Arbeitsmarkt und Industriekrise Warum es immer mehr Kurzarbeit gibt
Durch Konjunkturkrise und Strukturwandel wird die Industrie in Deutschland gerade doppelt durchgeschüttelt. Die Folge: immer mehr Kurzarbeit. Besonders stark betroffen ist der Südwesten.
Es summt und dröhnt in der Produktionshalle der Wörner GmbH in Denkendorf im Landkreis Esslingen in Baden-Württemberg. In großen Maschinen werden Metallteile zurechtgefräst und anschließend zusammengesetzt: Das Ergebnis sind Stopper und Positionssysteme, die Wörner in alle Welt verkauft. Sie kommen in anderen Fabriken als Teil von Produktionsanlagen zum Einsatz, beim Bau von Küchengeräten oder Elektronikprodukten zum Beispiel, meist jedoch in der Automobilindustrie.
Seit bald 60 Jahren besteht das Geschäft der Maschinenbauer von Wörner Automatisierung mit seinen derzeit etwa 90 Beschäftigten. In den kommenden Wochen dürfte es in der Halle allerdings deutlich ruhiger zugehen. Denn der Betrieb bekommt die Flaute in der Branche gerade mit voller Wucht zu spüren.
Doppelkrise für den Maschinenbau
Das erklärt Tobias Weber, Typ Manager ohne Krawatte, dafür mit Dreitagebart, der seit Mitte des Jahres die Geschäfte bei Wörner führt: "Weltweit ist die Nachfrage zurückgegangen. Unsere Kunden haben es zuerst gespürt, seit kurzem merken wir es bei Wörner. Im Spätsommer mussten wir von einem Dreischichtbetrieb in einen Zweischichtbetrieb übergehen."
Die Gründe für die schleppenden Geschäfte klingen bekannt: Die lahmende Konjunktur und der Strukturwandel in der Autoindustrie, der europäischen Herstellern und Zulieferern neue Konkurrenz aus China beschert und den Kostendruck in der Branche enorm gesteigert hat. Zeitversetzt hätten diese Probleme nun auch die Maschinenbauer eingeholt, sagt Weber. In den vergangenen Wochen und Monaten sei die Auslastung der Produktion weiter zurückgegangen.
Bei Wörner haben sie nun zu einem bewährten Mittel gegriffen: Ab dem 1. November hat der Betrieb für sämtliche Beschäftigen des Unternehmens Kurzarbeit angemeldet. Zwischen 50 und 60 von ihnen, vor allem aus der Montage und der Produktion, soll es in einem ersten Schritt treffen. In dieser Woche wollen sie entscheiden, wer in naher Zukunft im Betrieb kürzertreten soll.
Kurzarbeiterspitzenreiter Baden-Württemberg
Betroffen sein könnte Carmen Mondel, die an einer Werkbank steht und mit einer Maschine Zylinder in Metallteile drückt. Seit anderthalb Jahren arbeitet sie bei Wörner und denkt an die anstehende Kurzarbeit mit gemischten Gefühlen: "Man ist schon beunruhigt und fragt sich, wie es weitergehen soll. Andererseits können wir froh sein, dass wir unsere Jobs behalten können." Die Kurzarbeit ist zurück - und zwar nicht nur bei den Automatisierungsspezialisten aus dem Landkreis Esslingen.
Bundesweit registrieren die Arbeitsagenturen seit Monaten steigende Zahlen. Besonders betroffen ist Baden-Württemberg mit seiner starken Industrie. Gut 57.000 Menschen in dem Bundesland haben der Regionaldirektion der Bundesagentur zufolge im Juli, dem Monat mit den neuesten Zahlen, konjunkturelles Kurzarbeitergeld erhalten - ähnlich viele wie im Monat zuvor.
Die Kurzarbeiterquote für das Land belief sich auf 1,2 Prozent. Bundesweit liegt die Quote nur etwa halb so hoch.
Verband: Auftragsflaute wie bei Corona
Das Ende der Fahnenstange muss damit jedoch noch nicht erreicht sein. Der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) in Baden-Württemberg geht davon aus, dass in den kommenden Monaten weitere Betriebe in Kurzarbeit gehen werden. Die Geschäfte der Branche laufen schleppend. Für den Zeitraum Januar bis September stehe bei den Auftragseingängen der Unternehmen im Schnitt ein Minus von 13 Prozent in den Büchern.
"Unsere Betriebe sind derzeit im Schnitt nur zu rund 79 Prozent ausgelastet. Damit nähern wir uns einem Niveau an, das wir in der Coronazeit hatten", erklärt der Geschäftsführer des Verbands im Südwesten, Dietrich Birk. Sollten die Betriebe bis Ende des Jahres keine spürbare Verbesserung der Lage spüren, müsse man auch damit rechnen, dass Jobs abgebaut würden.
Zukunftsinvestitionen in der Krise
Bei den Automatisierungsexperten von Wörner in Denkendorf hört man dagegen ganz andere Töne. Das Management verbreitet Zuversicht - der Krise zum Trotz. Und denkt schon wieder an bessere Tage: Man sei froh, dass es die Kurzarbeit gebe. So könne man die Stammbelegschaft halten und schnell wieder durchstarten, wenn die Krise einmal durchgestanden ist, meint Geschäftsführer Weber.
Außerdem versucht man, die angespannte Auftragslage produktiv zu nutzen: "Wir werden die Zeit für zwei große Projekte nutzen. Zum einen wollen wir unseren Vertrieb digitalisieren. Zum anderen wollen wir zusammen mit dem Fraunhofer-Institut unsere Montage-Prozesse optimieren." Eine Betriebsmodernisierung in der Auftragsflaute - damit das Dröhnen und Surren in der Denkendorfer Fabrikhalle bald wieder genauso brummt wie früher.