Bäcker in der Krise Ist der Ofen bald aus?
Auch vor der Corona-Krise mussten jedes Jahr Hunderte Bäckereien wegen der wachsenden Billig-Konkurrenz aufgeben. Nun macht die Pandemie den mittelständisch geprägten Betrieben zusätzlich zu schaffen.
Köthen ist eine kleine, beschauliche Stadt mitten in Sachsen-Anhalt. Seit 90 Jahren gibt es hier die Bäckerei Rödel. Der Traditionsbetrieb überstand Krieg und Sozialismus. Doch nur wenige Wochen vor den geplanten Jubiläums-Feiern könnte nun Corona dafür sorgen, dass der Ofen für immer ausgeht. Das befürchtet jedenfalls Bäckermeister Frank Schwenke, Geschäftsführer des Betriebes, der 14 Filialen und rund 70 Beschäftige hat.
Gastronomiegeschäft ist weggebrochen
Genervt von der Corona-Politik schickte Schwenke vor wenigen Wochen einen Brandbrief an die Bundeskanzlerin, der mit den drastischen Worten endete: "Ich habe Angst vor dem Tag, an dem ich meinen Mitarbeitern bekannt geben muss, dass sich die Stadtbäckerei Rödel GmbH nach 90 Jahren nun in Insolvenz befindet." Das Schreiben ging auch an die schwarz-rot-grüne Landesregierung von Sachsen-Anhalt sowie an Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU).
Die Pandemie hat dem Bäckerei-Betrieb arg zugesetzt: Der Umsatz brach um 20 Prozent ein, rund 300.000 Euro aus Rücklagen und Privatvermögen sind futsch. Die staatlichen November- und Dezemberhilfen kamen sehr spät. Seit Januar gibt es gar nichts mehr, weil der Betrieb durch das Raster der laufenden Überbrückungshilfe III fällt. Hohe Investitionen für Hygienemaßnahmen der Gastronomiebereiche haben sich als unnötig erwiesen - denn Schwenke darf seine Bäckerei-Cafés nicht öffnen.
Genau hier liegt für den Bäcker-Fachmann wie auch für die meisten Betriebe der Branche das Hauptproblem: Während der Verkauf von Brötchen, Kuchen und anderen losen Backwaren in der Pandemie nach anfänglichem Zögern der Kunden wieder ganz gut läuft, ist das wichtige Geschäft mit dem Gastronomiebereich zusammengebrochen. Der ist aber in der von einem scharfen Wettbewerb geprägten Branche von entscheidender Bedeutung. "Viele Unternehmen haben in den vergangenen Jahren hohe Investitionen in den Gastrobereich getätigt", sagt Susan Hasse vom Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks. "Denn nur mit diesem zweiten Standbein können sie im scharfen Preiskampf mit den Discountern überleben."
Keine Hotels zum Beliefern
Tatsächlich macht der Gastronomiebereich der Branche häufig mehr als die Hälfte des Umsatzes aus. Doch der fällt jetzt seit Monaten wegen der Coronavirus-Pandemie weg. Andere Unternehmen haben sich zusätzlich zum Backwarenverkauf aufs Catering für Partys und Familienfeste oder die Belieferung von Hotels oder Kantinen spezialisiert. Auch hier ist das Geschäft zusammengebrochen. "Wir bekommen viele Zuschriften von unseren Mitgliedern", so Verbands-Sprecherin Hasse. "Viele Leute resignieren, weil es kaum Perspektiven gibt."
Zwar geht es den meisten Bäckereien im Vergleich zu reinen Gastronomie-Betrieben noch einigermaßen gut, weil ihr Thekenverkauf rund läuft. Aber insgesamt sei die Lage schon sehr angespannt, heißt es aus dem Verband. Die Corona-Krise trifft die Branche in einem massiven Strukturwandel, der die meist kleinen und mittleren Betriebe schon seit Jahren immer mehr unter Druck setzt. Überleben können immer mehr Betriebe heute nur noch, wenn sie mehrere Filialen und zusätzlich einen weiteren Geschäftsbereich haben. Denn gegen die Billig-Konkurrenz der Supermärkte können sie nicht anbacken.
Immer weniger Handwerksbetriebe
Fast jeder Discounter hat mittlerweile eine Frischbrot-Ecke und gibt vor, im Supermarkt leckere Brötchen zu backen. Tatsächlich handelt es sich aber meistens um Tiefkühlware aus Großbäckereien, die dort am Fließband produziert wurde. Im Markt wird sie dann nur noch aufgetaut und aufgebacken - das alles zu Preisen, mit denen die traditionellen Bäckerei-Betriebe nicht mithalten können, wie es vom Verband heißt. Dort schaut man gerade heute am "Tag des Deutschen Brotes" mit Stolz auf die rund 3200 Brot-Sorten in Deutschland - so viele wie nirgendwo auf der Welt. Aber die hätten eben ihren Preis.
Firmenschließungen sind deshalb auch ohne Corona an der Tagesordnung. Jedes Jahr geben mehrere Hundert Bäckereien auf: So sank die Zahl der Handwerksbäckereien in den letzten 60 Jahren von rund 55.000 im alten Bundesgebiet auf jetzt etwa 10.500 Betriebe. Tendenz weiter sinkend. Die Handwerksbetriebe beliefern derzeit rund 45.000 Verkaufsstellen, über 265.000 Beschäftigte arbeiten dort.
Heftige Umsatzeinbrüche auch bei Konditoren
Sehr angespannt ist auch die Lage bei den Konditoreien - also den Fachgeschäften, die sich auf die Herstellung von Torten oder Pralinen spezialisiert haben. Zwar leisteten sich viele Menschen gerade in Corona-Zeiten schon eher mal ein schönes Stückchen Kuchen, und "die Betriebe haben sich auch viele kreative Lösungen einfallen lassen, um den Thekenverkauf zu erhöhen", sagt Julia Gustavus, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Konditorenbundes. Doch wie in der Bäckerei-Branche sind auch hier die Cafés geschlossen - und das trifft fast jeden Konditor. Der Umsatz der Branche ging im vergangenen Jahr ging um 14 Prozent zurück. Für die ersten Monate dieses Jahres rechnet der Branchenverband mit Einbrüchen von 40 bis 50 Prozent. "Am schlimmsten ist die Unsicherheit, wie es weitergeht", sagt Gustavus. Seit einem Jahr werde immer wieder investiert und experimentiert - aber alles ohne Perspektive. "Das ermüdet die Unternehmer, die ja alle mit Herzblut bei der Sache sind."
Bäcker und Konditoren hoffen nun, dass die Verantwortlichen das Impftempo beschleunigen, damit wenigstens die Außengastronomie wieder öffnen kann: "Wenn es bis Juni keine Normalisierung gibt, wird es langsam eng", sagt Bäckermeister Schwenke aus Köthen. Von der Politik zeigt er sich enttäuscht. Zwar habe es nach seinem Brief gute Gespräche mit dem Wirtschaftsministerium von Sachsen-Anhalt gegeben, wo man über einen Hilfsfonds für die Branche nachdenke. Geld geflossen sei daraus bislang aber nicht. Die Reaktionen aus Kanzleramt und bayerischer Staatskanzlei waren hingegen eher ernüchternd. Freundlich geschrieben hätten sie ja schon, sagt Schwenke. Aber im Kern seien das alles doch nur "belanglose Antworten".