US-Regionalbanken in der Finanzkrise Mit Langeweile gegen die Gier
"Bank" hat sich für viele Amerikaner zum Schimpfwort entwickelt. Ihre Wut richtet sich gegen Finanzkonzerne und skrupellose Manager. Doch kleine Regionalbanken mit konservativen Strategien genießen noch Vertrauen. Sie sollen das Land aus der Krise führen.
Von Robert Kiendl, HR-Hörfunkstudio Washington
Wenn man Amerikaner auf ihre Banken und deren Manager anspricht, hört man zurzeit fast immer das Gleiche: "skrupellos und gierig" oder "unverantwortlich - die versuchen, mit soviel wie möglich davonzukommen". John Milleson kennt diese Vorwürfe. Er ist Chef der Bank of Clarke County in Berryville im ländlichen Norden von Virginia. Sein Unternehmen besteht seit 128 Jahren und hat ganze elf Filialen.
"Ich ging neulich die Straße runter, und jemand fragte mich nach einem Restaurant - er war neu im Ort. Also zeigte ich ihm den Weg", erzählt Milleson. "Und dann fragte er mich, ob ich Anwalt sei, und ich sagte: Nein, Banker. Darauf er: Mein Gott, das ist ja noch schlimmer!" Das zeige, wo die Banken im Augenblick stünden. "Aber eigentlich ist es hier so, dass die Leute sagen: Alle Banken sind schrecklich, nur meine Bank, die ist in Ordnung", so Milleson.
Andere Welt als die Wall Street
Zum Vergleich: Die Bank of America, das größte Geldinstitut der USA, hat gut 200.000 Angestellte, die Bank of Clarke County gerade mal 175. Im Gegensatz zu den großen Geldhäusern hat sich Millesons Bank aus hochspekulativen Transaktionen rausgehalten. Seine Bank und die Wall Street - das seien zwei völlig verschiedene Welten.
Milleson bezeichnet die Finanzgeschäfte seiner Bank als konservativ, gewissermaßen langweilig. "Langweilig und unspektakulär zahlt sich manchmal aus", sagt er. "Wir verleihen Geld an Leute, von denen wir wissen, wer sie sind." Seine Bank vergebe Darlehen in einem Umkreis von 25 bis 30 Meilen und keine Kredite in Timbuktu. "Auch nicht in Kalifornien, Nevada, Atlanta, Florida. Es spielt sich alles hier ab, versichert Milleson.
"Nur wenige faule Kredite"
Allerdings: Ganz spurlos vorbeigegangen ist die weltweite Finanzkrise auch nicht an der kleinen Provinzbank. Auch die Bank of Clarke County hat Kredite vergeben, die sich als faul entpuppten - derzeit im Umfang von sechs Millionen Dollar, sagt Milleson. Keine Bank könne sich erlauben, nur völlig risikofreie Darlehen zu gewähren. Nun könnten einige Kunden ihre Schulden nicht begleichen - gute Kunden, wie er sagt, die durch den allgemeinen Abschwung in Schwierigkeiten geraten seien. Aber man habe auch riskante Kredite verweigert, etwa Leuten, die ein Haus kaufen wollten, sich das aber gar nicht leisten konnten. Das zahle sich nun aus.
"Das Vertrauen in unsere kleine Bank ist da", meint Milleson. Anders als vielen anderen US-Banken seien ihm die Kunden nicht in Scharen davon gelaufen. Im Gegenteil. "Wir haben keine Hilfsgelder aus dem Rettungspaket der Regierung angenommen, wegen der ganzen Auflagen. Das steuerfinanzierte Programm ist in der Bevölkerung nicht populär. Und so hat uns die Ablehnung der Nothilfen viele gute Kunden beschert."
"Ich würde keiner anderen Bank vertrauen"
Insgesamt hat die Bank of Clarke County etwa 18.000 Kunden - seit Neuestem auch die 17-jährige LeAnn. Sie hat gerade ihren Highschool-Abschluss gemacht und bei der Bank of Clarke County ein Konto eröffnet. "Ich würde keiner anderen Bank vertrauen", sagt sie. "Mein Vater hat seine Bank gebeten, sein Konto zu schließen, bevor etwas Schlimmes passiert. Und das haben sie nicht rechtzeitig gemacht, sodass er viel Geld verloren hat." Deshalb sei sie gerne hier. "Sie tun, worum Du sie bittest. Sie sehen Dich als Person und nicht nur als irgendeinen Kunden", findet die 17-Jährige.
Milleson meint, dass kleine Banken wie seine Amerika aus der Wirtschaftskrise herausführen werden, auch wenn es einige Jahre dauern dürfte. "Die Investmentbanken, die in Hedgefonds investiert haben, mit ihren extravaganten Finanzinstrumenten, die haben uns in diese Misere gestürzt. Wir dagegen sind diejenigen, die weiter Geld verleihen und die das Land da rausholen."