Autos im Starkregen

Wetterthema Gota Fría

Stand: 31.10.2024 13:06 Uhr

Wie kam es zu den verheerenden Regenfällen im Südosten Spaniens?

Von Tim Staeger, ARD-Wetterkompetenzzentrum

Vor allem in der Region westlich von Valencia fielen von Dienstag auf Mittwoch verbreitet 150 bis über 300 Liter pro Quadratmeter, an der Station Chiva wurden sogar 491 Liter gemessen, davon allein 343 innerhalb von nur 4 Stunden! In Valencia beträgt der durchschnittliche Jahresniederschlag 475 Liter.

Regensummen in Spanien Dienstag auf Mittwoch

Die verantwortliche Wetterlage tritt vor allem im Herbst in Spanien immer wieder auf, und wird Gota Fría genannt, was auf Deutsch „Kalter Tropfen“ bedeutet. Gemeint ist damit kalte Luft in mehreren Kilometern Höhe, die aus nördlichen Breiten einfließt und über dem zu dieser Jahreszeit noch warmen Mittelmeer Starkregen auslöst. Ähnlich katastrophal wirkte sich das zuletzt 1996 aus, als in den Pyrenäen 87 Todesopfer zu beklagen waren.

Doch welche Vorgänge über unseren Köpfen verursachen so ungewöhnlich intensiven Starkregen?

In der oberen Troposphäre zwischen 5 und 10 km Höhe trennt die sog. Polarfront normalerweise wärmere subtropische Luftmassen von kälterer Luft polaren Ursprungs. Jedoch muss die Atmosphäre Temperaturunterschiede zwischen äquatornahen und polaren Regionen ausgleichen, da durch den höheren Sonnenstand in niederen Breiten dort ein Energieüberschuss herrscht. Würde die Polarfront keine Durchmischung dieser Luftmassen erlauben, würde es an den Polen immer kälter und am Äquator immer wärmer werden.

Durch die Erddrehung wirkt jedoch eine ablenkende Kraft auf sich bewegende Luftteilchen, die sog. Corioliskraft. Diese ist umso stärker, je näher man sich dem Pol nähert. Durch die Corioliskraft wird die Höhenströmung an der Polarfront abgelenkt und es entsteht eine Wellenbewegung, die in der Draufsicht idealisiert an eine Schlangenlinie erinnert. Das sind die sog. Rossby-Wellen. An ihnen entstehen die Tiefdruckgebiete, die uns das abwechslungsreiche Wetter bescheren.

Nun kann es jedoch manchmal vorkommen, dass sich eine Ausbuchtung der Polarfront in einem sog. „Cut-Off-Prozess“ als eigenständiges Gebilde von ihr abschnürt. Das sind die gefürchteten Kaltlufttropfen. Denn diese Höhentiefs sind oft am Erdboden nicht zu erkennen und führen aufgrund der sehr kalten Luft zu einer sogenannte Labilisierung der atmosphärischen Schichtung, wodurch Schauer, Gewitter und eben auch Starkregen ausgelöst werden.

Zudem sind die Kaltlufttropfen häufig von der Höhenströmung entkoppelt, wodurch ihre Verlagerung eher durch bodennahe Winde beeinflusst wird. Jedoch führen diese Höhentiefs oft so etwas wie ein Eigenleben, wodurch die Prognose des Wetters, selbst für die kommenden 24 Stunden, großen Unsicherheiten unterworfen ist.

Im Zuge des Klimawandels drohen solche Extremwetterereignisse künftig noch intensiver ausfallen, denn nicht nur die Atmosphäre erwärmt sich, sondern auch die Meere. Die Temperatur des oberflächennahen Meerwassers ist innerhalb der vergangenen etwa 40 Jahre um etwa 1,5 Grad angestiegen. Dadurch verdunstet mehr Feuchtigkeit, was bei entsprechenden Wetterlagen, wie man jetzt feststellen musste zu noch stärkeren Niederschlägen führt.

Besonders verheerend wirkten sich zudem die regionalen Besonderheiten aus: Der meiste Regen fiel im Stau der Berge im Hinterland von Valencia. Die Wassermassen hatten keine Zeit zu versickern und bahnten sich an der Oberfläche in Sturzfluten Ihren Weg.

Wie verheerend diese Wetterlage ohne Klimawandel ausgefallen wäre und wie stark die Wahrscheinlichkeit für weitere Katastrophen dieser Art künftig ansteigt, sind Fragen, mit denen sich die sogenannte Attributions- oder auch Zuordnungs-Forschung beschäftigt. Dabei wird mit Hilfe von Klimamodellen und Beobachtungsdaten abgeschätzt, wie stark sich der Klimawandel auf einzelne Wetter-Ereignisse auswirkt.