Privatisierungsmodelle für die Bahn Mit der Teilung zur Einheit?
Im Ringen um ein mehrheitsfähiges Konzept für eine Bahn-Privatisierung sind im Laufe der Zeit mehrere Modelle gekippt worden. Die Bundesregierung sucht weiter nach neuen Möglichkeiten, die Teilprivatisierung doch noch zu retten. Aufspaltung - aber nur ein wenig - lautet der jüngste Plan.
Der Bund will die Deutsche Bahn zum Teil privatisieren. Das wurde Ende Juli im Kabinett beschlossen. Aus dem Börsengang erhofft sich die Bundesregierung Einnahmen von rund vier Milliarden Euro. So viel ist unstrittig. Bei der Frage nach dem "Wie" der Privatisierung herrscht dagegen große Uneinigkeit. Nachdem das ursprünglich beschlossene Konzept von Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee vor allem durch massiven Widerstand der Länder Makulatur ist, wird in der Koalition nach Alternativen gesucht.
"Indisches Modell" als Lösung?
Letzter Stand der Dinge ist ein Plan aus dem Hause von Finanzminister Peer Steinbrück, wonach wesentliche Teile des Konzerns über eine Holding privatisiert werden sollen. Die neue Variante wird auch als "indisches Modell" bezeichnet. Dies deshalb, weil Bahnchef Hartmut Mehdorn es angeblich selbst der Bundeskanzlerin auf ihrer Indien-Reise schmackhaft gemacht haben soll.
Das "indische Modell" sieht vor, die Bahn unter dem Dach einer DB-Holding im Besitz des Bundes faktisch in zwei Teile aufzuspalten. Zum einen würde der Verkehr auf der Schiene in einer Subholding zusammengefasst. Neben der Nah- und Fernverkehrssparte wären das auch der Güterverkehr sowie die Logistiksparte, zu denen die Speditionstochter Schenker gehört. Diese Subholding soll den Plänen zufolge zu 49 Prozent an der Börse über strategische Anleger privatisiert werden; 51 Prozent liegen weiter beim Bund.
Netz verbleibt beim Bund
Zum anderen würde die gesamte Infrastruktur vollständig in Bundesbesitz verbleiben. Dazu gehören die Energieversorgung sowie Bahnhöfe und vor allem das rund 34.000 Kilometer lange Streckennetz. Letzteres ist ein entscheidender Punkt, denn die Hauptkritik an Tiefensees ursprünglichem Gesetzentwurf entzündete sich am Plan, das Eigentum am Schienennetz zwar formal zu behalten, es aber der Bahn mindestens 15 Jahre zur Nutzung zu überlassen. Das hielten viele Oppositions-, aber auch SPD-Politiker sowie die Länder für verfassungswidrig. In einem von den Ländern vorgelegten Gutachten hieß es, die Trennung von rechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum an der Infrastruktur führe zu einer "Teilprivatisierung der Ausübung von Staatsgewalt". Das Grundgesetz legt in Artikel 87e jedoch fest, dass der Bund beim Erhalt und dem Ausbau des Netzes das "Wohl der Allgemeinheit" zu gewährleisten hat.
Nach Medienberichten wäre für das geplante Privatisierungsmodell eine Grundgesetzänderung nicht erforderlich. Es gibt sogar die Auffassung, dass es überhaupt keines Gesetzes bedürfe, um diese Struktur durchzusetzen. Auf dem Papier sieht der neue Vorschlag somit gut aus: Die privaten Investoren der Transport-AGs könnten nicht an der Infrastruktur sägen, und die Bahn käme zu Geld, ohne den Bundeshaushalt bemühen zu müssen. Ob dieses dann trotzdem in die Infrastruktur fließen könnte, ohne die Aktionäre zu verärgern, ist jedoch offen.
Inhaber einer von der SPD geplanten sogenannten Volksaktie haben, da es sich um eine Vorzugsaktie handelt, kein Stimmrecht. Sie sollen jedoch im Gegenzug eine garantierte Mindestverzinsung erhalten. Diese ist ein wesentlicher Unterschied zur Telekom-Aktie, die zwar auch als "Volksaktie" bezeichnet wird, tatsächlich aber eine Stammaktie ist. Das heißt, es gibt keine Garantie für einen bestimmten Gewinn, dafür aber ein Stimmrecht. Vorzugsaktien dürfen laut Aktiengesetz nur bis zur Hälfte des Grundkapitals ausgegeben werden. Die SPD schlägt hier einen Anteil von mindestens 25,1 % vor.
Die SPD erhofft sich von einer Bahn-Privatisierung via Vorzugsaktie zusätzliches Kapital für das Unternehmen, ohne die staatliche Kontrolle aus der Hand des Bundes geben zu müssen. In der Union stößt aber gerade dieser Plan auf Kritik. Die Effizienzkontrolle der Bahn durch Investoren sei schließlich die Ursprungsidee für die Privatisierung gewesen.
Ebenso die Frage, ob das "indische Modell" bei der SPD mehrheitsfähig wäre. Schließlich hatte sie auf ihrem Parteitag ein eigenes Modell beschlossen: die Privatisierung über eine "Volksaktie". Vom Tisch ist diese Idee noch nicht. Der Koalitionsausschuss beauftragte am 12. November Verkehrsminister Tiefensee, bis zum nächsten Spitzentreffen am 10. Dezember einen Bericht über die verschiedenen Modelle vorzulegen.
So oder so - in beiden Fällen muss Bahn-Finanzchef Diethelm Sack seine Mittelfristplanung umschreiben. Bis das "indische Modell" umgesetzt sein wird, dauert es vermutlich eine Weile, und wenn die Privatisierung insgesamt aufgeschoben wird, muss er auch neue Ressourcen suchen.