Ignazio Cassis
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Krieg gegen die Ukraine ++ Schweiz will Russland an Verhandlungstisch bekommen ++

Stand: 15.01.2024 01:49 Uhr

Beim Ukraine-Gipfel in Davos hat der Schweizer Außenminister Cassis als Ziel genannt, Russland an den Verhandlungstisch zu bekommen. Das russische Militär hat erneut die ukrainische Stadt Cherson beschossen. Der Liveblog vom Sonntag zum Nachlesen.

15.01.2024 • 01:49 Uhr

Ende des Liveblogs

Wir beenden an dieser Stelle den heutigen Liveblog und bedanken uns für Ihr Interesse.

Die Ukraine räumt bei ihren Gesprächen zur Beendigung des Kriegs mit Russland dessen Partner China eine wesentliche Rolle ein. Es sei wichtig, dass China bei weiteren Gesprächen über die vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj entworfene "Friedensformel" mit am Tisch sitze, sagte der ukrainische Präsidialamtschef Andrij Jermak im schweizerischen Davos.

Dort hatten vor der am Montag beginnenden Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums Sicherheitsberater der Regierungen von 80 Staaten über mögliche Wege zu einem Frieden beraten. Russland und China waren in der Runde nicht vertreten.

Die Ukraine sieht wachsende Unterstützung für ihren Friedensplan im Krieg mit Russland und strebt perspektivisch einen Friedensgipfel auf höchster Ebene an. Russland könne an einem solchen Treffen aber nur teilnehmen, wenn es ein ernsthaftes Ansinnen für einen Frieden im Sinne der Ukraine beweise, sagte der Leiter des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak, in Davos in der Schweiz.

Hier hatten zuvor mehr als 80 Länder und internationale Organisationen an einer Konferenz über die Vorschläge der Ukraine für einen dauerhaften Frieden teilgenommen. Aktuell seien Friedensverhandlungen mit Russland nicht möglich, machte Jermak klar. Er zeigte sich zugleich zufrieden, dass zuletzt mehr Länder ihre Unterstützung für die Ukraine signalisiert und an den Gesprächen auf Ebene der Sicherheitsberater teilgenommen hätten.

In wichtigen Fragen sei man sich hier einig. Ziel sei, dass bis zu einem Gipfel der Staats- und Regierungschefs ein ausgearbeiteter Friedensplan vorliege. Die Ukraine fordert unter anderem den Rückzug aller russischen Truppen aus dem Land, auch von der Krim. Ebenso verlangt sie Strafen für russische Kriegsverbrecher, Reparationen und Sicherheitsgarantien.

Sicherheitsberater aus 83 Ländern haben schweizerischen Davos über einen möglichen Frieden in der Ukraine diskutiert. Absicht der Gespräche unter dem Vorsitz des ukrainischen Präsidentenberaters Andrij Jermak und des Schweizer Außenministers Ignazio Cassis sei gewesen, sich vorzubereiten, "so dass wir bereit und fertig sind, einen Prozess mit Russland einzuleiten - wenn die Zeit gekommen ist", sagte Cassis bei einer Pressekonferenz. 

Grundlage für die Gespräche war ein Zehn-Punkte-Plan des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj für einen andauernden und gerechten Frieden in der Ukraine. Cassis sagte, es müsse ein Weg gefunden werden, Russland in die Gespräche einzubeziehen, derzeit seien aber weder Kiew noch Moskau bereit für einen solchen Schritt. 

Angesichts immer neuer russischer Angriffe mit Drohnen und Marschflugkörpern gegen Ziele in der Ukraine hat die Luftwaffenführung in Kiew eine flächendeckende elektronische Flugabwehr vorgeschlagen. Demnach könnten die Gemeinden selbst die Mittel für den Kauf elektronischer Geräte aufbringen, mit deren Hilfe die Sensoren der anfliegenden Drohnen gestört werden könnten. "Man kauft zwar keine Waffen - also Schusswaffen, Kanonen oder Flugabwehrsysteme - aber sie (die elektronischen Geräte) helfen, Leben zu retten", sagte Juri Ihnat, Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, im ukrainischen Fernsehen.

"Eine Rakete kann so umgelenkt werden und ihr Ziel nicht erreichen", erklärte Ihnat die Wirkung der elektronischen Störgeräte. Diese könnten inzwischen problemlos privat erworben werden. "Viele zivile Unternehmen sind inzwischen an der Herstellung von elektronischen Systemen zur Kriegsführung beteiligt." Ihnat sah darin die Zukunft der Flugabwehr. "Es gibt keinen Grund, teure Raketen zu verschwenden, wenn man den Feind auf diese Weise aufhalten kann", sagte er.

Die russische Luftwaffe hat nach offiziellen ukrainischen Angaben bei einem Angriff in der Ostukraine ein Getreidelager zerstört. Das Gebäude in Wowtschansk sei von einer Flugzeugbombe getroffen und größtenteils zerstört worden, teilte Polizeisprecher Serhij Bolwinow auf Facebook mit. In dem Ort unweit der Grenze zu Russland sei bei dem Angriff in der Nacht zum Sonntag zudem ein Gebäude für den Getreideumschlag zerstört worden.

Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig prüfen. Die russischen Militärs haben seit Beginn ihres Angriffskriegs gegen die Ukraine vor fast zwei Jahren immer wieder Objekte der zivilen Infrastruktur ins Visier genommen.

Die hohe Zahl der Teilnehmerländer bei der Ukraine-Konferenz in Davos ist nach den Worten des Schweizer Außenministers Ignazio Cassis ein großer Erfolg. Gut 80 Delegationen seien bei dem eintägigen Treffen, sagte er heute. Die Verständigung auf Grundprinzipien für eine Friedenslösung auf so breiter Ebene könne dazu beitragen, Russland eines Tages an den Verhandlungstisch zu bekommen.

Auch China, das nicht teilnahm, müsse möglichst eingebunden werden, sagte Cassis. Es sei ermutigend, dass Länder der BRICS-Gemeinschaft der aufstrebenden Schwellenländer wie Brasilien, Indien, Saudi-Arabien und Südafrika dabei seien, die Kommunikationskanäle zu Moskau offen zu halten.

Das russische Militär hat heute nach Angaben der Nachrichtenagentur AP die ukrainische Stadt Cherson beschossen. Sechs Menschen seien dabei verletzt worden, teilte die Militärverwaltung der Region mit. Im Großraum Cherson seien zudem vier Löschkräfte verletzt worden, als eine Drohne ihre Feuerwehrstation angegriffen habe.

Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zieht nach britischen Erkenntnissen auch die russische Gesundheitsversorgung in Mitleidenschaft. Die russische Zivilbevölkerung spüre höchstwahrscheinlich die Auswirkungen des Krieges auf das Gesundheitswesen in ihrem Land, teilte das britische Verteidigungsministerium in seinem regelmäßigen Geheimdienst-Update mit:

Russische Medien hätten berichtet, dass die breite Öffentlichkeit im ganzen Land Probleme habe, Zugang zu Krankenhausdienstleistungen zu erhalten, schrieb das Ministerium. Auch Medikamente wie Antibiotika seien demnach knapp. Der Krieg trage wahrscheinlich in bedeutendem Maße zu dieser Situation bei, da verwundete Soldaten in den Krankenhäusern behandelt werden müssten.

Der Kreml sei außerdem dazu gezwungen, aufgrund eines Mangels an Klinikpersonal und finanziellem Druck landesweit bei der zivilen Gesundheitsversorgung zu kürzen.

Nach Unterzeichnung eines Sicherheitsabkommens mit Großbritannien hofft der ukrainische Präsident Wolodymir Selenskyj auf ähnliche Vereinbarungen mit weiteren Ländern. "Wir werden mit anderen Partnern arbeiten, um unsere Sicherheit weiterzuentwickeln", schrieb der Präsident auf Facebook. "Wir machen die Ukraine Schritt für Schritt stärker." Das Abkommen mit Großbritannien gebe der Ukraine Sicherheit, während sie sich gegen die russische Aggression verteidige, schrieb Selenskyj. Zugleich stärke es die Position seines Landes bis zu einem NATO-Beitritt.

Das Abkommen war am vergangenen Freitag bei einem Besuch des britischen Premierministers Rishi Sunak in Kiew unterzeichnet worden. Es schreibt fest, dass London die Ukraine jetzt, aber auch in möglichen zukünftigen Konflikten mit Russland unterstützt. Dabei geht es um schnelle und dauerhafte Militärhilfe, nicht um den Einsatz britischer Soldaten.

Bei einem ukrainischen Drohnenangriff auf die russische Grenzregion Kursk ist nach Angaben der dortigen Behörden ein Mann verletzt worden. Die Drohnen hätten das Dorf Tjotkino direkt an der Grenze zur nordukrainischen Region Sumy getroffen, teilt der Gouverneur der Region Kursk mit. Eine Stellungnahme der Ukraine liegt zunächst nicht vor.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Ein wegen Korruption verurteilter Ex-Bürgermeister der ostrussischen Großstadt Wladiwostok geht einem Zeitungsbericht zufolge statt ins Gefängnis an die Front in der Ukraine. Oleg Gumenjuk war im vergangenen Jahr zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden, weil er Bestechungsgelder in Höhe von umgerechnet mehr als 390.000 Euro angenommen haben soll. Er war ab 2018 Bürgermeister der Hafenstadt in Russlands Fernem Osten und trat 2021 nach massiver Kritik an seiner Amtsführung zurück. Wie die Zeitung "Kommersant" unter Berufung auf Gumenjuks Anwalt berichtete, meldete sich der ehemalige Politiker inzwischen zum Dienst an der Front.

Russland bietet Häftlingen Begnadigung an, wenn sie sich für den Frontdienst in der Ukraine melden. Zehntausende Gefangene haben davon Gebrauch gemacht.

Der russische Dichter und Kreml-Kritiker Lew Rubinstein ist tot. Der 76-Jährige sei heute an den Folgen eines Verkehrsunfalls gestorben, erklärte seine Tochter Maria Rubinstein in ihrem Blog auf der Website "Live Journal". Rubinstein war am 8. Januar beim Überqueren einer Straße in der Hauptstadt angefahren und in kritischem Zustand ins Krankenhaus eingeliefert worden. Nach Angaben der Moskauer Verkehrsbehörde hatte der bereits an mehreren Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung beteiligte Autofahrer vor dem Zebrastreifen nicht abgebremst.

Der 1947 in Moskau geborene Rubinstein war einer der großen Namen der sowjetischen Untergrund-Literaturszene der 1970er- und 1980er-Jahre. Aus seiner Ablehnung der Regierung des russischen Präsidenten Wladimir Putin hatte der Dichter nie ein Geheimnis gemacht. Im März 2022 unterzeichnete Rubinstein gemeinsam mit anderen russischen Schriftstellern einen offenen Brief, der den Angriff der russischen Armee auf die Ukraine als "kriminellen Krieg" bezeichnete

Die nordkoreanische Außenministerin Choe Son Hui besucht nach Angaben staatlicher Medien kommende Woche Russland. Sie werde Russland von Montag bis Mittwoch auf Einladung von Außenminister Sergej Lawrow einen offiziellen Besuch abstatten, meldete die staatliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA.

Nordkorea und Russland sind traditionell Verbündete und haben ihre Beziehungen in der jüngeren Vergangenheit ausgebaut. Die USA hatten Anfang des Monats erklärt, Pjöngjang habe kürzlich ballistische Raketen sowie Raketenwerfer an Moskau geliefert. Einige von ihnen seien bei Luftangriffen auf die Ukraine Ende Dezember und Anfang Januar eingesetzt worden.

In der Schweiz hat eine Ukraine-Konferenz über die Grundsätze eines dauerhaften Friedens in dem Krieg begonnen. Vertreter von rund 80 Staaten hatten zuvor nach Angaben des Schweizer Außenministeriums ihre Teilnahme zugesagt. Das waren weitaus mehr als bei den drei Vorgängerkonferenzen im vergangenen Jahr in Dänemark, Saudi-Arabien und auf Malta.

Im Mittelpunkt steht die "Friedensformel" des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Sein Zehn-Punkte-Plan sieht unter anderem den Abzug aller russischen Truppen, Strafen für russische Kriegsverbrecher, Reparationen und Sicherheitsgarantien vor. Die Ukraine sucht breite Anerkennung dafür, um Ländern, die sie zu Zugeständnissen an Russland drängen wollen, den Wind aus den Segeln zu nehmen. Für Deutschland ist nach Angaben einer Regierungssprecherin Jens Plötner dabei, Berater des Bundeskanzlers für Außen- und Sicherheitspolitik.

Selenskyj wird selbst in Davos erwartet. Er soll am Dienstag eine Rede bei der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums (WEF) halten.

Kathrin Hondl, ARD Genf, zzt. Davos, tagesschau, 14.01.2024 10:11 Uhr

Die Ukraine wirft Russland den gehäuften Einsatz von verbotenem Tränengas gegen ukrainische Soldaten in deren Schützengräben vor. Seit Beginn des Krieges vor fast zwei Jahren seien 626 Fälle gezählt worden, teilte der ukrainische Generalstab mit. In den ersten Januartagen 2024 seien es 51 Fälle gewesen mit steigender Tendenz von bis zu zehn Angriffen am Tag.

Die Granaten mit dem Reizgas CS, das vielerorts auch von der Polizei verwendet wird, würden von Drohnen abgeworfen oder von Artillerie verschossen. Im Krieg ist der Einsatz von Tränengas durch die Chemiewaffen-Konvention verboten, die auch Moskau unterzeichnet hat. Unabhängige Bestätigungen für die ukrainischen Angaben gab es nicht.

Das britische Russland-Forschungsinstitut Rusi hatte im Juni 2023 über den möglichen Einsatz von Reizgas durch russische Truppen geschrieben, gestützt auf einen Bericht im staatlichen russischen Fernsehen. Weil die ukrainischen Soldaten ihre ABC-Schutzausrüstung gegen atomare, biologische und chemische Waffen hätten, könne ihnen das Tränengas nicht viel anhaben, analysierte das Institut. Das Tragen der Gasmasken sei aber hinderlich beim Kämpfen.

Nach Angaben der Ukraine hat Russland das Land in der Nacht und am Morgen erneut schwer angegriffen. Beim jüngsten Kriegsgefangenenaustausch holte Moskau laut Medienberichten viele Straftäter zurück. Der Liveblog vom Samstag zum Nachlesen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR Aktuell am 14. Januar 2024 um 07:12 Uhr.