Tarifstreit bei der Bahn Lokführer beginnen Streik im Personenverkehr
Die Lokführergewerkschaft GDL hat den bislang längsten Ausstand bei der Deutschen Bahn begonnen. Seit 2:00 Uhr wird jetzt auch der Personenverkehr bestreikt. Reisende müssen sich bis voraussichtlich Montagabend auf erhebliche Behinderungen einstellen.
Der vierte und bisher längste Lokführerstreik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) im Personenverkehr der Deutschen Bahn hat begonnen. Seit dem frühen Morgen kommt es deshalb erneut zu erheblichen Einschränkungen auf der Schiene. Für den Fernverkehr können Kundinnen und Kunden den Notfahrplan der Bahn online einsehen, so das Unternehmen. Über die üblichen Fahrplanauskünfte im Internet wird dabei angezeigt, ob ein Zug fährt oder nicht.
Eine Bahnsprecherin erklärte, der Notfahrplan für den Personenverkehr sei in der Nacht stabil angelaufen. "Wir sehen, dass viele von den Reisenden ihre Fahrt entweder vorziehen konnten oder auf einen späteren Zeitpunkt vertagen." Laut Bahn fallen wie schon bei den vorigen Streiks ungefähr 80 Prozent der Fernzüge aus. Auch im Regionalverkehr gebe es erhebliche Einschränkungen, sagte die Sprecherin. Diese fallen wie zuletzt regional sehr unterschiedlich aus.
Streitpunkt Absenkung der Wochenarbeitszeit
Rund sechs Tage lang will die GDL unter ihrem Chef Claus Weselsky weite Teile des Bahnverkehrs zum Erliegen bringen. Im Güterverkehr begann der Streik bereits am Dienstagabend um 18:00 Uhr, im Personenverkehr startete der Streik um 2:00 Uhr am Morgen. Bis Montagabend soll der Arbeitskampf andauern und damit erstmals im laufenden Tarifkonflikt ein komplettes Wochenende umfassen.
Neben finanziellen Forderungen dreht sich der Tarifstreit vor allem um das Thema Absenkung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter. Die GDL will diese von 38 auf 35 Stunden bei gleichbleibendem Gehalt reduzieren. Die Bahn hat bisher ein Wahlmodell angeboten, das eine Absenkung um eine Stunde bei vollem Lohn vorsieht. Wer sich dagegen entscheidet, erhält stattdessen 2,7 Prozent mehr Geld.
Gewerkschaftschef Weselsky sieht in der Offerte keine Grundlage für weitere Verhandlungen. Die Bahn sei nicht verhandlungsbereit, der Ausstand daher "rechtmäßig, verhältnismäßig und zulässig", sagte er.
GDL konkretisiert Forderungen
In einem Brief an die Bahn erneuerte die GDL nun ihre Tarifforderungen und konkretisierte manche. "Die Vorschläge orientieren sich an den Tarifabschlüssen, die wir in den vergangenen Wochen mit unseren Tarifpartnern erzielen konnten", heißt es in dem Schreiben, das die GDL heute veröffentlichte. So wird etwa ein konkreter Zeitplan für die geforderte Reduzierung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden ohne finanzielle Einbußen bis 2028 vorgeschlagen.
Die Bahn lehnte die Vorschläge der GDL wiederum als Grundlage für weitere Verhandlungen ab. Es handele sich lediglich um die "Wiederholung altbekannter Maximalforderungen", sagte eine Sprecherin. Noch am Dienstagmorgen hatte die Bahn die Gewerkschaft dazu aufgerufen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. "Wir sind bereit, zu jeder Zeit an jedem Ort zu Verhandlungen und zu Gesprächen zusammenzukommen", sagte eine Sprecherin.
Mehrere Kundgebungen geplant
GDL-Chef Weselsky kritisierte im Morgenmagazin von ARD und ZDF: "Was die Deutsche Bahn AG macht, ist nichts anders als die wiederholende Ablehnung aller Forderungen". Die Bahn bewege sich nur millimeterweise. Auf die Frage, wann die Gewerkschaft wieder verhandeln werde, sagte der Gewerkschafter: "Sobald die Deutsche Bahn vom hohen Ross herunter kommt."
Die GDL hat für die nächsten Tage zu mehreren Streikkundgebungen aufgerufen, zu denen auch der Gewerkschaftsvorstand erwartet wird. Demonstriert werden soll am Donnerstag etwa in Stuttgart, wo auch Weselsky erwartet wird, sowie in Nürnberg, Hamburg, Erfurt und Halle/Saale. Für Freitag sind Aktionen unter anderem in Berlin und Dortmund geplant.
Massive Auswirkungen auch auf die Industrie
Nicht nur für Fahrgäste, auch für die deutsche Industrie wird es erhebliche Einschränkungen geben. Vor allem Branchen mit hohem Schienengüter-Anteil müssen umdisponieren. "Der angekündigte sechstägige Bahnstreik belastet die Transportlogistik in Deutschland und Europa und damit auch Unternehmen der deutschen Automobilindustrie", teilte etwa der Verband der Automobilindustrie (VDA) mit.
Ähnlich äußerte sich die Chemieindustrie, die ebenfalls viele Verkehre über die Schiene abwickelt. "Mit ihren Kunden und Logistikdienstleistern haben die Unternehmen umgehend flexible Lösungen entwickelt", hieß es vom Verband der Chemischen Industrie. "Diese können die Einschränkungen und Verzögerungen in der Bahnlogistik aber nur teilweise kompensieren."
Der Streik kommt die Wirtschaft teuer zu stehen: "Ein eintägiger bundesweiter Bahnstreik kostet etwa 100 Millionen Euro am Tag an Wirtschaftsleistung", sagte der Konjunkturchef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln), Michael Grömling. Bei der nun angekündigten Streikdauer von sechs Tagen stiegen die Kosten nicht mehr linear, sondern multiplizierten sich teils. "Wir sind da schnell bei einer Milliarde Euro Schaden", sagte Grömling.
Connemann fordert strengere Regeln
Um solche Ausstände künftig zu verhindern, hat die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann eine Gesetzesverschärfung gefordert. "In kritischer Infrastruktur muss zuerst ein Schlichtungsverfahren abgeschlossen werden, bevor gestreikt wird", sagte die Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), im Deutschlandfunk. Dies müsse künftig gesetzlich festgeschrieben werden.
Zweitens müsse es eine gesetzliche Verpflichtung für einen Notdienst und drittens einen Streikvorlauf geben. Ein Streik etwa um Feiertage herum müsse verhindert werden. Im Bahnstreik werde seit dem 24. November nicht mehr verhandelt, die GDL habe "Maß und Mitte" verloren, kritisierte Connemann. "Eindeutig liegt das Problem bei der GDL." GDL-Chef Weselsky nehme "sozusagen das ganze Land in Geiselhaft".
In anderen EU-Ländern gebe es längst schärfere gesetzliche Regelungen für Streiks in kritischer Infrastruktur, sagte Connemann. "Niemand will Streiks verbieten, in keinem Bereich. Aber bei Energieversorgung, Rettungsdiensten, Bahnen oder eben Flughäfen muss ein Streik das letzte Mittel sein." Die Politikerin verwies darauf, dass die GDL auch die europäischen Nachbarländer mittreffe und die ohnehin schlechte Konjunktur in Deutschland weiter abwürge. "Sechs der zehn europäischen Frachtkorridore verlaufen durch Deutschland. Das heißt, auch andere Länder werden in Mitleidenschaft gezogen", kritisierte sie.