Ministerpräsident Petteri Orpo
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Krieg gegen die Ukraine ++ Nur noch ein Übergang an Grenze von Finnland zu Russland ++

Stand: 22.11.2023 23:15 Uhr

Finnland lässt nur noch einen Grenzübergang zu Russland offen. Das kündigte Ministerpräsident Orpo an. Das russische Parlament hat einen Haushalt gebilligt, der einen Rekordbetrag für Verteidigung vorsieht. Der Liveblog vom Mittwoch zum Nachlesen.

22.11.2023 • 23:15 Uhr

Ende des heutigen Liveblogs

Hiermit schließen wir den Liveblog für heute und wünschen eine gute Nacht.

Knapp einen Monat vor der Entscheidung über einen möglichen Start von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine hat deren Präsident Wolodymyr Selenskyj die Bemühungen seines Landes bei allen notwendigen Reformen bekräftigt. Bei einem Treffen mit ukrainischen Regierungs- und Parlamentsvertretern habe er weitere konkrete Schritte und Maßnahmen besprochen, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. "Jeder in der EU soll sehen, wie ernst es die Ukraine meint und wie klar wir das tun, was gefordert wird." Parallel dazu werde auch weiter an einer Anpassung des ukrainischen Militärs an NATO-Standards gearbeitet, erklärte Selenskyj.

Wegen Brandanschlägen auf zwei Rekrutierungsbüros der Armee ist ein Jugendlicher in Russland zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Ein Gericht in St. Petersburg befand den 17-jährigen Jegor Balaseikin des "Terrorismus" schuldig. Der Jugendliche hatte gestanden, aus Protest gegen die russische Offensive in der Ukraine Molotow-Cocktails auf Rekrutierungsbüros in St. Petersburg und in seiner Heimatstadt Kirowsk geworfen zu haben.

Balaseikins Brandsätze hatten allerdings nicht gezündet, es entstand kein nennenswerter Schaden. Seit Beginn der russischen Offensive in der Ukraine im Februar 2022 waren dutzende Rekrutierungsbüros in Russland Ziel von Brandanschlägen. Unterstützer sind besorgt um Balaseikins Gesundheit. Der Jugendliche leidet an Hepatitis und Leberfibrose. Eine Petition, den 17-Jährigen aus Gesundheitsgründen freizulassen, sammelte seit Oktober mehr als 3.000 Unterschriften.

Finnland will nur noch einen seiner Grenzübergänge zu Russland offen halten.  Ministerpräsident Petteri Orpo sagte in Helsinki, lediglich der Grenzübergang Raja-Jooseppi im Nordosten des Landes bleibe geöffnet. Die drei übrigen der zuletzt noch offenen Grenzübergänge werden den Angaben zufolge von Freitag an zunächst bis zum 23. Dezember geschlossen.

Die finnische Regierung wirft Moskau vor, Migranten ohne Papiere über die Grenze zu schleusen, um das seit April zur NATO gehörende Finnland zu destabilisieren. In den vergangenen Monaten hatten die finnischen Behörden einen Anstieg der Zahl von Migranten aus dem Nahen Osten und Afrika - vor allem aus dem Irak, dem Jemen und aus Somalia - registriert.

Bundeskanzler Olaf Scholz fordert den russischen Präsidenten Wladimir Putin nach eigenen Angaben in der G20-Schalte auf, russische Truppen aus der Ukraine zurückzuziehen. Putin hatte an der Schalte der wichtigsten Industrie- und Schwellenstaaten teilgenommen.

Finnland zieht die vollständige Schließung seiner Grenze zu Russland in Erwägung. Sollten die Einreisen von Migranten aus dem Nachbarland anhalten, könnte Finnland einige der noch offenen Grenzübergänge zu Russland oder sogar die gesamte Grenze schließen, sagt die finnische Außenministerin Elina Valtonen der Nachrichtenagentur Reuters.

Am Donnerstag hatte Finnland vier seiner neun Grenzübergänge zu Russland geschlossen, um damit nach eigenen Angaben gegen eine von Russland forcierte illegale Einwanderung von Migranten vorzugehen.

Das russische Parlament hat einen Haushalt gebilligt, der vorsieht, die Ausgaben im Zeitraum 2024 bis 2026 um rund 25 Prozent zu erhöhen und einen Rekordbetrag für die Verteidigung zur Verfügung zu stellen. Der Haushalt wurde am Mittwoch vom Föderationsrat - dem Oberhaus des russischen Parlaments - einstimmig verabschiedet und wird nun an Präsident Wladimir Putin zur Unterzeichnung weitergeleitet. Der Haushalt sei speziell zur Finanzierung des russischen Militärs und zur Abmilderung der Auswirkungen der "17.500 Sanktionen" gegen Russland entwickelt worden, sagte der Vorsitzende der Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin, nachdem das Unterhaus den Haushalt am 17. November verabschiedet hatte.

Es wurde erwartet, dass die Verteidigungsausgaben im kommenden Jahr zum ersten Mal in der modernen russischen Geschichte die Sozialausgaben übersteigen werden. Bei dem Haushalt "geht es darum, den Krieg in der Ukraine in den Griff zu bekommen und für eine dauerhafte militärische Konfrontation mit dem Westen gerüstet zu sein", sagte Richard Connolly, Experte für Russlands Militär und Wirtschaft am Royal United Services Institute in London. Er sprach von einer "umfassenden Remilitarisierung der russischen Gesellschaft".

Litauen hat der Ukraine weitere Militärhilfe für den Kampf gegen Russland geleistet. Das baltische EU- und NATO-Land habe der ukrainischen Armee Munition, Fernzündsysteme und Winterausrüstung übergeben, teilte das Verteidigungsministerium in Vilnius mit. "Unser Engagement für die Ukraine bleibt unerschütterlich", sagte Verteidigungsminister Arvydas Anusauskas. Mit dem Hilfspaket gehe Litauen auf "die wichtigsten Bedürfnisse und Prioritäten der Ukraine" ein.

Litauen gehört international zu den entschlossensten Unterstützern der Ukraine. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums hat der Baltenstaat mit rund 2,9 Millionen Einwohnern seit dem russischen Angriff militärische Hilfe in Höhe von etwa einer halben Milliarde Euro geleistet.

Russland hat sich bei der finnischen Regierung über die Zurschaustellung eines in der Ukraine zerschossenen Panzers vor dem Parlament in Helsinki beschwert. Das finnische Außenministerium bestätigte den Eingang eines Protestschreibens. Der Verband der Ukrainer in Finnland und die Organisation "Eure finnischen Freunde" hatten den Panzer am Wochenende auf dem Bürgerplatz vor dem Parlament aufgestellt. Der T-72B3 sei von ukrainischen Verteidigern zerstört worden und solle daran erinnern, dass der Krieg in Europa weitergehe, teilten sie mit.

Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, nannte die Aufstellung am Mittwoch unangebracht. "Warum Finnland bei solchen Aktionen mitmacht, kann mir scheinbar niemand erklären", sagte sie. Ein zerschossener Panzer gehöre nicht auf einen Platz, der nur 15 Minuten Fußweg von dem Ort entfernt liege, an dem 1975 mit der Schlussakte von Helsinki die Basis für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa gelegt worden sei.

Russlands Präsident Wladimir Putin sagte auf einem virtuellen Gipfeltreffen der G20, es sei notwendig, darüber nachzudenken, wie die "Tragödie" des Konflikts in der Ukraine beendet werden könne. Russland habe sich jedenfalls niemals geweigert, an Friedensverhandlungen teilzunehmen, sagt Putin im Kreis der Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer.

Angesichts des einsetzenden Winters sind die ukrainischen Truppen bei ihrem Kampf gegen die russischen Invasionstruppen an der Front im Osten laut Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer schwierigen Lage. "Schwieriges Wetter, schwierige Verteidigung an den Fronten von Lyman, Bachmut, Donezk und Awdijiwka", teilt Selenskyj über den Kurznachrichtendienst Telegram mit. Im Süden hingegen würde die Armee weiterhin Offensiveinsätze unternehmen.

Der ukrainische Generalstab erklärte, die Verteidigung bei Awdijiwka halte, die Offensive an der südöstlichen Melitopol-Front werde fortgesetzt. Auch würden die Brückenköpfe beim Vorstoß über den Fluss Dnipro gehalten. Zuletzt machten den Truppen Schnee und eisige Temperaturen von tagsüber rund minus fünf Grad zu schaffen. Russische Truppen haben im Herbst Offensiven an verschiedenen Frontabschnitten im Osten gestartet. Dabei versuchen sie auf die zerstörte Stadt Awdijiwka und zwischen den Städten Lyman und Kupiansk vorzustoßen.

Karte Ukraine, schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Die Finanzierung der gestern von Verteidigungsminister Boris Pistorius verkündeten neuen deutschen Waffenhilfe über 1,3 Milliarden Euro für die Ukraine ist nach Angaben eines Ministeriumssprechers gesichert. Er könne aber noch keine Aussage machen, ob die ebenfalls geplante Aufstockung der Militärhilfe um weitere vier Milliarden Euro im Haushalt 2024 kommen werde.

Ungarns Regierungschef Viktor Orban will über eine Veto-Drohung eine Grundsatzdebatte über die Ukraine-Politik der EU erzwingen. Solange man keinen Konsens über die zukünftige Strategie im Umgang mit dem Land gefunden habe, könne es auf Ebene der Staats- und Regierungschefs keine Entscheidungen über zusätzliche finanzielle Unterstützung, Sicherheitsgarantien oder den EU-Erweiterungsprozess geben, schrieb Orban in einem Brief an EU-Ratspräsident Charles Michel. Auch eine Einigung auf weitere Russland-Sanktionen sei bis dahin nicht möglich.

Eine große Mehrheit der EU-Staaten will bei einem Gipfeltreffen Mitte Dezember weitreichende Entscheidungen zugunsten der Ukraine treffen. Dazu zählt auch eine weitere finanzielle Unterstützung in Milliardenhöhe bis Ende 2027. Ein Beschluss ist aber nur möglich, wenn kein Mitgliedsstaat ein Veto einlegt.

Die Ukraine hat nach eigenen Angaben weitere 1,5 Milliarden Euro Hilfsgelder von der EU erhalten. Insgesamt habe die ukrainische Regierung damit in diesem Jahr bislang 16,5 Milliarden Euro von der EU bekommen. Das Finanzministerium in Kiew hofft auf eine weitere Tranche im Dezember.

Die Schweizer Regierung hat grünes Licht für die Ausfuhr von 25 "Leopard 2"-Panzern nach Deutschland gegeben. Die Kampfpanzer sollen an den Hersteller Rheinmetall Landsysteme gehen, wie der Bundesrat mitteilte. Deutschland habe zugesichert, dass die Panzer in Deutschland oder bei NATO- oder EU-Partnern verblieben, um eigene Lücken zu schließen. Mehrere europäische Länder hatten zuvor Panzer an die Ukraine geliefert und damit die eigenen Bestände ausgedünnt.

Die ukrainische Luftabwehr hat nach Angaben des Militärs in der Nacht insgesamt 14 Drohnen der russischen Streitkräfte abgeschossen. Der Angriff habe zwischen 20:00 Uhr abends und 03:00 Uhr in der Nacht über dem Landeszentrum, im Südosten und im Westen stattgefunden. Zudem habe das russische Militär einen "X-22"-Marschflugkörper vom Südosten aus gestartet. Das Geschoss habe jedoch sein Ziel nicht erreicht, sondern sei auf einem Feld niedergegangen.

Berichte über Opfer oder Schäden liegen nicht vor. Russlands Verteidigungsministerium wiederum meldet, seine Luftabwehr habe drei ukrainische Drohnen über der Krim abgeschossen. Russland hatte die ukrainische Halbinsel 2014 annektiert.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, hat davor gewarnt, Ausgaben für die Bundeswehr und die Ukraine-Hilfe nach dem Karlsruher Haushaltsurteil zu kürzen. "Das Sondervermögen Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro bleibt weiter vorhanden, da es im Grundgesetz verankert ist. Hier gibt es keine Auswirkungen des Urteils", sagte die FDP-Politikerin.

"Die acht Milliarden Euro für die Ukraine dagegen sind Stand jetzt nicht sicher. Sie müssen gesondert begründet werden. Daran arbeiten wir ebenso wie an der weiteren Sicherstellung der Ausrüstung der Bundeswehr", sagte sie. Wegen der sicherheitspolitischen Lage müsse die Finanzierung gesichert werden.

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) warnt, dass bei anhaltenden russischen Angriffen die ukrainische Weizenproduktion in den kommenden Jahren nicht in der Lage sein könnte, die Binnen- und Exportnachfrage zu decken. Der WFP-Direktor für die Ukraine, Matthew Hollingworth, sagte, ein demnächst erscheinender Bericht des UN-Menschenrechtsbüros (OHCHR) werde zeigen, dass es seit Mitte Juli 31 dokumentierte Angriffe auf ukrainische Getreideproduktions- und Exportanlagen gegeben habe.

"Wenn die Angriffe auf die Lebensmittelinfrastruktur und die Blockade der See-Exportrouten anhalten, wird dies die Aussichten für die landwirtschaftliche Produktion in den kommenden Jahren dramatisch beeinträchtigen und kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass die Weizenproduktion nicht mehr in der Lage ist, die Binnen- und Exportnachfrage zu befriedigen", ergänzte Hollingworth.

Russland schickt nach ukrainischen Angaben offenbar weniger Nachschub in die umkämpfte Stadt Awdijiwka. Es gebe weniger Boden- und Luftangriffe auf die Stadt, sagt der ukrainische Militärsprecher Oleksandr Stupun im Staatsfernsehen. "Sie verletzen aber immer noch die Kriegsregeln, indem sie auf medizinische Teams und Evakuierungsfahrzeuge schießen." Russland bestreitet die Anschuldigungen. "Die Angreifer lassen jedoch nicht von ihrem Plan ab, Awdijiwka einzuzingeln. Acht Angriffe wurden heute zurückgeschlagen".

Der Chef der Militärverwaltung von Awdijiwka, Witaly Barabasch, sagte, die Kämpfe hätten sich auf ein Industriegebiet konzentriert und die ukrainischen Streitkräfte hielten ihre Stellungen. "Der Feind setzt unsere Jungs weiter unter Druck", sagte er gegenüber dem Radiosender NV. "Sie konzentrieren sich vor allem auf den Einsatz von Drohnen. Immer und immer wieder Drohnen."

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Trotz verhaltener Äußerungen hofft die Ukraine weiter auf eine schnelle Entscheidung zugunsten der Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen. Laut UN sind bisher mehr als 10.000 Zivilisten im russischen Angriffskrieg gestorben. Die Entwicklungen von Dienstag zum Nachlesen im Liveblog.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 22. November 2023 um 06:35 Uhr.