Aluminium-Produktion in Deutschland Schmutzig, teuer, überflüssig
Welche Branchen müssen mit Abstrichen bei den Ökostromrabatten rechnen? Die Aluminium-Industrie nicht, sie ist für alle Parteien tabu. Die Unterstützung der hiesigen Alu-Herstellung ist immens, ökonomisch wie ökologisch aber sehr fragwürdig.
Aluminium - das ist angeblich der Werkstoff der Zukunft. Stabil, leicht und in großen Mengen verfügbar. Der Bedarf steigt - weltweit um vier Prozent im Jahr. Den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch hat mit fast 40 Kilogramm pro Einwohner Deutschland. Hier geht das meiste Aluminium in die Automobilproduktion.
Durchschnittlich 150 Kilogramm stecken in jedem Pkw, ein Audi A8 bringt es sogar auf 600 Kilogramm. Aber auch für Flugzeuge, Kaffeekapseln und Zahnpasta wird das "Gold des 21. Jahrhunderts" gebraucht.
Allerdings: Die Herstellung von Aluminium ist extrem aufwändig und umweltschädlich. Das beginnt mit dem Abbau des Rohstoffs Bauxit und gipfelt im immensen Stromverbrauch.
Die Essener Alu-Hütte der Firma Trimet verbraucht so viel Strom wie die gesamte Stadt Essen - einschließlich aller anderen Industrie- und Gewerbebetriebe. Für die Herstellung von einer Tonne Primäraluminium werden im Schnitt rund 15 Megawatt-Stunden Strom benötigt - so viel, wie ein Zwei-Personen-Haushalt in fünf Jahren verbraucht.
Ein Winzling in der Alu-Branche
In Deutschland werden gerade einmal rund 500.000 Tonnen Aluminium (Primär- und Sekundär-Alu) pro Jahr hergestellt. Damit ist Deutschland ein Zwerg unter den Alu-Herstellern, denn weltweit werden jährlich etwa 50 Millionen Tonnen hergestellt. In den vier deutschen Aluminium-Hütten sind lediglich 2000 Arbeitnehmer beschäftigt.
Doch der Aufwand, der für die Alu-Produktion getrieben wird, ist enorm - finanziell und politisch. So erhält der größte deutsche Aluminium-Hersteller Trimet für die 4,2 Milliarden Kilowattstunden Strom, die er in diesem Jahr verbraucht, nach Recherchen des WDR Strompreis-Vergünstigungen in Höhe von rund 450 Millionen Euro.
Angaben in Mio. Euro | ||
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EEG-Umlage | 260 | |
Stromsteuer | 86 | |
KWK-Umlage (Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz) | 5 | |
Konzessionsabgabe | 5 | |
Netzentgelt | 70 | |
§19-Umlage | 10 | |
Offshore-Haftungsumlage | 7 | |
Strompreiskompensation (Erstattung indirekter CO2-Kosten | 7-14 | |
Abschaltprämie (abzüglich 50% für eigenen Aufwand) | 7 | |
Abzug Eigenanteil (KWK/Netzentgelt/Offshore-Umlage) | minus 7 | |
Summe aller Strompreisvergünstigungen | 450 |
Jeder Arbeitsplatz mit 440.000 Euro subventioniert
Umgerechnet wird also im laufenden Jahr jeder der 1020 Arbeitsplätze in den beiden Trimet-Aluminium-Hütten mit rund 440.000 Euro subventioniert. Das ist fünfmal so viel, wie die Steinkohle-Kumpel zu ihren besten Zeiten aus den Fördertöpfen erhielten. Die Zahlen sind auf die beiden anderen Produzenten in Voerde und Neuss mit noch einmal 1000 Beschäftigen übertragbar.
Aus Sicht des Unternehmens handelt es sich dabei nicht um Subventionen. "Wir werden lediglich von Kosten entlastet, die es im Rest der Welt nicht gibt", sagt Trimet-Sprecher Heribert Hauck. Und die meisten Politiker stimmen dem zu, verteidigen trotz aller Kritik an den Strompreisprivilegien der Industrie die Vergünstigungen für die Aluminium-Hersteller.
Schützende Hand der Politik
NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sieht bei einer Abkehr den Industriestandort Deutschland in Gefahr, ihr SPD-Parteifreund und Energieminister Sigmar Gabriel fuhr im Bundestagswahlkampf nach Voerde im Kreis Wesel, um die drohende Schließung der dortigen Aluminium-Hütte als Signal der beginnenden De-Industrialisierung zu geißeln. NRW-Umweltminister Johannes Remmel von den Grünen spricht von "gesellschaftlicher Solidarität" für die Alu-Hütten. Und selbst EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia, der die Befreiung vieler Unternehmen von der EEG-Umlage sonst bei jeder Gelegenheit kritisiert, gab jüngst den Aluminium-Herstellern eine Art Bestandsgarantie.
Eines der häufigsten Argumente: Es gehe nicht nur um die - wenigen - Arbeitsplätze in den Alu-Hütten, sondern um die gesamte "Wertschöpfungskette", einschließlich der nachgelagerten Aluminium-Verarbeitung mit mehreren Zehntausend Arbeitsplätzen. Doch diese Unternehmen sind schon jetzt zu 80 Prozent auf Aluminium und Alu-Vorprodukte aus dem Ausland angewiesen. Bei einem Verbrauch von rund 2,5 Millionen Tonnen im Jahr würde der Wegfall von rund 500.000 Tonnen Aluminium aus deutschen Hütten kaum ins Gewicht fallen - zumal es weltweit erhebliche Überkapazitäten gibt.
Als weitere Rechtfertigung für die hohen Subventionen wird oft der vermeintliche ökologische Nutzen des Werkstoffs Aluminium angeführt. "Wir brauchen Aluminium als Werkstoff, um beispielsweise leichtere Autos zu produzieren", sagt zum Beispiel NRW-Umweltminister Remmel, "und leichtere Autos bedeuten weniger CO2-Ausstoß."
Fragwürdige Ökobilanz
Doch das stimmt nur in der Theorie. Wissenschaftler wie Michael Ritthoff vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie, weisen darauf hin, dass der hohe Energieeinsatz beim Aluminium auch erhebliche Mengen CO2 freisetzt - besonders in Deutschland, wo immer noch rund die Hälfte des Stroms aus Kohlekraftwerken stammt. Ein Audi A8 etwa, in dem rund 600 Kilogramm Aluminium stecken, muss demnach mindestens 170.000 Kilometer fahren, bis er das erste Gramm CO2 einspart. Wenn dann auch noch die Gewichtsersparnis genutzt wird, um stärkere Motoren einzubauen, fällt die Ökobilanz vollends negativ aus.
"Sinnlose Subvention"
Konfrontiert mit den Recherchen des WDR zeigt sich selbst ein Umweltfunktionär wie Dirk Jansen, Geschäftsführer des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) in Nordrhein-Westfalen, überrascht von der geringen wirtschaftlichen Bedeutung der Aluminium-Herstellung und den im Vergleich dazu enormen Subventionen. "Es macht überhaupt keinen Sinn - weder volkswirtschaftlich noch ökologisch -, diesen marginalen Industriezweig künstlich zu subventionieren", erklärte Jansen im WDR.
Er plädiert damit nicht nur für ein Ende der Subventionen, sondern auch für ein Ende der Aluminium-Produktion in Deutschland überhaupt. Eine Forderung, die sich angesichts der Fakten sicher gut begründen lässt, aber dennoch für heftige Diskussionen sorgen dürfte.