros wurden bei einer Reihe von russischen Angriffen in neun Regionen mindestens vier Zivilisten getötet und elf weitere verletzt.

Aserbaidschan will im Laufe des Jahres 30 Prozent mehr Erdgas in die EU liefern als in 2021. "Das Gesamtvolumen der Lieferungen nach Europa im Jahr 2022 wird zwölf Milliarden Kubikmeter betragen", erklärte der aserbaidschanische Energieminister Parwis Schabasow auf Twitter. Bis August sei auch die Produktion in diesem Jahr um fast zehn Prozent auf 30,6 Milliarden Kubikmeter gesteigert worden.

In ihrem Bestreben, sich von russischen Gasimporten unabhängig zu machen, hatte die EU sich im Juli mit der Regierung in Baku darauf verständigt, die Gasimporte aus Aserbaidschan in den kommenden Jahren zu verdoppeln. Vorgesehen ist auch der Ausbau des Gaskorridors, der durch Aserbaidschan, Georgien, die Türkei und Griechenland verläuft. Die Leitungskapazität soll auf 20 Milliarden Kubikmeter pro Jahr erhöht werden.

Besonders von den Folgen des Ukraine-Kriegs betroffene Landwirte bekommen nun staatliche Hilfen. Die Auszahlung eines Hilfspakets im Umfang von 180 Millionen Euro für landwirtschaftliche Betriebe habe begonnen, teilte das Bundeslandwirtschaftsministerium mit. "Wir greifen den Landwirtinnen und Landwirten unter die Arme, damit sie die hohen Energiepreise schultern können", sagte Landwirtschaftsminister Cem Özdemir. Noch in diesem Monat würden rund 135 Millionen Euro auf den Höfen ankommen, so der Grünen-Politiker.

Nach Angaben des Ministerium sollen rund 42.000 Betriebe diese sogenannte Anpassungsbeihilfe erhalten - maximal 15.000 Euro pro Unternehmen. Der größte Anteil fließt an die Schweinehalter: Rund 43 Prozent des Geldes entfällt demnach auf Sauenhalter, rund zehn Prozent an Betriebe für Mastschweine. Die 135 Millionen Euro sind der erste Teil der Hilfen, die ohne Antragsverfahren ausgezahlt werden. Für das übrige Geld müssen die Landwirte im Zuge des Kleinbeihilfeprogramms einen Antrag stellen.

Der Preis für europäisches Erdgas ist auf den tiefsten Stand seit Ende Juli gefallen. Am Vormittag fiel der Preis des Terminkontrakts TTF für niederländisches Erdgas um knapp acht Prozent auf rund 189 Euro je Megawattstunde. Der TTF-Kontrakt gilt als Richtschnur für das europäische Preisniveau.

Vor einer Woche war der Gaspreis wegen des vorläufigen Lieferstopps über die wichtige Pipeline Nord Stream 1 noch in Richtung 300 Euro geschnellt. Als Grund für den Lieferstopp gab Gazprom technische Probleme an. Vermutet wird aber, dass Russland den Westen vor dem Hintergrund des russischen Kriegs gegen die Ukraine noch mehr unter Druck setzen will.

Ein Moskauer Gericht hat Agenturmeldungen zufolge den Insolvenzantrag der russischen Google-Tochter akzeptiert. Ein Insolvenzverfahren sei schon eingeleitet und das Unternehmen unter Aufsicht gestellt worden, berichteten russische Nachrichtenagenturen.

Die russische Tochter des Google-Eigners Alphabet hatte im Juni Insolvenz angemeldet. Zuvor hatten die Behörden Bankkonten beschlagnahmt, was es dem Unternehmen unmöglich machte, Mitarbeiter und Zulieferer zu bezahlen. Dem US-Technoriesen droht zudem eine Geldstrafe in Russland. Seine russische Einheit habe nach Angaben der dortigen Behörden wiederholt versäumt, verbotene Inhalte zu löschen.

Russland hat den Zugriff auf Twitter wie auch Facebook und Instagram eingeschränkt. Google wie auch die Video-Plattform YouTube sind bisher größtenteils verfügbar.

Die Internationale Atomenergieagentur (IAEA) setzt sich für eine einfach umzusetzende Sicherheitszone um das umkämpfte ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja ein. Russland, das die Anlage besetzt, und die Ukraine müssten sich darauf einigen, das AKW und die Umgebung nicht mehr zu beschießen, sagte IAEA-Chef Rafael Grossi.

Er bestätigte Journalisten, dass sein Vorschlag nicht den Abzug von Waffen und Truppen umfasse. "Wir müssen es einfach halten", sagte er. Grossi hatte in einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats vorige Woche eine Sicherheitszone gefordert, ohne seinen Plan näher zu erklären.

Der IAEA-Generaldirektor berichtete, dass er sowohl mit Kiew als auch mit Moskau in Kontakt stehe. Zu den offenen Fragen gehören demnach der Radius der Zone und die Tätigkeiten der in Saporischschja stationierten IAEA-Experten. Laut Grossi könnten diese Experten über allfällige Verletzungen der Waffenruhe berichten.

Grossi bestätigte, dass das Herunterfahren des letzten aktiven Blocks von insgesamt sechs Reaktoren in Saporischschja am Montagmorgen abgeschlossen wurde. Der Schritt wurde nach wiederholten Ausfällen der externen Stromversorgung gesetzt, die zur Kühlung der Reaktorkerne und des Atommülls dient. Reparaturen der Stromleitungen seien im Gange. Doch es bestehe weiterhin ein Risiko eines Atomunfalls, falls es zu neuen kriegsbedingten Schäden komme, betonte Grossi. Denn auch in abgeschaltetem Zustand müsse das Atommaterial weiter gekühlt werden.

12.09.2022 • 14:51 Uhr

Lang für weitere Waffenlieferungen

Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang spricht sich eindeutig für weitere Waffenlieferungen in die Ukraine aus. "Alles muss geprüft werden", sagte sie. Dabei müsse man sich die Bestände der Industrie als auch der Bundeswehr anschauen. Westliche Waffensysteme könnten in dem Abwehrkrieg der Ukraine gegen Russland einen Unterschied machen.

"Die Zeit der Zögerlichkeit muss vorbei sein. Es muss mehr geliefert werden." Dafür gebe es bei der grünen Basis einen großen Rückhalt und die Überzeugung, autoritäre Regime nicht einfach gewähren zu lassen. Es werde aber keinen Alleingang Deutschlands geben.

Ein Vertreter der ukrainischen Stadt Isjum hat russischen Soldaten die Tötung von Zivilisten und weitere Gräueltaten vorgeworfen. Die Russen hätten versucht, die Verbrechen zu vertuschen, sagte Ratsmitglied Maksym Strelnikow. Seine Angaben konnten nicht von unabhängiger Seite verifiziert werden. Russland hat angegeben, es habe seine Soldaten aus Isjum zurückgezogen. Die Stadt war ein wichtiger Stützpunkt für russische Truppen in der nordostukrainischen Region Charkiw. Am 10. September wurde Strelnikow zufolge über der Stadt eine erste ukrainische Flagge gehisst.

In der ostukrainischen Metropole Charkiw ist es nach russischen Angriffen erneut zu einem vollständigen Stromausfall gekommen. "Aufgrund von Beschuss sind Objekte der kritischen Infrastruktur außer Betrieb, infolgedessen fielen der Strom und die Wasserversorgung aus", teilte der Bürgermeister der Stadt, Ihor Terechow, auf Telegram mit. An der Behebung der Probleme werde gearbeitet.

Medienberichten zufolge soll in Charkiw zudem der ganze auf Elektrizität angewiesene Nahverkehr einschließlich der U-Bahn ausgefallen sein. Am Abend zuvor hatte es bereits kurzzeitig einen großflächigen Stromausfall in den Gebieten Sumy, Charkiw, Donezk, Poltawa und Dnipropetrowsk gegeben. Ursache waren Spannungsschwankungen ausgelöst durch den Beschuss von "Objekten kritischer Infrastruktur". Kurz zuvor hatten sich russische Truppen nach einer ukrainischen Offensive weitgehend aus dem nordostukrainischen Gebiet Charkiw zurückziehen müssen.

Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew hat der Ukraine damit gedroht, dass Russland eine bedingungslose Kapitulation verlangen wird, falls die Führung in Kiew die derzeitigen Bedingungen für Verhandlungen nicht annimmt. "Die jetzigen 'Ultimaten' sind ein Kinderspiel im Vergleich zu den Forderungen in der Zukunft (...): der totalen Kapitulation des Kiewer Regimes zu Russlands Bedingungen", schrieb Medwedew auf seinem Telegram-Kanal.

Medwedew, der einst als Hoffnungsträger für eine Liberalisierung Russlands galt, hat sich seit dem Einmarsch in die Ukraine vor mehr als sechs Monaten als glühender Kriegsbefürworter positioniert. So erklärte er etwa, den Westen grundlegend zu hassen. Er drohte der Ukraine auch mit dem "Tag des Jüngsten Gerichts", sollte sie sich die von Russland einverleibte Schwarzmeer-Halbinsel Krim zurückholen wollen.

Sowohl die Ukraine als auch Russland sind IAEA-Chef Rafael Grossi zufolge an einer Sicherheitszone rund um das AKW Saporischschja interessiert. Beide Länder seien diesbezüglich mit der Internationalen Atomenergieagentur in Kontakt und hätten viele Fragen, sagte Grossi bei einer Pressekonferenz.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj möchte die militärische Offensive gegen russische Truppen fortsetzen.""Unser Ziel besteht darin, unser gesamtes Gebiet zurückzuerobern. Die Rückeroberung ist das Hauptziel", sagte Selenskyj dem US-Nachrichtensender CNN. Die Ukraine könne nicht zulassen, dass Russland die gleiche Besetzung fortsetze, die es 2014 begonnen habe.

Unter dem Druck ukrainischer Gegenoffensiven hatte Russlands Verteidigungsministerium am Wochenende mehr als ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn den Abzug eigener Truppen aus der Region Charkiw im Nordosten bekanntgegeben. Nach Angaben Kiews zogen sich russische Truppen auch aus Teilen des südlichen Gebiets Cherson zurück. Unabhängig überprüft werden konnten diese Angaben nicht.

Zunächst stellten die Russen Bedingungen auf, erklärte Selenskyj weiter. Entweder lasse man sich darauf ein oder die Russen setzten ihren Einmarsch fort. "Das ist deren Strategie." Das Vorgehen nannte Selenskyj "russischen Kannibalismus": "Sie werden dich aufessen, häppchenweise, Stück für Stück." Darauf wolle er sich nicht weiter einlassen. "Ich will dieses Spiel nicht spielen. Ich mag das nicht", so Selenskyj. Man werde nicht stillstehen.

Mit der Gegenoffensive werde man sich "langsam und schrittweise weiter nach vorne bewegen." Auf die Frage, ob er mit Russland in Verhandlungen treten wolle, antwortete der Präsident: "Zurzeit nicht. Ich sehe auf ihrer Seite keine Bereitschaft, konstruktiv zu sein." Nach einem Rückzug der russischen Truppen könne das Gespräch jedoch beginnen.

Mehr als einen Monat nach seinem angeblichen Tod ist ein Mitglied der russischen Besatzungsverwaltung im südukrainischen Gebiet Cherson lebend wieder aufgetaucht. "Anfang August kamen die Sicherheitsorgane zu mir und sagten, dass ein Anschlag auf mich vorbereitet wurde", begründete Witalij Gura, stellvertretender Leiter der Stadtverwaltung von Nowa Kachowka, im russischen Staatsfernsehen die Inszenierung. Es sei daraufhin entschieden worden, eine Erschießung vorzutäuschen und unterzutauchen.

Angeblich habe der russische Geheimdienst FSB damit ein Attentat seines ukrainischen Pendants SBU verhindern können. Dem Bericht zufolge ist noch ein weiterer Beamter der von Russland eingesetzten Militärverwaltung im Gebiet Cherson auf diese Weise untergetaucht.

Nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hatte sich in den vergangenen Monaten in eroberten Gebieten teils heftiger Widerstand gegen die Besatzer formiert. Immer wieder berichteten russische und ukrainische Medien von Anschlägen gegen Vertreter der Besatzungsmacht.

Die Vereinten Nationen haben die "Einschüchterung" von Gegnern des Ukraine-Kriegs in Russland verurteilt. Die stellvertretende Hochkommissarin für Menschenrechte, Nada al-Nashif, sagte, die Maßnahmen in Russland "untergraben die Ausübung der von der Verfassung garantierten Grundrechte, einschließlich des Rechts auf Versammlungs-, Meinungs- und Vereinigungsfreiheit". Der Druck auf Journalisten und Zensur seien mit Medienvielfalt unvereinbar und verletzten das Recht auf Zugang zu Informationen.

Al-Nashif forderte Moskau in ihrer Rede vor dem Menschenrechtsrat in Genf außerdem auf, "die Maßnahmen zu überdenken, die ergriffen wurden, um die Bezeichnung 'ausländischer Agent' auf Menschen auszuweiten, die als 'unter ausländischem Einfluss' betrachtet werden". Der Kreml solle zudem davon absehen, "nicht angemeldete Kontakte mit Vertretern von Staaten, ausländischen oder internationalen Organisationen, die als gegen die 'Sicherheit' Russlands gerichtet gelten, zu kriminalisieren".

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) setzt bei der militärischen Unterstützung der Ukraine weiter auf Artillerie und die Flugabwehr. Auf die Frage nach einer von der ukrainischen Regierung geforderten Bereitstellung westlicher Kampfpanzer wich Scholz aus. Es "bleibt es bei der Haltung, die die deutsche Regierung seit Anfang an eingenommen hat und die auch für die Zukunft unserer Haltung sein wird, nämlich dass es keine deutschen Alleingänge gibt", sagte Scholz. Deutschland habe die Ukraine sehr umfassend und zusammen mit Verbündeten unterstützt.

"Wir haben auch sehr effiziente Waffen geliefert, die gerade jetzt in dem gegenwärtigen Gefecht den Unterschied machen", sagte Scholz, der mit dem israelischen Regierungschef Jair Lapid vor die Presse getreten war. Scholz nannte den Flugabwehrpanzer Gepard, die Panzerhaubitze 2000, Mehrfachraketenwerfer und das Flugabwehrsystem Iris-T.

Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben im Süden rund 500 Quadratkilometer im Zuge seiner Gegenoffensive zurückerobert. Auf verschiedenen Abschnitten seien die Truppen etliche Kilometer vorgerückt, sagte die Sprecherin des südlichen Militärkommandos, Natalia Humeniuk. Fünf Siedlungen seien in der Region Cherson zurückerobert worden.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Israel kann mit seinem Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer rund zehn Prozent des russischen Gases ersetzen, das Russland bislang an Europa geliefert hat. Das sagte der israelische Ministerpräsident Jair Lapid nach einem Treffen mit Kanzler Olaf Scholz in Berlin. Er hoffe, dass Israel seine Lieferungen schon 2023 ausweiten könne.

Das Land hatte mit Ägypten und der EU-Kommission einen Vertrag geschlossen, Gas über Ägypten in die EU zu liefern. Scholz betonte, dass jeder Beitrag alternativer Lieferungen von Gas hilfreich sei. Selbst wenn das israelische Gas nicht nach Deutschland komme, werde es auf dem Weltmarkt landen und damit den Preis drücken helfen. In der EU sei aber auch ein Ausbau der Pipeline-Infrastruktur nach Südeuropa nötig.

Das Münchner Ifo-Institut hat seine Konjunkturprognose für dieses und das kommende Jahr vor allem wegen der hohen Gaspreise drastisch abgesenkt. Im kommenden Jahr erwartet das Institut ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung um 0,3 Prozent, für dieses Jahr nur noch 1,6 Prozent Wachstum. "Wir gehen in eine Winter-Rezession", erklärte der Leiter der Ifo-Konjunkturprognosen, Timo Wollmershäuser. Schwere Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt erwartet das Ifo aber nicht. Noch im Juni hatte das Institut ein Wachstum von 3,7 Prozent im Jahr 2023 prognostiziert: 4,0 Prozentpunkte mehr als aktuell.

"Die Kürzungen der Gaslieferungen aus Russland im Sommer und die dadurch ausgelösten drastischen Preissteigerungen verhageln die wirtschaftliche Erholung nach Corona", erklärte Wollmershäuser. Die hohen Inflationsraten ließen die realen Einkommen der privaten Haushalte sowie deren Ersparnisse dahinschmelzen und reduzierten ihre Kaufkraft. In der Industrie behindern laut Ifo die anhaltenden Lieferschwierigkeiten bei Rohstoffen und Vorprodukten die Produktion. Die hohen Preise und die weltweite Konjunkturabschwächung verringern gleichzeitig die Nachfrage.

"Wir haben seit dem Sommer noch mal eine deutliche Zuspitzung der Energie-Krise erlebt", sagt Timo Wollmershäuser vom ifo Institut

tagesschau24 11:00 Uhr

Ungeachtet der jüngsten Misserfolge in der Ostukraine will Russland seinen Krieg gegen das Nachbarland weiterführen. "Die militärische Spezial-Operation wird fortgesetzt", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. "Sie wird fortgesetzt, bis die anfangs gesetzten Ziele erreicht sind."

Peskow antwortete damit nur ausweichend auf die Frage von Journalisten, ob Russlands Militärführung noch immer das Vertrauen von Kremlchef Wladimir Putin genieße. Auf die Frage, wie Putin auf die Nachricht vom Abzug der eigenen Truppen aus dem Gebiet Charkiw reagiert habe, sagte Peskow lediglich, Russlands Präsident werde über alle militärischen Entwicklungen informiert. Zu Moskaus Kriegszielen zählt etwa die vollständige Eroberung der ostukrainischen Gebiete Luhansk und Donezk.

Eine Frage nach einer möglichen Mobilmachung zur Unterstützung des Einsatzes angesichts der ukrainischen Gegenoffensive ließ er offen. Zur Forderung der Internationalen Atomenergieagentur IAEA nach einer demilitarisierten Zone um das russisch besetzte ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja, das immer wieder unter Beschuss gerät, sagte Peskow, eine Diskussion darüber gebe es nicht.

Russischer Angriffskrieg: Ukraine meldet Angriffe auf Infrastruktur

Mathea Schülke, WDR, tagesschau 12:00 Uhr

Es gebe derzeit auch "keine Aussicht auf Verhandlungen" zwischen Moskau und Kiew, fügte Peskow hinzu. Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte unterdessen mit, die russischen Streitkräfte würden Gebiete in der Region Charkiw angreifen, die in den vergangenen Tagen von den ukrainischen Truppen zurückerobert worden waren. In den Städten Kupjansk und Isjum und Umgebung seien "Kämpfer und Ausrüstung der ukrainischen Streitkräfte gezielt" aus der Luft, mit Raketen und Artillerie attackiert worden, erklärte der Sprecher des Verteidigungsministeriums.

Am Wochenende hatte Russlands Armee eine ihrer schwersten Niederlagen seit dem Einmarsch ins Nachbarland vor mehr als einem halben Jahr einstecken müssen: Unter dem Druck ukrainischer Gegenoffensiven wurden Truppen weitgehend aus dem Gebiet Charkiw im Osten abgezogen. Offiziell begründete Moskau den Rückzug mit einer strategischen "Umgruppierung" der eigenen Einheiten.

Der FDP-Politiker Johannes Vogel hat eine erweiterte und verstärkte Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine gefordert. "Wir sollten noch mehr schwere Waffen auch abseits des zähen Ringtausches direkt an die Ukraine liefern. Das schließt insbesondere die Panzer Marder und Fuchs ein", sagte der Parteivize und Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion der Nachrichtenagentur dpa.

"Die aktuellen Geländegewinne für die Ukraine machen Mut", sagte Vogel. "Ein Momentum für die Ukraine bedeutet ein Momentum für die Hoffnung. Dass die Ukraine den Kampf um ihr Territorium gewinnt, ist der Weg zum Frieden." Deshalb brauche die Ukraine "gerade jetzt noch mehr Unterstützung - auch aus Deutschland in Abstimmung mit dem westlichen Bündnis".

Russland greift nach eigenen Angaben ukrainische Truppen in der Region Charkiw aus der Luft an. Das meldet die staatliche Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf das Verteidigungsministerium in Moskau. Am Sonntag hatte das Ministerium eine Landkarte veröffentlicht, aus der hervorging, dass sich nahezu alle russischen Einheiten aus der ostukrainischen Region zurückgezogen haben. Die Ukraine hatte dort eine Gegenoffensive gestartet, die überraschend schnell vorankam.

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hat sich zwar zu weiterer militärischer Unterstützung für die Ukraine bekannt, auf deren Bitten um die Lieferung gepanzerter Fahrzeuge aber erneut zurückhaltend reagiert. Bisher habe noch kein anderes Land Schützen- oder Kampfpanzer westlicher Bauart an die Ukraine geliefert, sagte Lambrecht. Es werde hier kein einseitiges Vorgehen Deutschlands geben. "Wir haben uns darauf verständigt, dass wir keine deutschen Alleingänge machen", sagte die Ministerin. "Das ist die Vereinbarung, an der halten wir fest."

Gleichwohl sei in der Bundesregierung am Wochenende noch einmal neu überlegt worden, welche zusätzlichen Hilfe möglich seien und "was geht denn noch". Auch solle der sogenannte Ringtausch etwa mit Griechenland weiterverfolgt werden, damit griechische Panzer sowjetischer Bauart der Ukraine zur Verfügung gestellt werden könnten. Lambrecht wies auch erneut darauf hin, dass Deutschland bei der Abgabe von Waffen aus Bundeswehrbeständen inzwischen "and die Grenzen gestoßen ist". Sie sei nicht bereit, hier die Handlungsfähigkeit der deutschen Streitkräfte durch zusätzliche Lieferungen zu gefährden, sagte die Ministerin. Das Ziel sei, der Ukraine weiter zu helfen, aber dabei "nicht die Landes- und Bündnisverteidigung in Frage zu stellen".

Angesichts der Energiekrise hat der Deutsche Bauernverband die Einrichtung einer nationalen Reserve für Düngemittel gefordert. Die Verfügbarkeit von Dünger sei zu Sicherung der Erträge essenziell, sagte Verbandspräsident Joachim Rukwied der Düsseldorfer "Rheinischen Post". Ohne den besonders wichtigen Stickstoffdünger "würden die Erträge sofort um 30 bis 40 Prozent einbrechen". Die Bundesregierung müsse daher erkennen, "dass auch Düngemittel systemrelevant sind", sagte Rukwied.

Infolge des Krieges in der Ukraine waren die Düngerpreise drastisch angestiegen - hinzu kämen nun die hohen Gaspreise, denn "für die Erzeugung des wichtigen Stickstoffdüngers brauchen wir Gas", sagte der Bauernpräsident.

Die kommissarische UN-Menschenrechtschefin Nada Al-Nashif hat Investitionen in fossile Energieträger in manchen EU-Ländern kritisiert. Dies sei angesichts steigender Energiepreise und des nahenden Winters verständlich, doch die Europäische Union solle auch die langfristigen Konsequenzen im Blick haben, sagte sie im UN-Menschenrechtsrat in Genf. "Angesichts der gegenwärtigen Klimakrise ist für Rückschritte kein Platz."

Der Klimawandel bedroht aus Sicht des Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen die Rechte auf Gesundheit, Selbstbestimmung und wirtschaftliche Entwicklung. Al-Nashif streifte in ihrer Rede Rechtsverletzungen in vielen Ländern, darunter die Verfolgung von Kriegsgegnern und Journalisten in Russland.

Die ukrainischen Bauern werden nach Angaben ihres Agrarverbands voraussichtlich 30 Prozent weniger Fläche des Aussaatgebiets für Wintergetreide nutzen. Grund seien sprunghaft gestiegene Preise für Saatgut, Dünger und Treibstoff, während sich das Getreide der Bauern gleichzeitig nur zu niedrigen Preisen verkaufen lasse.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat eine verteidigungsfähige Bundeswehr als zentrale Instanz für die Daseinsvorsorge bezeichnet. "Allein mit Bedächtigkeit, mit dem Rückgriff auf bewährte bundesrepublikanische Traditionen werden wir in Zukunft nicht mehr sicher leben können. Mit unseren alten Selbstbildern ist die Zukunft unserer Kinder und Enkel in Frieden und Freiheit nicht mehr zu garantieren", sagte Lambrecht in einer Grundsatzrede vor der Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik.

Wer eine Zukunft in Frieden und Freiheit wolle, der müsse jetzt umsteuern und die militärische Sicherheit als ganz zentrale Aufgabe begreifen und "dann auch danach handeln", so Lambrecht. Deutschland habe sich daran gewöhnt, die eigenen Streitkräfte ausschließlich als Akteure bei Krisen, Einsätzen im Ausland oder in der Amtshilfe wie beim Hochwasser zu sehen. Diese Zeit sei vorbei. "Der Ukraine-Krieg hat allen, auch uns friedensgewohnten Deutschen gezeigt, dass Staaten Streitkräfte als letztes Instrument benötigen, nämlich immer dann, wenn ein Feind entschlossen ist, Einmarsch, Vernichtung, Mord und Vertreibung mit zu seinen Mitteln zu machen", so Lambrecht.

Das geschehe nun in unserer unmittelbaren Nähe. "Die Ukraine heute existiert nur deswegen, weil sie sich militärisch wehren kann. Wir müssen daraus die Lehre ziehen: Wir selbst brauchen starke, kampfbereite Streitkräfte, damit wir uns und unser Bündnis zur Not verteidigen können."

SPD-Chefin Saskia Esken hat die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine nicht ausgeschlossen, pocht aber auf internationale Abstimmung. "Alleingänge sind ausgeschlossen und das soll auch so bleiben", sagte sie. Die Unterstützung für die Ukraine im russischen Angriffskrieg habe sich in den vergangenen Monaten immer entlang der militärischen Entwicklung verändert. "Die Waffenlieferungen der ersten Wochen waren von einer anderen Qualität als die der letzten Wochen. Insofern gibt es da eine stete Entwicklung", sagte sie. Dazu gehöre aber auch, "dass wir das niemals alleine tun, sondern immer in guter Abstimmung mit unseren internationalen Partnern, vorneweg die Amerikaner, aber natürlich auch Franzosen, Briten, Italiener, mit denen wir da auch gemeinsam agieren", betonte Esken.

Bundeskanzler Olaf Scholz sei in Gesprächen mit den betreffenden Regierungen und entwickele diese Linie stetig weiter. Den sogenannten Ringtausch mit osteuropäischen NATO-Partnern, die Panzer sowjetischer Bauart an die Ukraine abgeben und dafür Ersatz erhalten sollen, hält Esken nicht für gescheitert. "Das wird auch weiterhin verfolgt als Methode, sehr schnell einsatzfähig zu sein", sagte sie.

Die ukrainische Armee hat bei ihrer Gegenoffensive nach eigenen Angaben binnen 24 Stunden mehr als 20 weitere Ortschaften zurückerobert. Vor allem in den Regionen Charkiw und Donezk komme die Offensive gegen die russischen Truppen weiter voran. Die russischen Truppen verließen fluchtartig ihre Stellungen, erklärte die ukrainische Armee in ihrem morgendlichen Lagebericht. 

Bereits während des gesamten Wochenendes hatte die Ukraine die Rückeroberung strategisch wichtiger Städte gemeldet. Nach ihren Angaben gelang es den ukrainischen Soldaten seit Anfang September, 3000 Quadratkilometer von den russischen Truppen zurückzuerobern.

Im Gegenzug fielen in mehreren Regionen im Norden, Süden und Osten des Landes der Strom und teilweise auch die Wasserversorgung aus. Die ukrainischen Behörden machten russische Luftangriffe dafür verantwortlich. In den meisten Regionen war die Stromversorgung inzwischen wiederhergestellt.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) sucht Insidern zufolge nach Wegen, um Ländern mit Lebensmittelengpässen schnelle Notfallfinanzierungen zur Verfügung zu stellen. Bei einem informellen Treffen des Exekutivrats heute sollen mögliche Maßnahmen diskutiert werden.

Es gehe vor allem um Länder, die im Zuge des Krieges in der Ukraine mit sprunghaft gestiegenen Nahrungsmittelpreisen konfrontiert seien. Es solle um vereinfachte Hilfen gehen, ohne die sonst üblichen Auflagen des Fonds. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist die Inflation in zahlreichen Ländern massiv gestiegen, außerdem stockt der Handel mit vielen Produkten. Russland und die Ukraine sind unter anderem wichtige Lieferanten von Getreide.

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping wird nach Angaben des russischen Botschafters in Peking Ende dieser Woche mit Russlands Präsident Wladimir Putin zusammentreffen. Es ist die erste persönliche Begegnung der beiden Staatsführer seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine.

China hat sich klar hinter Moskau gestellt und beschreibt die USA und die NATO als Hauptverursacher des Krieges. Das Treffen soll am Rande des zweitägigen Gipfels der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) im usbekischen Samarkand stattfinden. Die SCO wird oft als anti-US-amerikanisches Bündnis kritisiert.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert dämpft Erwartungen an deutsche Panzerlieferungen an die Ukraine. "Sehr wohl unterstützen wir aber mit den osteuropäischen Partnern den Ringtausch", sagte Kühnert auf RTL/ntv.

Es gelte weiter die Aussage, "dass wir nicht schleichend hineingezogen werden wollen in den Krieg, dass wir Russland nicht dazu animieren wollen, völlig irrational am Ende zu handeln und noch ganz andere Staaten anzugreifen."

Angesichts der ukrainischen Gegenoffensive hatten sich zuletzt die Stimmen in Deutschland gemehrt, der Regierung in Kiew weitere schwere Waffen zu liefern, darunter auch Kampfpanzer wie den Leopard 2 aus deutscher Fertigung.

Mit dem Auslaufen des sogenannten Tankrabatts Ende August ist Kraftstoff in Deutschland wieder teurer als in allen EU-Nachbarstaaten. Zum 5. September wurden laut Statistischem Bundesamt Tagesdurchschnittspreise von 2,07 Euro für einen Liter Super E5 und 2,16 Euro für einen Liter Diesel ermittelt.

Nur in Dänemark (2,04 Euro) und den Niederlanden (2,01 Euro) war Superbenzin ähnlich teuer wie in Deutschland. Am günstigsten konnten die Autobesitzer mit 1,38 Euro für Super und 1,61 Euro für Diesel im Nachbarland Polen tanken.

Zwischen Juni und August wurden die Steuern auf Benzin und Diesel in Deutschland gesenkt, seit dem 1. September gelten wieder die normalen Steuersätze. Damit gehört Deutschland wieder zu den teuersten Staaten in der EU.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, hat an Bundeskanzler Olaf Scholz und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht appelliert, Schützenpanzer Marder und Kampfpanzer Leopard 2 direkt an die Ukraine zu liefern. "Das ist unglaublich wichtig und sollte sofort passieren", so Strack-Zimmerman.

Scholz und Lambrecht haben direkte Panzerlieferungen - also nicht im Ringtausch mit osteuropäischen NATO-Partnern, die Panzer sowjetischer Bauart an die Ukraine abgeben und dafür Ersatz erhalten sollen - bisher nicht befürwortet.

Die Rufe nach weiteren Exporten schwerer Waffen aus Deutschland wurden auch von den Ampel-Partnern der Grünen wieder lauter, nachdem die Ukraine am Wochenende Gebiete von Russland zurückerobert hatte.

Vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine haben die Kandidaten des Kremls bei den Regionalwahlen in Russland meist deutliche Siege eingefahren. Laut Angaben der zentralen Wahlkommission siegten alle 14 amtierenden Gouverneure, die sich zur Abstimmung gestellt hatten, wie die staatliche Nachrichtenagentur Tass mitteilte.

Auch in den meisten Regional- und Stadtparlamenten stellt die Kremlpartei "Geeintes Russland" die Mehrheit. Die Wahlen liefen von Freitag bis Sonntag in mehr als 80 russischen Regionen und sind überschattet von dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine wie von massiven Manipulationsvorwürfen.

Die unabhängigen Wahlbeobachter der Organisation Golos listeten noch während des laufenden Urnengangs zahlreiche Anzeichen für Betrug auf. Schon vor den Wahlen beklagten Oppositionelle zudem, dass Kandidaten, die sich gegen den Krieg aussprachen, nicht zugelassen wurden.

Das Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo rechnet langfristig mit sinkenden Energiepreisen. Russland werde sein Gas und Öl künftig an andere Abnehmer verkaufen, sagte Ifo-Chef Clemens Fuest dem "Tagesspiegel". Diese Staaten kauften wiederum weniger Gas aus anderen Quellen und dieses fließe dann nach Europa. Der Ukrainekrieg habe die Energieversorgung weltweit gesehen wenig verändert. Allerdings sei der Umbau der Infrastruktur teuer.

Der Ökonom sprach sich auch dafür aus, der Wirtschaft wegen der Energiekrise zu helfen. Die Hilfen sollten nur in Anspruch genommen werden, wenn es nicht mehr anders gehe. "Und ich denke, das wird seltener der Fall sein als bei Corona," so Fuest. Das Ifo-Institut stellt am Montag seine Konjunkturprognose vor.

Russinnen und Russen haben es ab heute schwerer beim Reisen. Denn sie profitieren nun nicht mehr von einer erleichterten Visa-Vergabe für Reisen nach Deutschland und in andere Staaten des Schengen-Raums.

Der Rat der EU-Staaten hatte am Freitag einen entsprechenden Vorschlag der Europäischen Kommission angenommen.

Grünen-Chef Omid Nouripour fordert angesichts der Erfolge der Ukraine gegen die russischen Invasionstruppen mehr deutsche Waffenlieferungen für Kiew. "Wir müssen den Bedarf der Ukraine nach Fähigkeiten in den Mittelpunkt stellen. Gerade jetzt, bevor der Winter kommt, müssen wir die Ukraine dabei unterstützen, in diesem Jahr noch so viel wie möglich von ihrem eigenen Land zu befreien", sagte er der "Augsburger Allgemeinen". "Alle in der Regierung wissen indes, dass noch mehr möglich wäre. Da sollte nicht nur im Ringtausch, sondern wo möglich auch direkt aus den Beständen von Bundeswehr und Industrie geliefert werden."

Die Bereitwilligkeit in Deutschland, wegen der Sanktionen gegen Russland Verzicht zu üben, ist einer Umfrage zufolge weiterhin hoch. 53 Prozent der Deutschen geben an, verzichten zu wollen, um die Sanktionen gegen Russland zu tragen, wie aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der Zeitung "Augsburger Allgemeine" hervorgeht. Grundsätzlichen Verzicht lehnen dagegen 42 Prozent der Befragten ab. Der Rest ist unentschlossen. Trotz der Unwägbarkeiten zeigen sich laut der Umfrage vor allem die Wähler von Grünen und SPD verzichtbereit. Im Lager der Grünen sind es mehr als neun von zehn Befragten. Eher gespalten ist in dieser Frage die Anhängerschaft der Union. Unter Sympathisanten von FDP, Linke und AfD spricht sich jeweils eine Mehrheit gegen Verzicht aus.

Indonesiens Präsident Joko Widodo zieht einem Zeitungsbericht zufolge angesichts der steigenden Energiekosten den Kauf von russischem Öl in Betracht. "Wir prüfen alle Optionen. Wenn es ein Land gibt, das einen besseren Preis bietet, dann natürlich", sagt Widodo der Zeitung "Financial Times" auf die Frage, ob Indonesien Öl aus Russland beziehen würde.

Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn (CSU), fordert die Bundesregierung zur Lieferung weiterer Waffen an die Ukraine auf. "Die aktuelle Entwicklung in der Ukraine zeigt, mit den nötigen Mitteln kann Putins Invasionsdrang erfolgreich zurückgeschlagen werden", sagt Hahn den Zeitungen der Funke Mediengruppe laut Vorabbericht. "Berlin muss endlich seine Zurückhaltung aufgeben und mehr Waffen liefern." Je früher Russland erkenne, dass es militärisch keinen Erfolg haben werde, umso eher werde es echte Friedensverhandlungen geben können. Die ukrainischen Truppen hatten mit einer Gegenoffensive zuletzt die russische Armee deutlich zurückgedrängt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 12. September 2022 um 08:00 Uhr.