Filippo Grandi
Liveblog

Krieg gegen die Ukraine ++ UN: 14 Millionen Ukraine-Geflüchtete ++

Stand: 03.11.2022 02:28 Uhr

14 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer sind laut UN-Flüchtlingskommissar Grandi seit Kriegsbeginn vertrieben worden. In Kiew musste nach einem Anstieg des Verbrauchs erneut der Strom abgestellt werden. Alle Entwicklungen im Liveblog zum Nachlesen.

03.11.2022 • 02:28 Uhr

Ende des Liveblogs

Damit schließen wir diesen Liveblog. Vielen Dank für Ihr Interesse.

Die Ukraine hat von intensiven Kämpfen mit russischen Einheiten im Donbass besonders um die Städte Bachmut und Soledar berichtet. "Dutzende Angriffe an einem Tag" seien zurückgeschlagen worden, sagte die stellvertretende Verteidigungsministerin Hanna Maljar im ukrainischen Fernsehen. Rücke die russische Armee vor, antworte die Ukraine umgehend mit einer Gegenattacke.

Russland setzte nach Angaben des ukrainischen Generalstabs Angriffe mit Raketen und iranischen Drohnen auf Infrastruktur in mehreren Regionen des Landes fort. Den Behörden im Raum Charkiw zufolge wurden bei Attacken fünf Frauen und zwei Männer verletzt. Die Angreifer hätten mit Schüssen aus Artillerie vier Privathäuser, zwei Hochhäuser und ein Geschäft beschädigt, hieß es. Die Ukraine berichtete ihrerseits von der Zerstörung unter anderem eines Munitionslagers. Unabhängig bestätigen ließen sich die Angaben aus dem Kampfgebiet nicht.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: von Russland annektierte Gebiete.

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: Von Russland annektierte Gebiete.

Russlands Angriffskrieg hat nach Schätzungen des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge 14 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer zur Flucht aus ihren Wohnorten gezwungen. Damit sei es die größte und schnellste Vertreibung von Menschen, die man in den vergangenen Jahrzehnten erlebt habe, sagte Flüchtlingskommissar Filippo Grandi vor dem UN-Sicherheitsrat in New York. Weltweit sei die Zahl der Vertriebenen und Geflüchteten dadurch auf mehr als 103 Millionen Menschen gestiegen.

In seinem umfassenden Bericht vor dem wichtigsten UN-Gremium, in dem Russland als ständiges Mitglied ein Veto-Recht hat, warnte er, dass den Ukrainern ein bitterer Winter bevorstehe. Durch die fortwährende Zerstörung ziviler Infrastruktur wie der Strom- und Wasserversorgung werde die humanitäre Hilfe für die Ukrainer immer mehr zu einem "Tropfen in einem Ozean aus Nöten".

Grandi forderte ein Ende des "sinnlosen Krieges" und mahnte gleichzeitig, dass andere Krisen in der Welt dadurch überschattet würden. Seine UN-Behörde habe in den vergangenen zwölf Monaten in 37 Notsituationen eingegriffen, die aus Konflikten heraus entstanden seien. Unter anderem verwies er auf Hunderttausende Flüchtlinge durch den Krieg in Äthiopien - für den am Mittwoch ein Waffenstillstand verkündet wurde - und den bewaffneten Widerstand gegen die Militärjunta in Myanmar, der ebenfalls Hunderttausende zur Flucht zwang.

Die ukrainische Regierung schätzt die Zahl der Vermissten im Krieg gegen Russland auf rund 7000. Genaue Angaben seien wegen der Kampfhandlungen aber unmöglich, teilte die stellvertretende Verteidigungsministerin Hanna Maljar der ukrainischen Nachrichtenagentur Unian zufolge mit. Die Zahlen würden meist spät und ungenau übermittelt.

Maljar rief die Bevölkerung auf, keine persönlichen Angaben über vermisste Angehörige im Internet zu verbreiten - zumal, wenn es sich um Soldaten handele. Diese könnten sich in Zivil versteckt halten und entlarvt werden. Auch könnte ein Gefangenenaustausch erschwert werden. Die Vize-Verteidigungsministerin appellierte, sich im Bedarfsfall an spezielle Koordinierungsstellen zu wenden.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Ländern eine weitere Beteiligung an den Kosten für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen in Milliardenhöhe zugesagt. Nach den Beratungen mit den Regierungschefs der Länder sagte Scholz in Berlin, dass der Bund in diesem Jahr nochmals 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellt. Im nächsten Jahr will der Bund insbesondere für die Versorgung der Flüchtlinge aus der Ukraine weitere 1,5 Milliarden Euro geben. An der Versorgung von Flüchtlingen aus anderen Ländern will sich der Bund demnach 2023 mit 1,25 Milliarden Euro beteiligen.

Scholz verwies darauf, dass Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zügig ins reguläre Sozialleistungssystem aufgenommen werden und die Kosten damit vor allem beim Bund liegen. Bei Flüchtlingen, die zunächst über längere Zeit Asylbewerberleistungen beziehen, liegen die Kosten bei den Ländern.

02.11.2022 • 18:27 Uhr

Kiew wieder ohne Strom

In der Region Kiew ist die Stromversorgung durch eine Notabschaltung nach einem Anstieg des Verbrauchs unterbrochen worden. Dies sei nötig geworden, um größere Schäden am Stromnetz abzuwenden, haben ukrainischen Behörden mitgeteilt. Russland hatte in den vergangenen Tagen gezielt die Energie-Infrastruktur angegriffen.

Die arabischen Länder pochen im Krieg in der Ukraine auf einen Verzicht von Gewalt. Die 22 Mitgliedstaaten der Arabischen Liga fordern stattdessen eine politische Lösung des "Konflikts", wie aus einer Abschlusserklärung nach einem Gipfel der Organisation in Algier hervorgeht.

Die arabische Welt hält sich mit Kritik an Russland und dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine zurück. Russlands Präsident Wladimir Putin wurde in der Erklärung auch nicht namentlich erwähnt. Einige Beobachter werteten aber die Tatsache, dass Moskaus Verbündeter Syrien nicht wieder in die Reihen der arabischen Staats- und Regierungschefs aufgenommen wurde, als Schlappe für Russland. Die Arabische Liga hatte Syriens Mitgliedschaft vor elf Jahren wegen des Bürgerkriegs dort ausgesetzt.

Putin hatte zum Auftakt des Gipfels die Zusammenarbeit zwischen Russland und den arabischen Staaten als Beitrag zum Frieden in der Welt gelobt. Bei einer UN-Vollversammlung vor rund drei Wochen stimmten fast alle arabischen Länder für eine Resolution, die die völkerrechtswidrigen Annexionen Russlands in der Ukraine verurteilt. Viele arabische Staaten leiden unter den Auswirkungen des Kriegs: Die Ukraine ist etwa einer der wichtigsten Lieferant für Getreide in der Region.

Nach Spekulationen über eine mögliche nukleare Eskalation im Krieg in der Ukraine hat Russland den rein defensiven Charakter seiner Atomdoktrin unterstrichen. In der gegenwärtigen turbulenten Lage sei es die wichtigste Aufgabe, "jedwede militärische Konfrontation zwischen Nuklearmächten zu vermeiden", erklärte das Außenministerium in Moskau. Russland halte sich in seiner Abschreckungspolitik daran, dass ein Atomkrieg unzulässig sei. Es gebe bei einem solchen Krieg keine Sieger, und er dürfe niemals entfesselt werden.

Die russische Doktrin sei zutiefst defensiv: Sie erlaube den Einsatz von Atomwaffen nur, wenn Russland selbst mit Massenvernichtungswaffen angegriffen werde oder bei einem konventionellen Angriff, "der die Existenz des Staates bedroht". Dies unterliege keiner Auslegung und keinen Erweiterungen.

Kurz nach dem Angriff auf die Ukraine am 24. Februar hatte Russland seine Atomstreitkräfte in eine höhere Bereitschaftsstufe versetzt - mutmaßlich, um mögliche militärische Unterstützer der Ukraine abzuschrecken. Im Westen wurde zuletzt spekuliert, dass Russland auf die militärischen Misserfolge in der Ukraine vom Spätsommer mit dem Einsatz einer taktischen Atombombe reagieren könnte. Die Zeitung "New York Times" berichtete heute, dass ranghohe russische Militärs den Einsatz einer solchen Bombe erwogen hätten.

02.11.2022 • 17:09 Uhr

Selenskyj berät mit Militärspitze

Angesichts russischer Luftangriffe mit Raketen, Drohnen und Marschflugkörpern hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit der Militärspitze seines Landes über die Lage der Flugabwehr beraten. Der Präsident habe die Notwendigkeit betont, schnell ein effektives Flugabwehrsystem aufzubauen, teilte das Präsidialamt am Mittwoch mit. Es seien aber auch Erfolge der Luftverteidigung zur Kenntnis genommen worden wie der Abschuss mehrerer Kampfdrohnen in der Nacht zuvor. Neben der Lage an der Front sei auch der Wiederaufbau der von Russland zerstörten Energie-Infrastruktur besprochen worden.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat heute eine Modernisierung der russischen Waffenarsenals gefordert. Laut einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters sagte er bei einem Treffen des Koordinationsrats, dass Waffen beständig und fortlaufend verbessert werden müssten. Um das sicherzustellen, sei ein aktiver Wettbewerb zwischen den Herstellern und Entwicklern wichtig, so Putin.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die Zahl der ukrainischen Schüler an deutschen Schulen ist auf mehr als 197.000 gestiegen. Die Bundesländer meldeten zum Stichtag 30. Oktober insgesamt 197.268 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine an den Schulen, wie die Kultusministerkonferenz (KMK) in Berlin mitteilte. Im Vergleich zur Vorwoche stieg die Zahl damit um 1284 an. Allerdings waren in mehreren Bundesländern noch Ferien, weshalb teilweise keine neuen Zahlen gemeldet wurden. Die von der KMK angegebenen Schülerzahlen beziehen sich auf allgemeinbildende Schulen und Berufsschulen.

Russland kann nach den Worten von Präsident Wladimir Putin jederzeit aus dem Getreideabkommen mit der Ukraine wieder aussteigen. Sobald die Ukraine abgegebene Garantien verletze, werde Russland das Abkommen erneut kündigen, sagt Putin nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters in einer Rede. Die Ukraine habe sich Putin zufolge dazu verpflichtet, keine neuen Angriffe aus dem Schwarzen Meer zu starten. Falls diese Garantien verletzt werden sollten, werde Russland die Kooperation beenden, Getreidelieferungen aus der Ukraine über die Türkei jedoch nicht verhindern.

Die amerikanische Regierung wirft Nordkorea vor, Russland im Krieg gegen die Ukraine heimlich mit Militärausrüstung zu unterstützen. Nordkorea versuche die Lieferungen von Artilleriegeschossen über andere Länder etwa im Nahen Osten zu verschleiern, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. "Wir werden weiterhin beobachten, ob die Lieferungen tatsächlich ankommen." Es handle sich um eine "beträchtliche Zahl".

Die US-Regierung gehe aber nicht davon aus, dass diese Lieferungen den Verlauf des Krieges beeinflussen könnten, so Kirby weiter. Die Lieferungen zeigten nicht nur, wie sehr Nordkorea bereit sei, Russland zu unterstützen. Es sei auch ein Zeichen für Russlands Mangel an militärischer Ausrüstung, so Kirby.

Der kambodschanische Premierminister Hun Sen hat seine Zustimmung gegeben, Minenräumer in die Ukraine zu schicken. Dort sollten sie helfen, die von den russischen Besatzern gelegten Landminen zu beseitigen, meldete das kambodschanische Außenministeriums nach einem Bericht der Nachrichtenagentur AP. In Zusammenarbeit mit Japan sollen Ausbilder in die Ukraine geschickt werden. Das habe Sen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in einem Telefonat mitgeteilt.

Kambodscha zählt selbst zu den am schwersten verminten Ländern. Nach dem 1998 nach drei Jahrzehnte beendeten Krieg in dem südostasiatischen Land sind Minen noch immer eine große Gefahr für die Bevölkerung. Kambodschanische Minenräumer gehören zu den besten der Welt und werden von der UN in Afrika und dem Nahen Osten eingesetzt.

Die amerikanische Regierung sieht nach eigenen Angaben derzeit keine Anzeichen dafür, dass Russland Vorbereitungen für den Einsatz von Atomwaffen trifft. Dies teilt Präsidialamtssprecher John Kirby mit. Zu einem Bericht der "New York Times" über derartige Diskussionen in Russland wollte er sich nicht äußern. "Wir haben von Anfang an klargestellt, dass Russlands Äußerungen über den möglichen Einsatz von Atomwaffen sehr besorgniserregend sind, und wir nehmen sie ernst", sagt Kirby. "Wir beobachten dies weiterhin so gut wie möglich und sehen keine Anzeichen dafür, dass Russland Vorbereitungen für einen solchen Einsatz trifft".

Die "New York Times" hatte unter Berufung auf nicht näher genannte US-Amtsträger berichtet, ranghohe russische Militärangehörige hätten darüber gesprochen, wann und wie Moskau womöglich eine taktische Atomwaffe in der Ukraine einsetzen könnte. Russlands Präsident Wladimir Putin sei in die Diskussionen nicht eingebunden gewesen. Und es gebe nach wie vor keine Hinweise, dass Moskau tatsächlich Schritte in diese Richtung unternehme, zitierte die "New York Times" die Amtsträger weiter.

Die ukrainische Regierung bedankt sich bei der Türkei und den Vereinten Nationen (UN) für ihre Rolle bei der Entscheidung Russlands, sich wieder an dem Abkommen für Getreideexporte über das Schwarze Meer zu beteiligen. Infrastrukturminister Olexander Kubrakow hob insbesondere die Bemühungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und des UN-Generalsekretärs Antonio Guterres hervor. Ein Regierungsvertreter sagt zudem der Nachrichtenagentur Reuters, die Entscheidung der Führung in Moskau sei vor allem auf den Druck der Türkei zurückzuführen.

Nach Ansicht der USA hat Russland eingesehen, dass es sich der weltweiten Lebensmittelversorgung nicht in den Weg stellen kann. Sie sei "hocherfreut" über die russische Ankündigung, sich wieder an dem Abkommen zu beteiligen, sagt die US-Botschafterin UN, Linda Thomas-Greenfield, dem Sender CNN.

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht hat Russlands Kehrtwende als ein Signal bezeichnet, das Grund zu vorsichtigem Optimismus gebe. "Nun müssen diesen Ankündigungen aber schnellstmöglich Taten folgen", erklärt Lambrecht. Hunger dürfe niemals als Waffe eingesetzt und die Ärmsten und Schwächsten nicht als Geiseln genommen werden, so die Ministerin weiter.

Mit einer leicht abgewandelten Version des 2013er-Pophits "Supergeil" bittet das ukrainische Militär um Leopard-Kampfpanzer aus Deutschland. In den Videoclip des Künstlers Friedrich Liechtenstein wurden Fotos der bereits gelieferten Flugabwehrwaffen Gepard und Iris-T geschnitten - tituliert als "Super Gepard" und "Super Iris". Damit habe man schon eine "Super Defense" (super Verteidigung), heißt es. Doch dann kommen Szenen von "Super Leopard" im Einsatz - verbunden mit einem "Super Please" (super Bitte). Am Ende heißt es "Dankeschön Deutschland".

Das Video wurde vom Verteidigungsministerium am Mittwoch auf Twitter veröffentlicht. Die Bundesregierung lehnt die Lieferung von Kampfpanzern Leopard und Schützenpanzern Marder bislang ab mit dem Hinweis, dass auch kein anderer Partner der Ukraine so moderne westliche Panzer gebe. Das von Russland angegriffene Land hofft auf Panzer dieser Typen, um besetzte Gebiete leichter befreien zu können. Um international Aufmerksamkeit und Hilfe zu finden, setzt die ukrainische Führung stark auf soziale Medien. Die Memes und Videoschnipsel sind trotz der ernsten Kriegslage oft humorvoll.

Die britische Botschafterin in Russland soll nach Angaben des russischen Außenministeriums einbestellt werden. Russland wirft Großbritannien Mithilfe bei dem Angriff auf den Krim-Marinehafen Sewastopol am vergangenen Samstag vor. "In diesem Zusammenhang wird der britische Botschafter in Kürze ins russische Außenministerium einbestellt werden", sagt eine Sprecherin des Außenministeriums. Großbritannien hat die Beschuldigungen als falsch zurückgewiesen.

Pro-russische Verschwörungserzählungen überzeugen laut einer repräsentativen Befragung immer mehr Menschen in Deutschland. Nach einer in Berlin veröffentlichten Analyse des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) sind Anhänger von AfD und Linke anfälliger für Verschwörungsmythen als Sympathisanten anderer Parteien.

Auch sind die Zustimmungswerte in Ostdeutschland höher als im Westen. Fast jeder fünfte Befragte (19 Prozent) hält der Umfrage zufolge den Krieg in der Ukraine für eine unausweichliche Konsequenz aus einer Provokation der NATO. 21 Prozent stimmten dieser Aussage teilweise zu. Im April hatte die Zustimmung noch bei zwölf beziehungsweise 17 Prozent gelegen.

Eine ähnlich hohe Zustimmung fand sich laut CeMAS für die Aussage, der russische Präsident Wladimir Putin gehe gegen eine globale Elite vor, die im Hintergrund die Fäden ziehe (18 Prozent). 14 Prozent gaben an, dass die Ukraine eigentlich keinen Gebietsanspruch auf die Ukraine habe, und zwölf Prozent meinen, dass die Ukraine gemeinsam mit den USA geheime Biolabore zu Herstellung von Biowaffen betrieben habe. Noch knapp jede zehnte Person stimmte dem Satz zu, dass der Krieg notwendig gewesen sei, um die angeblich faschistische Regierung in der Ukraine zu beseitigen (neun Prozent) und nur der Ablenkung von der Pandemie diene (acht Prozent).

Im Vergleich mit den Werten einer Studie vom April 2022 sei die Zustimmungsrate signifikant gestiegen, so die Autoren der Studie. Auch wenn die Werte nicht als direkte Konsequenz von Desinformation gewertet werden könnten, zeige sich dennoch ein Effekt: Desinformation ziele nicht nur darauf ab zu überzeugen, sondern auch Unsicherheit hervorzurufen. Die CeMAS ist eine gemeinnützige Organisation, die Informationen zu den Themen Antisemitismus, Verschwörungsideologien, Desinformationen und Rechtsextremismus im Internet sammelt und Zivilgesellschaft, Medien und Politik berät.

Die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine werfen die deutsche Wirtschaft konjunkturell sowie strukturell zurück und sorgen für hohe Einbußen. Das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat laut einer Studie, die der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt, die Kosten geschätzt. "Würden diese beiden unheilvollen Ereignisse das Wirtschaftsleben nicht beeinträchtigen, dann wäre die Wertschöpfung in Deutschland in den Jahren 2020 bis 2022 um insgesamt 420 Milliarden Euro höher ausgefallen."

Hohe Staatsausgaben wirkten diesen Verlusten zwar entgegen, beim privaten Konsum waren durch Lockdowns und inflationsbedingte Kaufkraftverluste jedoch Einbußen von rund 400 Milliarden Euro zu verzeichnen, wie die Ökonomen erklärten. "In den drei Krisenjahren kamen Investitionen von 125 Milliarden Euro nicht zustande, was dauerhaft den Wohlstand belastet." Regierung und Ökonomen erwarten für den Winter eine Rezession.

Russland kehrt nach Angaben der türkischen Regierung wieder zu dem Abkommen zurück, das ukrainische Getreideexporte durch das Schwarze Meer ermöglichen soll. Das teilte die Regierung in Ankara mit. Russland hatte das Abkommen nach einem von ihm gemeldeten Angriff auf seine Schwarzmeerflotte ausgesetzt. Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, dass dank der Vermittlung der Türkei die Ukraine zugesichert habe, den Seekorridor nicht für Kampfhandlungen gegen Russland zu nutzen.

Die ukrainische Hauptstadt Kiew ist nach Behördenangaben auch in der Nacht zu Mittwoch beschossen worden. Die ukrainischen Streitkräfte hätten zwölf von 13 Drohnen abgeschossen, die aus iranischer Produktion stammten, teilt Andrij Jermak, der Stabschef des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, auf Telegram mit. "Wir sind derzeit im Gespräch über die Lieferung moderner Luftverteidigungssysteme, wir arbeiten jeden Tag daran."

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die russischen Truppen kommen bei ihren Angriffen in der Ukraine nach Einschätzung britischer Geheimdienste offenbar nur äußerst langsam voran. Das Verteidigungsministerium in London verwies auf Aussagen des Chefs der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, wonach seine Einheiten täglich 100 bis 200 Meter vorrückten. Prigoschin habe zwar gesagt, dies sei in der modernen Kriegsführung normal. Das britische Ministerium betonte aber, die russische Militärdoktrin sehe Vorstöße von 30 Kilometern pro Tag vor.

Zum Vergleich teilte die Behörde weiter mit: "Im Februar planten die russischen Streitkräfte einen 1000 Kilometer weiten Vormarsch durch die Ukraine innerhalb eines Monats. Im September erzielten die ukrainischen Einheiten Vorstoße von mehr als 20 Kilometern pro Tag."

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hat Bund und Länder aufgefordert, bei ihrem heutigen Treffen den Kommunen mehr Geld für die Unterbringung Geflüchteter zuzusichern. "Wir erleben aktuell eine Unterbringungskrise bei der Flüchtlingsaufnahme", sagte der Leiter der Europa-Abteilung von Pro Asyl, Karl Kopp, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Bund und Länder müssten darauf einigen, die Kommunen und Landkreise stärker finanziell zu unterstützen. Kopp warnte davor, wieder zahlreiche Menschen in Zelten und Turnhallen unterzubringen. Zudem sollten weite Liegenschaften zur Verfügung gestellt werden. "Wir müssen dringend verhindern, dass wieder Tausende Geflüchtete über Monate in Massenunterkünften untergebracht werden", betonte Kopp.

Er mahnte die Vorbereitung auf weitere Flüchtlingsbewegungen aus der Ukraine an. "Es werden in den Wintermonaten noch mehr Flüchtlinge aus der Ukraine kommen, weil Putin die Infrastruktur in dem Land zerstört", fügte er hinzu. "Darauf sollten Bund, Länder und Kommunen sich vorbereiten."

Der UN-Koordinator für Getreidetransporte, Amir Abdulla, geht von der zügigen Wiederaufnahme der ukrainischen Lieferungen aus. "Obwohl für den 2. November keine Schiffsbewegungen im Rahmen der #BlackSeaGrainInitiative geplant sind, erwarten wir, dass beladene Schiffe am Donnerstag auslaufen", twitterte er. "Die Exporte von Getreide und Lebensmitteln aus der #Ukraine️ müssen weitergehen."

02.11.2022 • 06:42 Uhr

Russland weitet Evakuierungen aus

Im Süden der Ukraine haben die russischen Besatzungstruppen Zivilisten angewiesen, einen breiten Streifen am östlichen Ufer des Dnjepr zu verlassen. Hintergrund ist offenbar die Erwartung einer ukrainischen Offensive in der Region. Die Regierung in Kiew warf Russland daraufhin Zwangs-Deportationen vor, mit denen ganze Landstriche entvölkert werden sollten. Das seien Kriegsverbrechen. Der von Russland eingesetzte Gouverneur der Region Cherson, Wladimir Saldo, begründete die Evakuierung des Ost-Ufers des Dnjepr mit angeblichen Plänen der Ukrainer, den Staudamm Kachowka mit Raketen anzugreifen und damit die Region zu fluten. Die Regierung in Kiew hatte solche Anschuldigungen als absurd zurückgewiesen.

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: von Russland annektierte Gebiete.

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: Von Russland annektierte Gebiete.

Die Behörden in der ukrainischen Hauptstadt Kiew ziehen nach Angaben des Bürgermeisters Vitali Klitschko wegen der russischen Angriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur verschiedene Szenarien zur Versorgung der Bevölkerung in Betracht. "Das schlimmste wäre, wenn es überhaupt keinen Strom, kein Wasser und keine Fernwärme gäbe", schrieb Klitschko auf dem Kurznachrichtendienst Telegram. "Für diesen Fall bereiten wir über 1000 Heizstellen in unserer Stadt vor." Die Standorte werden mit Generatoren ausgestattet und verfügen über einen Vorrat an lebensnotwendigen Dingen wie Wasser. Russische Raketen- und Drohnenangriffe haben bislang rund 40 Prozent der ukrainischen Energieinfrastruktur beschädigt.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat einen langfristigen Schutz für die Getreideexporte seines Landes über das Schwarze Meer gefordert. "Der Getreidekorridor braucht zuverlässigen und langfristigen Schutz", erklärte Selenskyj in seiner täglichen Online-Botschaft. Russland müsse verstehen, "dass es eine harte, umfassende Antwort auf alle Maßnahmen erhalten wird, die unsere Nahrungsmittelexporte stören", fügte Selenskyj hinzu.

Russland hatte am Samstag seine Teilnahme am Abkommen zum Export von ukrainischem Getreide ausgesetzt und dies mit einem Drohnenangriff auf seine Schwarzmeerflotte auf der annektierten Halbinsel Krim begründet. Nach Angaben des russischen Militärs wurde der Angriff teilweise von dem für den Getreidetransport genutzten Schiffskorridor aus durchgeführt.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat in einem Telefonat mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan erneut die Vorwürfe Russlands zurückgeworfen, die Ukraine bereite den Einsatz einer "schmutzigen Bombe" vor. Scholz habe entsprechende "von Russland erhobene Anschuldigungen" als "haltlos" zurückgewiesen, erklärte das Bundeskanzleramt am späten Abend in einer Mitteilung über das Telefongespräch. Scholz habe gegenüber Erdogan zudem den türkischen Einsatz zur Fortsetzung ukrainischer Getreideexporte im Rahmen des Getreide-Abkommens gewürdigt.

Scholz und Erdogan seien sich "einig" gewesen, dass "Russlands nukleare Rhetorik" unverantwortlich sei. Der Bundeskanzler und der türkische Staatspräsident hätten überdies vereinbart, sich in der "aktuellen Sicherheitslage" weiterhin eng auszutauschen.