Aus für EU-Richtlinie zur Krümmung von Gurken Freiheit für Europas Gurken!
Sie stand für die Regulierungswut der Europäischen Union: Die berühmt-berüchtigte Vorschrift zum Krümmungsgrad der Gurke. Ausgerechnet diese Vorzeige-Regelung hat die EU-Kommission nun abgeschafft. Aber die Mehrheit der Mitgliedsstaaten nimmt ihr das krumm.
Von Christopher Plass, HR-Hörfunkstudio Brüssel
Die Gurke – cucumis sativus – was musste sie nicht alles an Spott, Schimpf und Schande über sich ergehen lassen! Für alles, was sich Brüsseler Bürokraten so einfallen ließen, musste die Gurke gewissermaßen geradestehen.
Vor allem: Sie durfte sich nicht krümmen, zumindest wenn sie ein Erste-Klasse-Produkt sein wollte. Nicht mehr als 10 Millimeter auf 10 Zentimeter Länge durfte sich die Gurke in Handelsklasse eins zur Seite neigen, nicht mehr als 20 Millimeter in Handelsklasse zwei, alles genauestens festgehalten in der Verordnung 1677 von 1988.
Mehr Bewegungsfreiheit für die EU-Gurke
Zwanzig Jahre also musste die EU-Gurke förmlich Haltung bewahren. Vieles, was zu krumm war, landete im Essigglas oder – im Abfall. Künftig sollen Europas Gurken mehr Bewegungsfreiheit genießen. Die strengen EU-Vorschriften wurden abgeschafft – nicht nur für die Gurke, sondern auch 25 andere Obst- und Gemüsesorten.
Auch Aprikosen, Pflaumen, Äpfel oder Spargel dürfen – unter anderen - aus der Norm fallen: "Vom 1. Juli nächsten Jahres an kann jeder im Supermarkt natürlich auch weiterhin Äpfel, die heute Handelsklasse eins sind, kaufen. Aber zulässig sind dann auch kleine und schrumpelige Äpfel oder Karotten mit Fehlern. Und natürlich krumme Gurken."
Michael Mann und mit ihm die EU-Kommission – er ist ihr Sprecher – tragen jetzt die Gurke wie eine Monstranz vor sich her. Brüssel möchte sich eben nicht nachsagen lassen, dass es ständig alles nur reguliere. Die Gurke und andere werden jetzt dereguliert. "Wir glauben nicht länger, dass die EU das regulieren muss. Es gibt ja auch andere internationale Standards. Der Handel sollte das selbst regeln und nicht irgendwelche Anzugträger in Brüssel", sagt Mann.
16 Staaten fordern Gurken mit Haltung
Nun waren diese Anzugträger nie hauptverantwortlich dafür, dass Aussehen und Krümmungsgrad der Gurke so exakt festgelegt waren. Der Handel hatte gesagt, solche Standard-Gurken könne man besser einpacken oder besser vergleichen. Und siehe da: Nun, wo die Brüsseler Kommission die Gurke in die Freiheit entlässt, sind zahlreiche Mitgliedsstaaten weiter dagegen: Frankreich, Spanien, Italien zum Beispiel.
Im zuständigen Fachausschuss der EU kam es in Sachen "Gurke" zum Showdown. Man höre und staune: 16 Mitgliedsstaaten wollen an der Gurken-Verordnung festhalten. Das sind mehr als jene, die sie abschaffen wollen.
Aber – die Gurke kann aufatmen – die Mehrheit reichte nicht für eine völlige Blockade: "Das war harte Arbeit, es gab viel Widerstand", sagt Kommissionssprecher Mann. Dankbar kann sich die Gurke nun auch vor Deutschland verneigen: Auch hier hat man sich lange verzweifelt gekrümmt - der Abschaffung der Gurkenverordnung stimmte Deutschland jetzt aber doch zu.