Ukrainische Soldaten bereiten sich auf ihren Einsatz an der Frontlinie in der Nähe von Charkiw (Ukraine) vor.
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Krieg gegen die Ukraine ++ Ukraine ruft Zivilisten im Süden zur Flucht auf ++

Stand: 10.07.2022 22:43 Uhr

Die Ukraine ruft Zivilisten in besetzten Gebieten wegen geplanter Rückeroberungsoffensiven zur Flucht auf. Präsident Selenskyj droht russischen Soldaten nach einem Angriff auf ein Wohnhaus mit Konsequenzen. Die Entwicklungen im Liveblog.

Nach einem Raketenangriff mit vielen Toten im Gebiet Donezk hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj russischen Soldaten mit Konsequenzen gedroht. "Die Bestrafung ist für jeden russischen Mörder unvermeidlich", sagte Selenskyj in seiner Videoansprache. Der Angriff auf den Ort Tschassiw Jar habe einmal mehr gezeigt, dass Russlands Truppen vorsätzlich auch in Wohngebieten töteten. "Nach solchen Angriffen werden sie nicht sagen können, dass sie etwas nicht gewusst oder nicht verstanden haben", sagte der ukrainische Staatschef.

Gemeinsam mit internationalen Beobachtern sammele die Ukraine seit Kriegsbeginn Beweise, um die Verbrechen der Russen aufzuklären, betonte er. In Tschassiw Jar wurden nach einem Raketenbeschuss am Samstagabend bislang 15 Menschen tot aus den Trümmern eines fünfgeschossigen Hauses gezogen. Sechs weitere Menschen konnten die Retter lebend bergen. Noch immer aber werden 23 Menschen vermisst, hieß es von ukrainischer Seite - darunter ein Kind.

Die ukrainische Führung hat Zivilisten im besetzten Süden des Landes wegen geplanter Armee-Offensiven zur Flucht aufgerufen. Einwohner der Gebiete Cherson und Saporischschja sollten dringend ihre Häuser verlassen - notfalls auch in Richtung der bereits seit 2014 von Russland annektieren Schwarzmeer-Halbinsel Krim, sagte Vize-Regierungschefin Irina Wereschtschuk am Sonntagabend. Das sei notwendig, damit die Menschen im Zuge bevorstehender Rückeroberungsversuche nicht gefährdet würden.

Verteidigungsminister Olexij Resnikow sagte in einem Interview der britischen Zeitung "The Sunday Times", Präsident Wolodymyr Selenskyj habe dem Militär befohlen, mithilfe westlicher Waffen besetztes Gebiet im Süden zurückzugewinnen. Insbesondere die Küstengebiete seien für die ukrainische Wirtschaft von großer Bedeutung. Selenskyj hatte in der Vergangenheit bereits mehrfach betont, dass sein Land sich von Russland kontrollierte Regionen zurückholen wolle.

Der Abschied aus Deutschland fällt dem abberufenen ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk nach eigenem Bekunden nicht leicht. "Deutschland bleibt in unseren Herzen", sagte Melnyk der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", "der Abschied fällt uns schwer". "Ich war zweimal in Deutschland auf Posten, ich habe eine sehr enge Beziehung zu diesem Land, die streckenweise auch eine Art Hassliebe war." Seine Amtszeit werde formell "vermutlich in wenigen Wochen zu Ende gehen", zitierte die Zeitung ihn. Dann würden er und seine Familie in die Ukraine ausreisen.

In seiner Zeit als Botschafter, also etwa seit Beginn des von Russland gesteuerten Krieges in der Ostukraine, habe er "andere Jobangebote abgelehnt", um seine Mission in Deutschland weiterführen zu können. Die ukrainische Präsidentschaftskanzlei in Kiew hatte Melnyks Abberufung am Wochenende mitgeteilt.

Wegen regulärer Wartungsarbeiten wird morgen die Pipeline Nord Stream 1 heruntergefahren, die russisches Gas nach Deutschland liefert. Die Bundesregierung rechnet mit rund zehntägigen Arbeiten.

Zugleich äußerten die Bundesnetzagentur und auch das Wirtschaftsministerium zuletzt Bedenken, dass Russland danach den Gashahn nicht wieder andrehen könnte.

Das Energie- und das Außenministerium der Ukraine haben sich "zutiefst enttäuscht" über die Entscheidung Kanadas geäußert, eine reparierte Siemens-Turbine, die für die Erdgaspipeline Nord Stream 1 verwendet wird, an Deutschland zurückzugeben. Die kanadische Regierung müsse die Entscheidung rückgängig machen, heißt es in einer auf der Homepage des Energieministeriums veröffentlichten Erklärung. Kanada würde sich sonst "den Launen Russlands" unterwerfen.

Siemens kündigte an, die reparierte Turbine für die Gaspipeline Nord Stream 1 so schnell wie möglich in Russland installieren zu wollen.

Altkanzler Gerhard Schröder ist weiterhin nicht bereit, seine Kontakte zum russischen Präsidenten Wladimir Putin abzubrechen. "Ich werde meine Gesprächsmöglichkeiten mit Präsident Putin nicht aufgeben", sagte Schröder im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Die deutsche Debatte über die Lieferung von schweren Waffen verfolgt er demnach mit Unverständnis. "Warum konzentriert man sich auf die Lieferung von Waffen?", sagte Schröder der "FAZ". "Ich glaube nicht an eine militärische Lösung. Der Krieg ist nur durch diplomatische Verhandlungen zu beenden."

Schröder war Anfang März nach Moskau gereist und hatte mit Putin über den Ukraine-Krieg gesprochen. Schröder sagte nun der "FAZ": "Soweit ich ihn in meinem Gespräch verstanden habe, gibt es bei ihm ein Interesse an einer Verhandlungslösung. Wie eine solche Lösung aussieht, kann nur in einer Verhandlung geklärt werden." Alle Seiten sollten seiner Meinung nach dazu beitragen, "dass es nicht zu einer weiteren Eskalation des Konflikts kommt". 

Schröder steht seit Monaten wegen seiner Tätigkeiten für russische Energiekonzerne trotz des Ukraine-Kriegs in der Kritik. Aus der SPD gibt es mehr als ein Dutzend Anträge, den Altkanzler aus der Partei auszuschließen.

Die Union hat dem jetzt abberufenen ukrainischen Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, große Verdienste bescheinigt. Botschafter Melnyk habe in dieser schwierigen Zeit für sein Volk gekämpft, sagte Außenpolitiker Roderich Kiesewetter (CDU) der "Augsburger Allgemeinen". Kiesewetter zeigte Verständnis für die teils derbe Wortwahl des Botschafters. Der Außenexperte sagte:

Dass er hier nicht immer den diplomatischen Ton traf, ist angesichts der unfassbaren Kriegsverbrechen und des Leids für das ukrainische Volk mehr als verständlich.

Melnyk war am Samstag aus Berlin abberufen worden. Ob er für einen anderen Posten im diplomatischen Dienst vorgesehen ist, blieb zunächst offen.

Melnyk war zuletzt mehrfach mit harscher Kritik - unter anderem an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) - aufgefallen. Unter Druck geriet der Botschafter zudem wegen positiven Äußerungen zum ukrainischen Nationalisten Bandera, der für die Vertreibung und Ermordung zehntausender polnische und jüdische Zivilisten mitverantwortlich gemacht wird.

Der Rettungsdienst in Tschassiw Jar spricht inzwischen von 15 Toten. 24 Menschen seien in den Trümmern des Wohnhauses verschüttet, schreiben die Rettungskräfte bei Facebook.

Fünf Menschen konnten demnach lebend gerettet werden. Die Einsatzkräfte an dem teilweise eingestürzten Gebäude werden durch einen Bagger unterstützt.

"Ich war im Schlafzimmer, ich kam raus und alles begann zu wackeln, einzustürzen", sagte eine Bewohnerin des Hauses, die ihren Namen nicht nennen wollte, der Nachrichtenagentur AFP.

Papst Franziskus hat erneut ein Ende des "irrsinnigen Krieges" in der Ukraine gefordert. Er erneuere seine "Verbundenheit mit dem ukrainischen Volk, das täglich von brutalen Angriffen auf einfache Menschen gequält wird", sagte das katholische Kirchenoberhaupt beim Mittagsgebet auf dem Petersplatz. Er bete für alle Familien, insbesondere für die Opfer, Verwundeten und Kranken.

Ukrainische Rettungskräfte haben die Opferzahl des russischen Raketenangriffs auf Tschassiw Jar auf zehn korrigiert - zuerst war von sechs Opfern gesprochen worden. Zur Zahl von möglicherweise in dem fünfstöckigen Wohnhaus Verschütteten wurden keine Angaben gemacht.

Die Ortschaft Tschassiw Jar liegt etwa 20 Kilometer von Kramatorsk entfernt. Vor dem Krieg lebten etwa 12.000 Menschen in der Ortschaft.

Kramatorsk hat eine große strategische Bedeutung für die ukrainischen Verteidiger und bereitet sich auf einen russischen Großangriff vor.

Die russische Armee hat nach eigenen Angaben Gebäude im Oblast Donezk angegriffen, in denen M777 Haubitzen aus den USA gelagert worden sein sollen. Einzelheiten gab das Verteidigungsministerium in Moskau nicht bekannt.

Bei einem Angriff auf die Stadt Slowjansk sollen bis zu 100 ukrainische Soldaten getötet worden sein. Beim Raketenbeschuss einer Fabrik seien zudem mehr als 1000 Granaten für US-Haubitzen vom Typ M-777 zerstört worden, so das russische Verteidigungsministerium.

Die USA haben der Ukraine mehr als 90 dieser Haubitzen versprochen, die über eine größere Reichweite als die verbreiteten ukrainischen Geschütze haben. Zudem wurde am Freitag die Lieferung spezieller Munition mit größerer Präzision für diese Haubitzen angekündigt.

Die Bundesregierung hat sich erleichtert gezeigt, dass Kanada den Weg für die Lieferung der Siemens-Turbine für die Gaspipeline Nord Stream 1 frei gemacht hat. "Wir begrüßen die Entscheidung unserer kanadischen Freunde und Verbündeten", teilte Kanzler Olaf Scholz mit. Die Regierung in Ottawa hatte zuvor erklärt, man werde eine Ausnahme von den Russland-Sanktionen machen und die in Kanada gewartete Turbine nach Deutschland zurückschicken.

Außenministerin Annalena Baerbock bedauert, dass der Westen zum Schutz von Zivilisten nicht militärisch in den Ukraine-Krieg eingreifen kann. "Ich hätte zum Beispiel gerne versprochen, dass wir humanitäre Korridore aus den umkämpften Gebieten in der Ukraine garantieren", sagte Baerbock dem "Spiegel".

"Aber wir können das nicht leisten. Ein solches Versprechen müsste militärisch abgesichert werden." Deshalb habe sie auch "klar sagen" müssen, dass es keine Flugverbotszonen geben werde, fügte die Außenministerin hinzu. "Gute Außenpolitik heißt eben auch, einen kühlen Kopf zu bewahren, auch wenn das Herz brennt", so Baerbock.

Nach Ansicht des britischen Verteidigungsministerium könnte die wichtige E40-Straßenverbindung eines der nächsten Ziele des russischen Angriffs werden. Diese verbinde in der Ukraine die Großstädte Charkiw mit Donezk.

Als E40 wird eine Reihe von Straßen in Europa bezeichnet, die sich in West-Ost-Richtung durch den Kontinent zieht. In der Ukraine gehören Teile der Fernstraßen M03 und H20 dazu. Die H20 läuft in Nord-Süd-Richtung von Slowjansk bis Donezk. Einige Militärexperten erwarten, dass die ukrainische Armee in diesem Gebiet eine weitere Verteidigungslinie gegen die russischen Angreifer plant.

Im Oblast Donezk ist nach ukrainischen Angaben ein Wohnhaus von einer russischen Rakete getroffen worden und eingestürzt. Mindestens sechs Menschen wurden getötet und mehr als 30 Menschen könnten unter Trümmern eingeschlossen sein, teilte Gouverneur Pavlo Kyrylenko via Telegram mit.

Demnach wurde das fünfstöckige Gebäude in der Ortschaft Tschassiw Jar von einer Rakete eines "Uragan"-Mehrfachraketenwerfers getroffen.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
10.07.2022 • 06:34 Uhr

Kämpfe bei Charkiw dauern an

Es werden Kämpfe nordwestlich von Charkiw gemeldet. Nach Einschätzung der Analysten des Institute for the Study of War in den USA greifen die russischen Einheiten auch an, um ukrainische Vorbereitungen für eine Gegenoffensive zu behindern.

Das Gelände zwischen der russisch-ukrainischen Grenze und der Großstadt Charkiw wurde nach Beginn des Angriffskrieges schnell von Russland erobert. In den vergangenen Wochen gab es allerdings Geländegewinne für die ukrainische Armee. Durch das Gebiet verlaufen mehrere russische Nachschubrouten für die Truppen im Donbass.

Angesichts der Gaskrise hat der Deutsche Städtetag einen besseren Schutz für die kommunalen Energieversorger gefordert. Der Bund müsse die Stadtwerke "unter den Schutzschirm für die Wirtschaft stellen", sagte Städtetagspräsident Markus Lewe den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Und wir brauchen Bürgschaften und Kredite für betroffene Versorger sowie ein Insolvenzmoratorium, um die Pflicht zu Insolvenzanträgen auszusetzen." Der Oberbürgermeister von Münster betonte: "Die Stadtwerke versorgen Millionen Haushalte, Gewerbe und die Industrie vor Ort. Nahverkehr, kommunale Krankenhäuser, Müllabfuhr und Bäder hängen daran. Die Versorgungssicherheit darf nicht gefährdet werden." 

Die bevorstehende Wartung der Pipeline Nord Stream 1 und die Spekulationen über einen Stopp der russischen Gaslieferungen trieben die Preise immer weiter in die Höhe, warnte Lewe. Die Stadtwerke müssten immer teurer einkaufen und einen Spagat meistern: "Würden die Stadtwerke die hohen Preise weitergeben, könnten das viele Haushalte nicht bezahlen. Wenn sie sie nicht weitergeben, dann könnte es eng werden für viele kommunale Versorger."

Bei der Auszahlung der Energiepauschale bekommen Beschäftigte im Schnitt lediglich 193 Euro netto statt 300 Euro. Das geht aus Berechnungen des Bundesfinanzministeriums hervor, die der Funke Mediengruppe einem Bericht zufolge vorliegen. Das Ministerium bezieht sich bei der Berechnung auf Daten des Statistischen Bundesamtes. Demnach lag im vergangenen Jahr der Bruttojahresverdienst für Vollzeitbeschäftigte bei 54.304 Euro. "Unterstellt man keine weiteren Abzugsbeträge, ergäbe sich in diesem Durchschnittsfall ein Abzugsbetrag von 107 Euro auf die Energiepreispauschale", heißt es in dem Schreiben.

Angesichts der Gaskrise ruft Städtetagspräsident Markus Lewe zum Energiesparen auf. "Schon jetzt müssen wir alle jede Kilowattstunde einsparen, die möglich ist. Alles gehört auf den Prüfstand, in jedem Haushalt und am Arbeitsplatz", sagte Lewe den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Auch die Städte lassen keinen Bereich aus: Straßenbeleuchtung schneller umrüsten und nachts reduzieren, weniger warmes Wasser in öffentlichen Gebäuden, Klimaanlagen kürzer laufen lassen und Heizungen besser einstellen. Energie einsparen und Erneuerbare Energien ausbauen haben jetzt Vorrang."

Der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, befürchtet, dass nach den Sommerferien Schulen durch eine wachsende Zahl ukrainischer Schülerinnen und Schüler überlastet werden könnten. Die Schulpflicht für Kinder aus dem Ausland beginne spätestens nach sechs Monaten. "Dies bedeutet einen weiteren Zuwachs von ukrainischen Schülerinnen und Schülern in den Schulen, über die 140.000 hinaus, die sich bereits im System befinden", sagte Beckmann den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Dieser erwartbare Anstieg trifft auf ein Bildungssystem, das durch jahrelange finanzielle Unterversorgung in dramatischer Weise personell geschwächt ist", sagte Beckmann. "Lehrkräfte arbeiten seit Jahren am Limit und müssen dringend entlastet werden."

Grundsätzlich sei es richtig, Schülerinnen und Schülern, die in Deutschland bleiben wollten, Angebote zum Erlernen der deutschen Sprache zu unterbreiten, sagte Beckmann. Allerdings wollten viele Ukrainerinnen und Ukrainer möglichst schnell in ihre Heimat zurückkehren. "Diesen Menschen ist mit Deutschkursen wenig geholfen. Sie benötigen vielmehr Angebote und Strukturen, die ihnen helfen, an Bildungsangeboten aus der Ukraine teilzunehmen", forderte Beckmann.

Für den Fall einer weiteren Zuspitzung der Energiekrise mit erheblich gestiegenen Preisen hält Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke ein Moratorium für Strom- und Gassperren für nötig. "Es kann passieren, dass die Bundesnetzagentur im absoluten Krisenfall Energieunternehmen erlaubt, gestiegene Preise trotz Preisgarantie an die Verbraucher weiterzugeben", sagte Lemke der "Bild am Sonntag". Sollte es dazu kommen, bräuchte es ein Moratorium für Strom- und Gassperren.

Der Weg für die Lieferung der in Kanada gewarteten Siemens-Turbine für die Gaspipeline Nord Stream 1 ist frei. Die Regierung in Ottawa erklärte, man werde eine Ausnahme von den Russland-Sanktionen machen und die Turbine nach Deutschland zurückschicken. Russland hatte eine Drosselung von Gaslieferungen durch die Pipeline unter anderem mit der fehlenden Turbine begründet. Die Bundesregierung hatte indes betont, sie halte dies für vorgeschoben und sehe, dass Russland Gaslieferungen als politische Waffe einsetze. Russland wiederum hatte erklärt, die Gaslieferungen nach Europa würden wieder erhöht, wenn die in Kanada reparierte Turbine zurückkomme.

Die kanadische Regierung teilte nun mit, man werde eine zeitlich begrenzte und widerrufbare Genehmigung für Siemens Canada erteilen, um die Rückführung reparierter Nord Stream 1-Turbinen nach Deutschland zu ermöglichen. Ohne die notwendige Versorgung mit Erdgas bekäme die deutsche Wirtschaft große Probleme und es bestehe die Gefahr, dass die Deutschen ihre Häuser im Winter nicht mehr heizen könnten, hieß es. Ein Sprecher der Bundesregierung hatte zuletzt bereits von "positiven Signalen" aus Kanada zur Rückführung der Turbine gesprochen. Die Regierung hat argumentiert, die Turbine sollte wieder eingesetzt werden, damit sich Russland nicht mehr auf ein technisches Problem berufen könne. Das wiederum hatte Kanada nicht behagt, weil Ottawa befürchtete, bei einer Lieferung der Turbine zu einer Verdichter-Station in Russland gegen westliche Russland-Sanktionen zu verstoßen. Deshalb war eine Lösung erwogen werden, bei der die Turbine zunächst nach Deutschland geliefert wird.

Die Kürzung der Gaslieferungen durch Nord Stream 1 hat zu Notmaßnahmen der Bundesregierung geführt. Sie sorgt sich unter anderem, dass die deutschen Gasspeicher bis zum Herbst nicht ausreichend gefüllt sein könnten, um auch Unternehmen, die auf Gas zur Produktion angewiesen sind, gut durch den Winter zu bringen.

Am Montag beginnen Wartungsarbeiten an der Pipeline, die zehn Tage dauern dürften. Wiederholt wurde die Befürchtung geäußert, Russland könnte danach noch weniger Gas oder auch gar keines mehr durch die Pipeline schicken.