Braune Tafeln an Autobahnen Blechen für neun Quadratmeter Blech?
Ein gewohnter Anblick auf Autobahnen: braun-weiße Schilder, die auf Sehenswürdigkeiten hinweisen. Wenn die Tafeln wegen Abnutzung ausgetauscht werden müssen, wird es kostspielig.
Vom "Barfußpark Lüneburger Heide" bis zum "Limesmuseum Aalen", vom "Industriemuseum Ratingen" bis zum "Spielzeugdorf Seiffen": Mehr als 3.500 "touristische Unterrichtungstafeln" stehen entlang der bundesdeutschen Autobahnen verteilt. Doch bald könnten es weniger sein.
An der A3 nahe dem niederbayerischen Straubing beispielsweise stehen seit 2001 zwei Schilder: Sie zeigen einen tropischen Tukan auf einem Ast, daneben ein zähnefletschender Tiger. Die Stadt Straubing möchte Autofahrer dazu anhalten, den örtlichen Zoo zu besuchen. Doch ein anderes Tier sorgt jetzt aller Voraussicht nach dafür, dass die Schilder verschwinden: der "Bürokratie-Hengst".
"Das ist ja hier keine Weltraummission"
Denn die Autobahn GmbH des Bundes hat der Stadt mitgeteilt, dass die Schilder, die dort seit 23 Jahren stehen, entfernt werden müssen - aus Gründen der "Verkehrssicherungspflicht". Konkret bemängelt das Staatsunternehmen die Stabilität der Fundamente der Schilder sowie die verblassten Reflexionsstreifen.
Für eine Erneuerung der Schilder veranschlagt die Autobahn GmbH bis zu 83.000 Euro. Eine stattliche Summe für knappe neun Quadratmeter bedruckten Aluminiums. Der Straubinger Bürgermeister Markus Pannermayr (CSU) meint dazu nur: "Das ist ja hier keine Weltraummission, die wir machen. Es geht darum, zwei Schilder entlang einer Straße aufzustellen. Das müsste eigentlich für 15.000 bis 20.000 Euro machbar sein."
Neue Autobahngesellschaft - neue Preise
2001 kosteten die beiden Schilder umgerechnet rund 6.000 Euro. Damals zuständig: die Autobahndirektion Südbayern, die als Behörde keine Kosten für Verwaltung oder Verkehrssicherung berechnet hat. Anstelle der Behörde kümmert sich heute die Autobahn GmbH, die im Zuge der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen 2017 entstanden ist, um die Autobahnen. Sie dürfe als GmbH des Bundes diesen Service heute nicht mehr übernehmen, sondern "muss die tatsächlich entstandenen Kosten in vollem Umfang weiterreichen".
Der Straubinger Stadtrat hat einstimmig beschlossen, die Mittel für eine Erneuerung der Zoo-Schilder nicht bereitzustellen. Für den Abbau der Schilder würde die Autobahn GmbH allerdings auch 10.000 bis 12.000 Euro in Rechnung stellen.
Die Rosen sind nicht groß genug
Auch in Sangerhausen in Sachsen-Anhalt gibt es Ärger um eine "touristische Unterrichtungstafel". Sie weist auf die größte Rosensammlung der Welt, das "Europa-Rosarium", hin. Diesem braun-weißen Touristenführer sieht man seinen langjährigen Dienst durchaus an. Die weißen Konturen der gezeigten Rosen heben sich kaum noch vom Hintergrund ab, die bedruckte Folie bröckelt. Eigentlich - so der Gedanke - könne man doch einfach die Schrift und die Grafik auf dem bestehenden Schild erneuern.
In der Realität brachte allerdings die Gründung der Autobahn GmbH 2021 auch neue Regelungen für die Hinweisschilder mit sich. Bisher messen die Schilder, so auch die in Sangerhausen, zwei mal drei Meter. Die Autobahn GmbH fordert Schilder nach der neuen Norm, nach der sie nun 2,40m mal 3,60m messen müssten. Vergangenen Oktober teilte die Autobahngesellschaft der Stadt mit, dass die "vorläufigen Kosten" pro Schild bei 181.000 Euro lägen.
Diese enorme Summe veranlasste den Sangerhausener Bürgermeister Sven Strauß (SPD) dazu, sich in einem Brief direkt an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) zu wenden; ein Schritt, den nun auch sein Amtskollege aus Straubing gegangen ist.
Schilder lassen Touristen anhalten
Die hohen Kosten für die Tourismusschilder werfen grundsätzlich die Frage auf, ob sie ihren Zweck erfüllen und Autofahrer dazu animieren, einen Zwischenstopp bei der jeweiligen Sehenswürdigkeit einzulegen. Die Hochschule Harz hat hierzu 2019 eine Umfrage durchgeführt. Ergebnis: Die weiß-braunen Tafeln wirken. "Offenbar gibt es kurz-, mittel- und langfristige Wirkungen", erklärt Studienautor Sven Groß.
Zwei von drei Personen gaben an, dass sie sich an konkrete Schilder sowie die auf diesen abgebildeten Sehenswürdigkeiten, Städte oder Landschaften erinnern könnten. Jeder Sechste sei schon mindestens einmal dem Hinweis des Schildes gefolgt. "Einige Personen haben uns in zusätzlichen Leitfadeninterviews von Listen erzählt, die sie sich während oder nach der Autofahrt machen", so Groß weiter.
Zur Anzahl der gut 3.500 Schilder in Deutschland gaben 50 Prozent an, die Zahl solle gleich bleiben; 40 Prozent wünschten sich gar mehr Schilder. Ob sich Städte und Gemeinden die Hinweise auf ihre Sehenswürdigkeiten angesichts der immensen Kosten weiterhin leisten wollen, ist aber mehr als fraglich.