Krieg gegen die Ukraine ++ General: Russische Verteidigung gut vorbereitet ++
Nach Ansicht des Bundeswehr-Generals Freuding gibt es erste ukrainische Erfolge, aber auch gut vorbereitete russische Stellungen. Nach britischer Einschätzung erleiden beide Seiten derzeit hohe Verluste. Die Entwicklungen vom Sonntag zum Nachlesen.
- Bundeswehr-General sieht erste ukrainische Erfolge
- Britische Geheimdienste: Hohe Verluste auf beiden Seiten
- Stoltenberg: Ukraine muss Friedensbedingungen nennen
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Selenskyj: Abwehr von Angriffen "sehr effektiv"
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskjy hat die "sehr effektive" Abwehr von Angriffen in der Nähe von Awdijwka im Osten des Landes gelobt. In seiner nächtlichen Videoansprache sagte er, die Kämpfe seien in Tawria an der Südfront "am brutalsten". Trotzdem habe es auch dort erfolgreiche Vorstößen gegeben.
32.000 Ex-Häftlinge haben Kampfverträge erfüllt
Inzwischen sollen 32.000 ehemalige Straftäter, die in russischen Gefängnissen von der Wagner-Söldnergruppe angeworben worden waren, ihre Freiheit erhalten haben. Sie hätten ihren Vertrag und den Einsatz bei den Kämpfen erfüllt, sagte Wagner-Chef Prigoschin. Vor der Entlassung müssen die Ex-Sträflinge mindestens sechs Monate Kampfeinsatz in der Ukraine leisten.
Im März hatte Prigoschin die Zahl der entlassenen Ex-Häftlinge noch mit 5000 angegeben. Nach der Eroberung der ostukrainischen Stadt Bachmut hatte er auch mitgeteilt, dass er bei den Kämpfen dort 20.000 Männer verloren habe, davon 10.000 Ex-Häftlinge. Diese Angaben lassen sich allesamt nicht unabhängig überprüfen.
General spricht von ersten Erfolgen der Ukraine
Bundeswehr-General Christian Freuding hat vor zu hohen Erwartungen an die ukrainische Gegenoffensive gewarnt. Zwar sehe man erste Angriffserfolge der ukrainischen Einheiten, aber die russische Verteidigung sei sehr gut vorbereitet.
Langfristig wollte er sich bei den Erfolgsaussichten im Bericht aus Berlin nicht festlegen. Die Ukraine zahle seit mehr als 400 Tagen einen hohen Preis, da müsse man aufpassen, nicht von der "Berliner Sommerterrasse" aus die Taktik und das Vorgehen zu bewerten.
Freuding, der Leiter des neuen Planungs- und Führungsstabes, wies auch darauf hin, dass die Ukraine gerade sehr restriktiv mit Informationen umgeht. Militärisch nenne man dies operational security, um dem Gegner keine Rückschlüsse auf das eigene Verhalten zu ermöglichen.
Angeblich schwere Kämpfe um Pjatychatky
Ein von Russland eingesetzter Verwaltungsbeamter hat bei Telegram Details zur Lage im Dorf Pjatychatky öffentlich gemacht. Diese Angaben lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.
Demnach hat die ukrainische Armee die Ortschaft im Gebiet Saporischschja unter großen Verlusten zurückerobert. Wladimir Rogow schreibt von "Hunderten" Toten auf ukrainischer Seite.
Pjatychatky werde nun von russischer Seite mit Artillerie beschossen, teilte Rogow weiter mit. Ziel sei es, die ukrainischen Truppen einzukesseln und zu vernichten. Die schweren Gefechte dauerten an.
Wasserversorgung nach Staudamm-Katastrophe bleibt angespannt
Durch die Zerstörung des Kachowka-Staudamms wurden auf beiden Seiten des Flusses viele Häuser und viel Infrastruktur verwüstet. Die Menschen im russisch besetzten Ortes Hola Prystan werden mit Trinkwasser aus Flaschen versorgt. In der Region erreichen die Temperaturen tagsüber fast 30 Grad Celsius.
Selenskyj dankt Soldaten
Anlässlich des ukrainischen Vatertags hat Präsident Wolodymyr Selenskyj den eingesetzten Soldaten gedankt. "Danke an jeden ukrainischen Vater, jede ukrainische Familie für unsere starken und mutigen Soldaten, die die Unabhängigkeit der Ukraine verteidigt haben und für das Leben der Ukraine kämpfen", sagte Selenskyj.
"Ich wünsche unseren Vätern, dass sie ein langes und gesundes Leben haben", sagte der Präsident. "Und jedem Vater, der an der Front ist, dass er nach Hause kommt."
Viele ukrainische Soldaten sind keine Berufssoldaten sondern mobilisierte Bürger oder Freiwillige. Sie kämpfen erst seit dem völkerrechtswidrigen russischen Großangriff auf ihre Heimat.
Russland: Größte Kämpfe nahe Saporischschja
Die schwersten Angriffe des ukrainischen Militärs finden nach Angaben der russischen Regierung derzeit an der Front in Saporischschja statt. Das teilt das Verteidigungsministerium in Moskau mit. An drei Frontabschnitten seien die ukrainischen Angriffe abgewehrt worden.
Nicht erwähnt wird die Ortschaft Pjatychatky in der Oblast Saporischschja, die nach Angaben der dortigen russischen Besatzungsverwaltung von ukrainischen Truppen zurückerobert wurde. Unabhängig überprüfen lassen sich solche Angaben zum Kampfgeschehen nicht.
EU-Kommissar sichert raschere Waffenlieferungen zu
EU-Industriekommissar Thierry Breton hat der Ukraine raschere Waffenlieferungen der Europäischen Union zugesagt. "Wir werden unsere Bemühungen zur Lieferung von Waffen und Munition verstärken", sagte er der französischen Zeitung "Le Parisien". Er verwies auf die Zusage, binnen zwölf Monaten eine Million großkalibrige Waffen zu liefern. "Wir stellen uns darauf ein, dass der Krieg noch mehrere Monate dauern wird oder sogar länger."
Großbritannien gibt Ukraine mehr Geld für Cyberabwehr
Großbritannien will sein Programm zur Unterstützung der ukrainischen Cyberabwehr ausweiten. Die Regierung kündigte an, 16 Millionen Pfund zusätzlich zur Verfügung zu stellen. Weitere neun Millionen Pfund könnten demnach von internationalen Verbündeten hinzukommen. Das Paket werde die Ukraine besser in die Lage versetzen, ihre kritische nationale Infrastruktur gegen russische Angriffe zu verteidigen.
"Russlands entsetzliche Angriffe auf die Ukraine beschränken sich nicht nur auf die barbarische Landinvasion, sondern umfassen auch abscheuliche Versuche, die Cyber-Infrastruktur des Landes anzugreifen", sagte Premierminister Rishi Sunak. Diese stelle für die ukrainische Bevölkerung lebenswichtige Dienste vom Bankwesen bis zur Energieversorgung bereit. Die neuen Finanzmittel seien von entscheidender Bedeutung, "um diese Angriffe zu stoppen, die Cyberabwehr der Ukraine zu stärken und die Fähigkeit des Landes zu verbessern, die gegen sie gerichtete Schadsoftware zu erkennen und zu deaktivieren".
Ukrainischer Offizier warnt vor zu hohen Erwartungen an Gegenoffensive
Ein an der Front in der Ukraine eingesetzter ukrainischer Offizier hat davor gewarnt, die laufende ukrainische Gegenoffensive mit Erwartungen an ein Kriegsende zu verbinden. "Bis dahin ist es noch ein langer Weg", sagte der an der Front im Donbass eingesetzte Oberstleutnant Serhij Osatschuk dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Zum Verlauf der Gegenoffensive in seinem Frontabschnitt äußerte sich Osatschuk dennoch positiv - die Streitkräfte rückten jeden Tag weiter vor. Vergleiche man den Krieg in der Ukraine mit dem Ersten Weltkrieg, "dann befinden wir uns im Jahr 1916, nicht weiter", sagte der promovierte Historiker. Danach dauerte der Erste Weltkrieg noch zwei weitere Jahre.
Osatschuk ist laut Bericht in Tschassiw Jar nahe der Stadt Bachmut eingesetzt, die nach monatelangen schweren Gefechten derzeit von russischen Truppen besetzt ist. Mit Blick auf die laufende Gegenoffensive der ukrainischen Streitkräfte sagte der Offizier, das Ziel seien keine verlustreichen Kämpfe um jedes einzelne Dorf. Stattdessen werde eine Umzingelung russischer Truppen angestrebt, damit diese sich aus Angst vor einer Einkesselung großflächig zurückzögen. "Aber ich bin sehr realistisch, ich sehe, was uns gegenübersteht. Da sind russische Divisionen, die sind ebenfalls gut ausgebildet und ausgerüstet. Die haben moderne T-90-Panzer, nicht Museumsstücke vom Roten Platz."
Schraffiert: von Russland besetzte Gebiete
Britische Geheimdienste: Hohe Verluste auf beiden Seiten
Bei den heftigen Kämpfen in der Ukraine erleiden nach Einschätzung britischer Geheimdienste sowohl die ukrainische als auch die russische Seite derzeit hohe Verluste. Das geht aus einem am Sonntag veröffentlichten Bericht des britischen Verteidigungsministeriums hervor.
Die russischen Truppen hätten in den vergangenen Tagen wahrscheinlich die schwersten Verluste seit der Schlacht um die Stadt Bachmut im März hinnehmen müssen, hieß es. Eine Schätzung zu den Opferzahlen machte das Ministerium nicht.
Demnach finden die intensivsten Kämpfe im Oblast Saporischschja, im Westen des Oblasts Donezk und rund um Bachmut statt. "In allen diesen Gebieten ist die Ukraine weiterhin in der Offensive und hat kleine Vorstöße gemacht", hieß es weiter. Im Süden gelängen Russland hingegen oft relativ erfolgreiche "Defensiveinsätze". Das Verteidigungsministerium veröffentlicht seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen das Nachbarland vor bald 16 Monaten täglich einen Bericht. Moskau wirft London Desinformation vor.
Behörden melden höhere Totenzahl nach Staudamm-Zerstörung
Die Zahl der Toten infolge der Staudammzerstörung im Süden der Ukraine ist gestiegen. In dem von der Ukraine kontrollierten Überschwemmungsgebiet zählen die Behörden mittlerweile 16 Tote. 31 Menschen werden nach Angaben des ukrainischen Innenministeriums zudem noch vermisst. In dem von Russland besetzten Territorium hat sich derweil die Totenzahl auf 29 erhöht, wie ein von Moskau eingesetzter Statthalter mitteilt.
Weltverband: Russische Rodler bleiben gesperrt
Auch die kommende Saison im Rennrodeln wird wegen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine nach derzeitigem Stand ohne Athletinnen und Athleten aus Russland stattfinden. Diese bleiben gesperrt, wie der Rennrodel-Weltverband Fil am Samstag auf seinem Kongress in der rumänischen Hauptstadt Bukarest beschloss. Dafür sprachen sich 22 Mitgliedsnationen aus, eine war dagegen, fünf enthielten sich.
Alle Athletinnen und Athleten, Trainer und andere Funktionäre des Russischen Rennrodelverbandes bleiben von Fil-Wettbewerben bis auf Weiteres gesperrt, um "die Sicherheit" und "friedliche Sportwettkämpfe mit Integrität" zu gewährleisten, hieß es einer Verbandsmitteilung. Solange der im Februar 2022 angefangene Krieg andauere, würden die Russen im Rennrodel-Sport außen vor bleiben. Bereits im vergangenen Winter waren russische Sportlerinnen und Sportler deswegen ausgeschlossen worden.
"New York Times": Russland Verursacher von zerstörten Damm
Die "New York Times" legt in einem Bericht nahe, dass Russland für die Zerstörung des Kachowka-Staudamms verantwortlich sein dürfte. Es gebe Hinweise, die klar darauf hindeuteten, "dass der Damm durch eine Explosion lahmgelegt wurde, die von der Seite ausgelöst wurde, die ihn kontrolliert: Russland". Die Zeitung beruft sich auf Ingenieure und Sprengstoffexperten.
Den Fachleuten zufolge könne aber nur eine vollständige Untersuchung des Damms ergeben, welche Abfolge von Ereignissen zu der Zerstörung geführt habe. Auch Erosion durch Wasser "könnte zu einem Versagen geführt haben", sofern der Damm schlecht konstruiert oder der Beton minderwertig gewesen sein sollte. "Aber Ingenieure hielten das für unwahrscheinlich", heißt es in dem Bericht. Russland und die Ukraine werfen sich gegenseitig vor, für die Zerstörung verantwortlich zu sein.
Ukraine: Munitionslager auf besetztem Gebiet zerstört
Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben ein Munitionslager in der Nähe der russisch besetzten Hafenstadt Henitschesk zerstört. Es habe sich um ein "sehr bedeutendes" Depot gehandelt, teilte die Militärverwaltung in Odessa mit. Russland äußerte sich zu den Angaben bisher nicht. Das Gebiet liegt in der südukrainischen Region Cherson.
Konferenz für Wiederaufbau in London
Der britische Premierminister Rishi Sunak will kommende Woche bei einer Konferenz in London um private Investitionen für den Wiederaufbau der Ukraine werben. Wie sein Büro mitteilte, will er Investoren und Unternehmen bei der Veranstaltung am Mittwoch dazu drängen, das vom Krieg zerstörte Land "finanziell stärker" und "technologisch fortschrittlich" zu machen.
An dem Treffen sollen mehr als 1000 Regierungsvertreter aus 61 Ländern sowie Wirtschafts- und Unternehmensvertreter teilnehmen. Deutschland wird von Außenministerin Annalena Baerbock und Entwicklungsministerin Svenja Schulze vertreten.
Die erste Konferenz dieser Art fand im Juli vergangenen Jahres in Lugano in der Schweiz statt. Die zweitägige Konferenz, die von Großbritannien und der Ukraine gemeinsam ausgerichtet wird, zielt nun vor allem auf den Privatsektor ab. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird per Video zugeschaltet. Sowohl EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als auch US-Außenminister Antony Blinken sprechen voraussichtlich bei der Auftaktsitzung.
Stoltenberg warnt vor Scheinfrieden
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnt vor einem Scheinfrieden in der Ukraine. "Wir wollen alle, dass dieser Krieg endet. Aber damit ein Frieden dauerhaft sein kann, muss er gerecht sein", sagte er der "Welt am Sonntag". "Frieden kann nicht bedeuten, den Konflikt einzufrieren und einen Deal zu akzeptieren, der von Russland diktiert wird. Nur die Ukraine allein kann die Bedingungen definieren, die akzeptabel sind", fügte er hinzu.
Der NATO-Chef verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass militärische Erfolge auf dem Kriegsschauplatz die Verhandlungsposition der Ukraine stärken würden: "Je mehr besetztes Territorium die Ukraine befreien kann, desto bessere Karten hat sie am Verhandlungstisch, um einen gerechten und dauerhaften Frieden zu erreichen."
Selenskyj bedankt sich für westliche Hilfe
Inmitten der laufenden ukrainischen Gegenoffensive hat Präsident Wolodymyr Selenskyj sich bei westlichen Partnern für die anhaltende Militärhilfe bedankt. In seiner abendlichen Videoansprache erwähnte er auch explizit Deutschland, das gerade erst die Lieferung von 64 weiteren Lenkflugkörpern für Luftverteidigungssysteme vom Typ Patriot an das angegriffene Land angekündigt hatte. Selenskyj dankte auch allen Ländern und Organisationen, die die Ukraine nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms bei der Bewältigung der Hochwasserfolgen unterstützen.
Der Liveblog vom Samstag zum Nachlesen
Bundesverteidigungsminister Pistorius hat Waffenlieferungen an die Ukraine gegen Kritik verteidigt. Der ukrainische Botschafter in Berlin, Makeiev, bekräftigt die Forderung nach Kampfjets und Langstreckenmunition.