Wetterthema Kann das Klima kippen?
Klimaänderungen vollziehen sich nicht nur schleichend, sondern mitunter auch sprunghaft.
Denn bei einer fortschreitenden Erhöhung der Weltmitteltemperatur könnten kritische Schwellen überschritten werden, jenseits derer unumkehrbare Vorgänge ablaufen. Nachhaltige Umwälzungen innerhalb relativ kurzer Zeit wären die Folge. Solche Entwicklungen, wie beispielsweise den Rückgang des Arktischen Meereises werden als Kippelement bezeichnet.
Man stelle sich eine Murmel vor, die in einer Mulde herum kullert. Dies soll einen Klimazustand darstellen, beispielweise die mittlere Fläche des arktischen Meereises. Die Bewegung der Kugel entspricht hier den jährlichen Schwankungen der minimalen Eisbedeckung. Innerhalb einer gewissen Schwankungsbreite ist der Zustand stabil. Nehmen die Schwankungen aufgrund einer äußeren Einwirkung zu, so kann die Kugel über den Rand der Mulde in eine benachbarte, eventuell noch tiefere Mulde kullern und es nicht mehr zurück schaffen.
Durch die globale Erwärmung verringert sich in den letzten Jahren die Meereisbedeckung in der Arktis zunehmend. Dadurch wird dort weniger Sonnenstrahlung in den Weltraum zurückgeworfen, da sich die weiße, reflektierende Fläche ebenfalls verringert hat, was zu einer weiteren Erwärmung und einem beschleunigten Rückgang des Eises führt. Das System droht in einen neuen Zustand zu kippen, in dem die Arktis im Sommer eisfrei sein wird, das ist wahrscheinlich bereits in wenigen Jahrzehnten der Fall.
In der Folge sind großräumige Veränderungen der atmosphärischen Strömungen und damit der Witterungsablauf auch hierzulande wahrscheinlich, aber in ihrer Ausprägung kaum abzuschätzen. Eine Rückkehr zum vorherigen Zustand ist dann auf längere Sicht nicht mehr möglich, da die starke Erwärmung einen erneuten Eiszuwachs verhindert. Die kritische Belastungsgrenze liegt möglicherweise nur zwischen 0,5 und 2 Grad globaler Erwärmung. Seit der Industrialisierung hat sich bereits eine Erwärmung um ca. 1,2 Grad vollzogen, eine Temperaturzunahme um 2 Grad erscheint aus heutiger Sicht kaum noch abwendbar.
Ein weiteres sensibles Kippelement ist das Abschmelzen des Grönländischen Eispanzers. Denn das Schmelzwasser, welches sich durch die Gletscher bis auf den felsigen Untergrund frisst, wirkt wie ein Gleitmittel und destabilisiert die riesigen Eismassen, die in der Folge im großen Stil ins Meer rutschen können. Das nachfließende Eis gelangt dann in tiefere und damit wärmere Schichten und schmilzt dadurch beschleunigt ab. Ein komplettes Abschmelzen des Grönländischen Inlandeises wäre ebenfalls unumkehrbar und würde den Meeresspiegel um etwa sieben Meter ansteigen lassen.
Weitere potenzielle Kippelemente betreffen unter anderem den Westantarktischen Eisschild, den Permafrost in der Tundra oder den Amazonas-Regenwald. Die Unsicherheiten sind hier noch recht groß, die potenziellen Auswirkungen leider auch.